Wir sind den Sportback mit 270-kW-Heckantrieb gefahren
Seit Hyundai 2021 sein erstes 800-Volt-Fahrzeug einführte, klang der Audi-Claim ein wenig schal: Den Vorsprung durch Technik konnten damals die Koreaner für sich reklamieren. Drei Jahre später ist mit dem Audi Q6 e-tron und A6 e-tron die Welt wieder in Ordnung. Das 800-Volt-SUV fuhren wir im Juli, nun war der A6 e-tron dran. Wir haben die reichweitenstärkste Version getestet, den Sportback mit 270-kW-Heckantrieb.
Der Audi A6 e-tron gehört wie der Verbrenner in die Obere Mittelklasse, also dahin, wo der Mercedes EQE und der BMW i5 zu Hause sind. Ein weiterer Konkurrent, allerdings im Volumenbereich, ist der VW ID.7. Alle diese Fahrzeuge sind für Langstrecken gemacht, aber nur der Audi A6 e-tron hat dank 800-Volt-Technik und sehr schnellem Laden ideale Voraussetzungen dafür. Es gibt ihn als Avant und als Sportback, und für beide stehen vier Motorisierungen zur Wahl. Hier sind die wichtigsten Daten der getesteten Version:
Exterieur/Platzangebot | Cockpit | Antrieb/Akku | Preise/Rivalen | Fazit
Der A6 e-tron misst stolze 4,93 Meter in der Länge, und zwar als Sportback wie als Avant. Die Höhe ist beim Avant um vier Zentimeter größer als bei der fünftürigen Schräghecklimousine. Das kommt aber hauptsächlich daher, dass das Heck nach hinten nicht so stark abfällt wie beim Sportback. Deswegen ist hier die Shark-Fin-Antenne der höchste Punkt. Die aerodynamisch wichtige Stirnfläche ist bei beiden Autos annähernd gleich groß: 2,46 Quadratmeter beim Sportback, 2,48 beim Avant.
Luftwiderstand ist gleich Stirnfläche mal cW-Wert. Wenn man auch den zweiten aerodynamischen Faktor einbezieht, ist der Sportback ebenfalls günstiger. Durch die sanft nach hinten absinkende Dachlinie ergibt sich ein hervorragender cW-Wert von 0,21, der Kombi liegt bei 0,24. Zudem ist der Sportback zehn Kilo leichter. Deshalb sind Reichweite und Stromverbrauch beim Sportback besser. Und beim Kofferraumvolumen ist er erstaunlicherweise dem Kombi kaum unterlegen - dazu gleich noch mehr.
Aus diesen Gründen reiste ich mit dem Gedanken zum Audi-Event an, der Sportback wäre vielleicht die bessere Wahl. Aber der Avant bietet doch einige "Lademeister"-Vorteile. So kann man die Rücksitze hier vom Heck aus umklappen, es gibt einen variabel einsetzbaren Ladeboden zur Egalisierung der kleinen Ladeschwelle am Kofferraumeingang und die Sichtverhältnisse sind etwas besser. Hier sind wir an einem neuralgischen Punkt des A6 e-tron: Die Rundumsicht ist weder beim Sportback noch beim Avant gut.
Noch schlechter wird die Übersicht, wenn man die virtuellen Außenspiegel für 1.450 Euro bestellt: Die Benutzung dieser kamerabasierten Spiegel ist zumindest gewöhnungsbedürftig. Sie sind zwar höher als beim Q8 e-tron installiert, aber immer noch tiefer als die konventionellen Außenspiegel, zudem sind sie in einem weniger günstigen Winkel angebracht und nicht allzu groß. Im Fond gibt es für mich als 1,76 m großen Testpassagier viel Kniefreiheit und ausreichend Kopffreiheit. Die Platzverhältnisse hinten sind bei Sportback und Avant annähernd gleich.
Ein schönes Detail beim Kofferraum: Die Stelle, wo man die Schuhspitze hinhalten muss, damit sich die sensorgesteuerte Heckklappe öffnet, wird durch einen projizierten Pfeil am Boden markiert. Ebenfalls ein nettes Feature ist, dass sich der Frunk (alle Modelle haben ein 27-Liter-Fach unter der Fronthaube) öffnen lässt, indem man mit der Hand quer über die Front streicht.
