Es ist nicht mehr nur der Motor, der glänzt
Was ist die Steigerung von Hot Hatch? Lava-Hatch vielleicht oder Kernschmelze-Hatch? Naja, zumindest ist es die Klasse, in der sich der Mercedes-AMG A 45 zuletzt ein wenig einsam tummelte. Mit der Ankunft des neuen Audi RS 3 hat die Einsamkeit nun ein Ende. 400 PS, 500 Nm, ein offizieller 0-100-km/h-Wert von 3,8 Sekunden (etwas konservativ, wie wir gleich feststellen werden) und bis zu 290 km/h Topspeed sorgen dafür.
Der RS 3 ist von Beginn an als Sportback und Limousine erhältlich. Der herzerwärmende Fünfzylinder-Turbo darf als Alleinstellungsmerkmal noch einmal (vermutlich zum letzten Mal) ran.
Wichtigste Fahrspaß-Reform ist aber sicher der komplett neue Allradantrieb. Ciao Kakao Haldex, habe die Ehre "Torque Splitter". Er ersetzt, wie etwa beim A 45 oder dem neuen Golf R, das Hinterachsdifferenzial und das bisherige Lamellenkupplungspaket an der Hinterachse.
Stattdessen kommt je eine elektronisch gesteuerte Lamellenkupplung an der jeweiligen Antriebswelle zum Einsatz, was Kraftverteilung auch zwischen den Hinterrädern ermöglicht. Das Prinzip ist einfach: Bei sportlicher Fahrweise wird das Antriebsmoment auf das jeweils kurvenäußere Hinterrad erhöht, wodurch sich das Auto besser in die Kurve eindreht und weniger untersteuert.
Dass ich das bisherige Haupt-Kaufargument für einen RS 3 erst jetzt anspreche, zeigt sehr gut, wie sich die Prios bei der neuen Generation geändert haben. Das neue Auto wäre auch ohne seinen fantastischen Fünfzylinder ein sehr brauchbares. Aber es ist natürlich ein Segen, dass der 2,5-Liter-Charmebolzen noch einmal sein Unwesen treiben darf. Der RS 3 ist damit aktuell der einzige neue Hot Hatch mit mehr als vier Zylindern.
Und die Maschine hat nichts von ihrer Faszination eingebüßt. Sie sitzt im Motorraum noch immer sehr weit vorne, aber die Achslastverteilung des Autos konnte immerhin geringfügig auf 59:41 verbessert werden. Softwareseitig ist im Prinzip alles neu. Am Charakter des TFSI hat sich aber nicht wirklich viel verändert. Das ist sehr zu begrüßen.
Bis knapp unter 3.000 Touren atmet er ziemlich tief durch, dann kannst du dich einfach nur noch gut festhalten und versuchen, die Gesichtsmuskeln vor der völligen Entgleisung zu bewahren. Der Vorwärtsdrang dürfte zum Verrücktesten gehören, was die Kompaktklasse je gesehen hat. Ich wage nicht zu beurteilen, wie exakt die internen Mess-Sensoren des Autos arbeiten, aber mein Launch-Control-Start brachte eine 0-100-km/h-Zeit von 3,3 (!) Sekunden. Dreikommadrei!!! Meine persönliche Schlag-in-die-Magengrube-Skala bestätigt diesen Wert in etwa.
Schuld sind wohl weniger die 20 Extra-Nm, sondern eher Verbesserungen bei Allrad, Getriebe und Launch-Funktion. Aber neben seines kapitalen Antritts überzeugt der Fünfender auch weiterhin mit ordentlich Charisma.
Nach erwähntem Turboloch ist der mittlere Drehzahlbereich natürlich extrem fett angerührt. Ganz oben raus geht aber auch noch schön der Punk ab. Stellen Sie sich dabei weniger die filigrane, tänzelnde Drehwilligkeit eines BMW-Reihensechsers vor. Das hat schon mehr von Streitaxt auf vollem Durchzug. Man weiß ja inzwischen um die Qualitäten dieser Maschine und auch dieses Mal liefert sie wieder das gewisse Extra, das ein Vierzylinder (vielleicht mit Ausnahme des M139 im Mercedes-AMG A 45) einfach nicht aufbringen kann.
Dazu trägt ganz maßgeblich auch das Klangbild bei. Inzwischen fragt man sich bei jedem Sportmodell-Nachfolger ja nur noch wie groß das Ausmaß der Sound-Kastration dieses Mal ausgefallen ist. Der neue RS 3 bildet hier eine rühmliche Ausnahme. Mit der vollvariablen Klappensteuerung im Auspuff haben die Herrschaften in der Audio-Abteilung ganze Arbeit geleistet.