Der Kofferraum von Sportback und Avant ist jedoch im Vergleich mit dem ID.7, dem ID.7 Tourer und dem BMW i5 Touring klein. So passen in den VW ID.7 Tourer rund 300 Liter mehr als in den Avant:
Pro und Contra:
+ gute Aerodynamik, sensorgesteuerte Heckklappe mit optischer Markierung
- schlechte Rundumsicht, kleiner Kofferraum, gewöhnungsbedürftige Kameraspiegel
Während der Audi Q6 e-tron traditionelle Türgriffe hat (was ich inzwischen als etwas bieder empfinde), bietet der A6 versenkte mit Griffmulden. Entriegelt wird auf eine von drei Arten:
Da die Türen einen Soft-Close-Mechanismus besitzen - sie werden automatisch ganz zugezogen, wenn man sie schlampig ins Schloss wirft - gibt es zudem einen mechanischen Öffnungsmechanismus in der Griffmulde: für den Fall, dass der Wagen stromlos liegenbleibt.
Alles prima, nur: Im Auto muss überflüssigerweise noch ein Startknopf gedrückt werden. Die Getriebemodi P, N, R, D und B werden per Schieber in der Mittelkonsole aktiviert. Man guckt auf 11,9-Zoll große Instrumente und einen 14,5-Zoll-Touchscreen, der mich mit seiner brillanten Darstellung und den schönen Google-Earth-Kartenbildern wie schon beim Q6 beeindruckt. Optional gibt es noch ein Head-up-Display, das mit 3.575 Euro (im Paket) aber nicht ganz billig ist. Gleiches gilt für den Beifahrer-Touchscreen, den man ab 4.200 Euro als Bestandteil eines der beiden "Tech"-Pakete erwerben kann.
Die Materialien im Cockpit wirkten schicker als im Q6 e-tron, und auch den Eindruck von der statischen A6-Präsentation meines Kollegen kann ich nicht bestätigen. Möglicherweise hat sich Audi die Kritik schon zu Herzen genommen. Unsere Testfahrzeuge jedenfalls hatten am Armaturenbrett eine metallisch glänzende Blende sowie entweder einen schicken grauen Denim-Stoff oder schwarzes Veloursleder. In Sachen "Wertigkeit" blieb nichts zu wünschen übrig.
Auch die Sprachbedienung funktionierte gut. Ich konnte die einzelnen Fenster öffnen und schließen, mich zur nächsten Lade- oder Schnellladestation oder an diverse Destinationen führen lassen. Sogar gestammelte Anweisungen mit vielen "Ähs" und Wortwiederholungen wurden akzeptiert. Eine Laderoutenplanung nach Madrid oder Paris konnte das System nicht berechnen, aber das lag wohl daran, dass das Test-Event auf Teneriffa stattfand und die Fährverbindungen vermutlich nicht enthalten waren.
Pro und Contra:
+ Materialien besser als erwartet, brillanter Touchscreen, gute Sprachbedienung
- überflüssiger Startknopf-Zwang
Wie erwähnt gibt es vier Motorisierungen für den A6 e-tron, wobei die Motoren-Hardware aber einheitlich ist: Alle Autos haben hinten eine 280-kW-Maschine mit Permanentmagneten (PSM), bei den Allradlern kommt vorn noch ein Asynchronmotor (ASM) mit 140 kW hinzu. Die unterschiedlichen Leistungen kommen per Software zustande.
Wie beim Q6 e-tron nutzt Audi bei der Leistungselektronik hocheffiziente Siliciumcarbid-Technik. Bei den Allradlern allerdings nur für den Inverter der hinteren Achse - der Frontantrieb wird ja nur bei starkem Gaseinsatz zugeschaltet, und dann ist der Stromverbrauch sekundär. Aber natürlich wären SiC-Inverter vorne und hinten wie beim kommenden Mercedes CLA EQ noch besser.
Die Stars der Audi-Palette sind für mich die beiden Hecktriebler - was Audi als quattro-Marke wahrscheinlich nicht gern hört. Beide Varianten haben etwas für sich: Die Basisversion mit 210 kW bietet als Sportback mit 13,6 kWh/100 km einen rekordmäßig niedrigen Verbrauch. Sparsamer sind wohl nur noch der teure Lucid Air (13,0 kWh) und der winzige Fiat 500 Elektro mit der kleinen Batterie (13,5 kWh). Der niedrigste Verbrauch des Avant liegt schon bei 14,4 kWh. Die Reichweite der Sportback-Basisversion ist mit maximal 627 km ebenfalls schon sehr gut.
Noch extremer ist die Reichweite des Audi A6 e-tron Sportback Performance, der bis zu 756 km nach WLTP-Norm schafft. Das liegt an der großen 95-kWh-Batterie. Der Verbrauch ist mit 14 kWh immer noch niedrig.
Der Vortrieb des 270 kW starken A6 e-tron Performance würde mir locker ausreichen. Eine Allradversion würde ich nur wählen, wenn ich einen Anhänger ziehen wollte (bis zu 2,1 Tonnen sind möglich, ein sehr hoher Wert) oder oft im verschneiten Gebirge unterwegs wäre. Und die Fahrstabilität? Nun ja, der Hecktriebler kann hinten ausbrechen, aber nur wenn man es drauf anlegt, indem man zum Beispiel bergauf am Kurvenausgang einer engen Serpentine Vollgas gibt.
In Sachen Rekuperation bietet der Audi zahlreiche Einstellmöglichkeiten. Neben einem Segelmodus werden eine automatische Rekuperation (unter Berücksichtigung von vorausfahrendem Verkehr, Tempolimits, Kreisverkehren etc.) sowie die drei Stufen Man 0, Man 1 und Man 3 angeboten. Wer einfach nur den B-Modus um Getriebewähler aktiviert, bekommt One-Pedal-Driving, das heißt, die stärkste Rekuperation, die bis zum völligen Stillstand führt (deaktivierter Kriechgang, "no creep").
Abgesehen vom B-Modus erfolgt die Einstellung über Lenkradwippen. Und die Logik war für mich viel eingängiger als beim kürzlich gefahrenen Kia EV6, der ähnlich feine Einstellungen bietet, mich aber ziemlich verwirrte. Zudem funktioniert die automatische Rekuperation besser als bei Kia.
Aufgeladen wird die kleine Batterie (im Basismodell) mit bis zu 225 kW, die große mit 270 kW. Die Ladeleistungen kommen durch die unterschiedlichen Nennspannungen der Akkus zustande, wie mir Audi-Batterieexperte Johannes Haf bestätigte: Eine Lithium-Ionen-Zelle von Audi liefert rund 3,7 Volt. Bei 192 in Serie geschalteten Zellen in der großen Batterie (192s1p) ergibt das 710 Volt, die kleine enthält nur 150 Zellen (150s1p) und bringt es so nur auf 555 Volt. Beide Akkus werden mit dem gleichen Maximalstrom von rund 380 Ampere geladen, was durch Multiplikation die Ladeleistungen von 225 bzw. 270 kW ergibt.
Wichtiger für die Praxis ist natürlich die Ladekurve und die Ladegeschwindigkeit im Bereich zwischen 10 und 80 Prozent. Hierzu zeigte uns Audi eine ähnliche Abbildung wie beim Q6 e-tron:
Aufgeladen wird hinten, und zwar wahlweise an der rechten oder linken Autoseite: Der A6 e-tron hat zwei Ladeklappen, die sich elektrisch öffnen und schließen. Auf der rechten Seite gibt es einen Typ-2-Anschluss für Wechselstrom, links kann man zusätzlich auch Gleichstrom laden.
Mit Gleichstrom sollen sich beide Akkus binnen 21 Minuten von 10 auf 80 Prozent SoC bringen lassen. Das entspricht einer Ladegeschwindigkeit von 2,5 bzw. 3,2 kWh/min. Dass der Porsche Taycan mit bis zu 3,8 kWh/min noch schneller lädt, liegt an der moderneren Batterie-Chemie - offenbar wegen Silicium in der Anode. Aber was beim A6 noch nicht ist, kann noch werden: Gut möglich, dass der A6 in ein paar Jahren auch neue Zellen mit Silicium kriegt.