Wenn du oder die offiziellen Dezibel-Dödel Ruhe wollen, etwa beim Rumrollen in der Ortschaft, dann gibt das Auto Ruhe. Aber so richtig Alarm im Gehörgang ist auch kein Problem. Gaspedalstellung auf Angriff (gerade im Dynamic-Modus, wo die Klappen früher und weiter öffnen) und der Zweifünfer-Turbo trompetet, was das Zeug hält. Brrräääm, Brrräääm, Bwäääääm ... er hat es noch voll drauf. Audi verstärkt zwar leicht durch eine Membran unter der Windschutzscheibe, aber der Klang wirkt insgesamt wirklich schön natürlich. Innen und außen.
Sie war ja bisher nun wirklich nicht das Territorium des RS 3, da braucht man nur auf die Parkplätze rund um eine geöffnete Nordschleife schauen. Die Vorgänger sah man da so gut wie nie. Auch das könnte sich nun ändern. Audi hatte zuletzt medienwirksam einen neuen Nordschleife-Rekord für Kompakte aufgestellt, war mit 7:40 Minuten fast fünf Sekunden schneller als der bisherige Champion Honda Civic Type R.
Warum das klappen konnte, wird nach ein paar Runden auf dem kleinen Athens Circuit schnell klar. Da wäre zum einen natürlich die überlegene Motorleistung. Den Rest erledigen die optionalen Pirelli PZero Corsa-Pneus, Semislicks, die schon aus der Ferne weicher aussehen, als eine Packung Lakritzschnecken.
Und natürlich hat auch der schlaue Allrad wieder seine Finger im Spiel. Im sogenannten RS Performance-Mode sorgt er für maximale Neutralität und Effektivität bei der Kraftverteilung. Die Folge: Der RS 3 brettert die Piste relativ humorlos in Grund und Boden. Unter- oder Übersteuern finden einfach nicht statt. Das liegt hier, so ehrlich muss man sein, natürlich auch stark an den Reifen. 265er-Cup-Pellen vorne (hinten sind es 245er) können viel kaschieren, aber insgesamt funktioniert es einfach. Auch weil die aufwändig restaurierte Bremse endlich zu halten scheint.
Kleiner Wermutstropfen: Die 7-Gang-Doppelkupplung ist für sportliches Landstraßengefege gut gerüstet, unter Volllast auf der Strecke zählt sie aber nach wie vor nicht zu den zackigsten. Da muss man vor der Kurve auch mal häufiger draufhämmern, ehe geschaltet wird.
Der aktuelle A3 ist ja innen wirklich ansehnlich geworden. Und die Bedienung von Fahrhilfen, Infotainment und Co. funktioniert um Welten besser als im Golf. Schmeißt man noch ein bisschen Carbon, Sportsitze und ein Alcantara-Lenkrad mit rein, schadet das natürlich auch nicht unbedingt. An Materialqualität und Verarbeitung kann man wie immer rein gar nichts aussetzen.
Kritik gibt es deshalb nur vereinzelt: Die Sitzposition ist wirklich okay und Audis gesteppte Sportsitze sehen ja auch sehr schick aus, aber in einem Performance-Topmodell, das einen Nordschleife-Rekord hält, wäre ein etwas extremerer Schalensitz als Option wünschenswert. Weil er besser festhält und selbstverständlich auch, weil er cooler aussieht. War doch bei den Vorgängern auch möglich.
Ein ewiges Ärgernis bei Audi waren auch die uninspirierten Schaltpaddles. Selbige sind nun aus ..moment.. "poliertem Zinkdruckguss" gefertigt. Das fühlt sich schon mal deutlich besser an als Plastik. Leider sind sie immer noch sehr klein. So richtig schön große Kellen ( wie etwa bei Alfa) will man in Ingolstadt einfach nicht. Passt nicht zum eigenen Markenbild, sagte man mir auf Anfrage.
Gut: Das erstmals erhältliche Head-up-Display, dass auch den Schaltblitz und die Launch-Control-Ampel (ja wirklich, die gibt's) aus dem Instrumentendisplay übernimmt.
Sauschnell war der RS 3 schon immer, jetzt geht er auch vernünftig ums Eck. Die Verbesserungen an der Vorderachse und vor allem der neue Allradantrieb tragen maßgeblich dazu bei. Das System mit dem sogenannten Torque Splitter ist ja nicht neu, aber Audi hat die Abstimmung wirklich gut getroffen - auf Wunsch schön hecklastig und wirklich reaktionsschnell.
Das Handling ist deutlich spielerischer und involvierender als bisher. Dazu kommt ein absolutes Biest von einem Motor mit Tonnen an Charakter und inzwischen völlig absurdem Vorwärtsdrang. Was auf der Nordschleife Rekorde einheimst, kann in der Regel nicht so verkehrt sein. Das zeigt sich hier einmal mehr.
Sie wissen, wir halten für gewöhnlich mit Kritik nicht hinterm Berg, aber wenn ein Auto auf Anhieb eine verdammt runde Vorstellung abliefert, dann darf man das auch gerne mal zugeben. Das ist derzeit unter den kompakten Heißspornen nur sehr schwer zu schlagen. Freilich immer unter Berücksichtigung des Preises, der Besitzer eines Civic Type R, Hyundai i30 N und Co. nur müde abwinken lassen wird.