Wenn man an eine 400-Volt-Säule gerät, tritt wie beim Q6 e-tron das so genannte Bankladen in Aktion. Gefragt, warum Audi sich nicht für die Lösung des Taycan entschieden hat (ein Aufwärtswandler bringt die 400 Volt der Säule auf die 800 Volt des Akkus), sagte mir Haf, das läge erstens an den Zusatzkosten und zweitens wäre die Komplexität so geringer - das ist plausibel, denn für die Taycan-Lösung braucht es eine zusätzliche Leistungselektronik mit eigener Kühlung.
Beim Bankladen werden die beiden Akkuhälften parallel geschaltet statt in Reihe. Damit ergibt sich eine niedrigere Spannung und der Akku kann geladen werden. Dabei sinkt allerdings die Ladeleistung auf die Hälfte, so dass nur 135 kW beim großen Akku bleiben, rund 112 kW beim kleinen. Die Ladedauer für den üblichen Ladehub (10 bis 80 Prozent) soll aber auch dann etwa 31 oder 32 Minuten betragen, so Haf. Damit ist man nicht viel langsamer als mit einem guten 400-Volt-System.
Pro und Contra
+ extrem sparsam und reichweitenstark, sehr schnelles Laden
- Taycan lädt noch schneller, hat besseres System für 400-Volt-Säulen
Niedrige Verbräuche, hohe Reichweiten und schnelles Laden: Der A6 e-tron ist für lange Autobahnfahrten wie gemacht. Für diesen Zweck würde ich die reichweitenstärkste Version wählen: den Sportback Performance mit 756 km Reichweite. Mehr schaffen nur noch Lucid Air (bis 960 km) und Mercedes EQS (bis 821 km). Auf Schlagdistanz liegen noch das Tesla Model S (bis 723 km) und der VW ID.7 (709 km).
Wichtig für die Langstrecke ist auch, wie schnell man Reichweite nachladen kann. Diesen Wert kann man aus der WLTP-Reichweite sowie der angegebenen Ladedauer errechnen. Beim A6 e-tron ergeben sich für die reichweitenstärkste Konfiguration 756 km * 0,7 / 21 min = 25,2 Kilometer pro Minute Ladezeit (Durchschnittswert für den SoC-Bereich zwischen 10 und 80 Prozent). Hier ein kleiner Vergleich mit der Konkurrenz:
Man sieht, dass der Audi A6 e-tron bei Reichweite und Laden (inklusive Reichweite-Nachladen) deutlich vorausfährt. Am dichtesten auf den Fersen ist ihm der VW ID.7, der noch effizienter ist und rund 17.000 Euro weniger kostet. Dass das Laden fünf Minuten länger dauert, kann man vielleicht verschmerzen, die Reichweite ist ebenfalls sehr gut.
Pro und Contra
+ reichweitenstärker als Premiumkonkurrenz, besser beim Laden
- 17.000 Euro teurer als VW ID.7 Pro S
Der Audi A6 e-tron Performance ist genau das richtige Auto für lange Autobahnstrecken: Er ist sehr sparsam, besitzt einen großen Akku und lädt extrem schnell. Wenn es primär ums Autobahn-Bolzen geht, ist der Audi in der effizienten Sportback-Version wohl die beste Lösung.
Die 75.600 Euro, die dafür verlangt werden, sind allerdings ein Wort. Günstiger kommt man beim VW ID.7 Pro S davon, das wäre die zweitbeste Lösung; zudem hat der VW mehr Kofferraum. Der für Kombis oft genutzte Begriff Lademeister trifft auf den A6 e-tron durchaus zu, allerdings nur bezogen auf das Verhalten an der Säule ...
Pro und Contra
+ hohe Reichweite, niedriger Verbrauch, schnelles Laden
- schlechte Rundumsicht, kleiner Kofferraum