Wie groß ist die elektrische Reichweite in der Praxis?
Als ich meiner Lauffreundin sage, dass ich einen Plug-in-Hybrid testen werde, verdreht sie die Augen. Sie hat gerade eine Dokumentation im Fernsehen zu PHEVs gesehen, und die muss ziemlich negativ ausgefallen sein. Und ich teste auch noch den Q8 als Plug-in-Hybrid, also das dickste SUV von Audi. Große SUVs mit einem Plug-in-Hybrid-Antrieb: Gleich zwei negative Image-Faktoren. Aber wie ist das Auto wirklich? Ich habe den Q8 60 TFSI e getestet.
Unter der Haube arbeitet der gleiche Antrieb wie im VW Tiguan R und im Porsche Cayenne E-Hybrid. Das heißt: Als Verbrenner arbeitet hier ein Sechszylinder, der 3.0 TFSI mit 340 PS und 450 Nm Drehmoment. Hinzu kommt ein Elektromotor 100 kW (136 PS) Peakleistung. Peakleistung bedeutet, wie mir der Audi-Experte Philip Seyferth bestätigt, dass diese Leistung etwa 20 Sekunden anliegt, danach fällt sie ab. Aber das sind Details.
Der VW Tiguan R ist in der Tat ähnlich, heißt es bei Audi, aber der Porsche hat einen Allradantrieb mit Lamellenkupplung - während Audi auf ein Torsendifferenzial setzt. Der Unterschied ist, dass eine Lamellenkupplung in der Regel elektronisch geregelt wird, während das Torsen-Differenzial mechanisch funktioniert. Aber das sind schon wieder so technische Details.
Zusammen mit dem Produktmanager gehe ich hinaus zum Auto, wo ein weißer Q8 auf uns wartet. Wir schauen zusammen in den Kofferraum: Eine große Tasche mit Ladekabeln liegt darin, wie beim zuvor gefahrenen A3. Der Laderaum liegt hier sehr hoch - typisch SUV halt. Aber man kann ihn absenken, wie ich an den zwei Knöpfen innen im Kofferraum sehe: Die Luftfederung machts möglich.
Der Ladeboden lässt sich hier nicht anheben, es gibt nur eine kleine Öffnung für den Servicetechniker, wenn er doch mal an die Batterie ran muss. Der Ladeboden ist schön eben, auch nach dem Umklappen der Rücksitze entsteht keine Stufe - sehr gut. Außerdem zeigt mir der Produktmanager, dass man die Rücksitze längs verschieben kann.
Bei zurückgeschobenen Sitzen ist im Fond mehr als genug Platz vor den Knien, über dem Kopf ist weniger Raum, aber auch hier reicht es dicke:
Ich luge nach vorne ins Cockpit, wo ich einen kurzen, hakenförmigen Getriebehebel erspähe. Elektronische Getriebebedienung, sagt der Produktmanager. Gott sei Dank, ich muss keinen altmodischen langen Hebel durch die Kulisse schieben wie beim Q3.
Und sonst? Ein paar schwarze Leisten und rote Bremssättel, sonst sieht das Ding eher normal aus. Audi wollte eine sportliche Optik, aber der Abstand zum SQ8 und RS Q8 sollte gewahrt bleiben. Marketingmäßig, das ist dem Produktmanager natürlich wichtig, passen die 462 PS meines Q8 60 TFSI e genau in die Lücke zwischen dem Sechszylinder-Modell Q8 55 TFSI mit dem 340 PS starken 3.0 TFSI und dem SQ8 mit 507 PS.
Aber jetzt will ich erstmal fahren. Wie zuvor schon ist mein Plan, im Elektromodus zu bleiben und die Batterie leer zu fahren, um zu sehen, wie realistisch die 56 Kilometer Reichweite (NEFZ) sind. Wie beim A3 und beim Q3 gibt es auch beim Q8 vier Hybridmodi, zwischen denen man mittels EV-Taste umschaltet. Nur dass die Taste beim Q8 auf dem zweiten Mittendisplay erscheint, das sich unter dem Navi-Bildschirm befindet:
Wie weit ich gekommen bin, nehme ich hier vorweg: Es waren 42 Kilometer, also sogar zwei Kilometer mehr als beim A3. Warum ich hier näher an die Normreichweite herangekommen bin, weiß ich nicht. Die Klimaanlage war ebenso auf Wohnzimmertemperatur eingestellt, und ich habe mich bemüht, möglichst "normal" zu fahren, also weder zu beschleunigen wie ein Irrer, noch herumzuschleichen.
Nach dem Einsteigen fällt mir das Head-up-Display auf. Es ist farbig und relativ leuchtkräftig - gefällt mir. Die tollen Displays habe ich schon vorher beim A3 40 TFSI e bewundert. Beim Q8 gucke ich mir die verschiedenen Möglichkeiten des Instrumentendisplays genauer an. Per View-Taste kann man sich zum Beispiel die Navikarte herholen. Die Satellitenansicht sieht auch hier toll aus, und man kann sogar hinein- und herauszoomen:
Beeindruckend ist auch wieder mal der prädiktive Effizienzassistent: Wenn man den Abstandstempomat zum Beispiel auf der Landstraße auf 80 km/h einstellt, und es folgt ein Tempo-60-Schild, bremst der Wagen automatisch ab. Überrascht war ich, dass der Wagen sogar wieder beschleunigt, wenn danach wieder 80 erlaubt sind. Das kann man einstellen, heißt es bei Audi.
Das System fährt in vielen Situationen schon beeindruckend autonom. Vor einer T-Kreuzung, an der ich rechts abbiegen muss (was das Navi weiß, weil eine Routenführung aktiv ist), bremst der Wagen herunter, genauso wie im Kreisverkehr. Es ist fast schon beängstigend, und manchmal beginne ich zu überlegen, ob das Auto intelligenter ist als ich. An anderen Stellen aber patzt das System, es wird zum Beispiel nicht an jeder T-Kreuzung gebremst. Oft passt das, was das System tut, aber nicht immer - man kann sich nicht darauf verlassen.
Im Datenblatt steht ein sportwagenmäßiger Beschleunigungswert von 5,4 Sekunden. Ausprobiert habe ich die Maximalbeschleunigung nicht; meine Test-Priorität lag ja auf der elektrischen Reichweite. Nach dem Leerfahren der Batterie wirkt der Q8 akustisch souveräner als der A3 40 TFSI e und Q3 45 TFSI e. Nun ja, er hat ja auch einen Sechszylinder unter der Haube. Und der klingt beim Beschleunigen eben doch weniger angestrengt als der Vierzylinder der anderen beiden Modelle.
Aber wie ein PS-Monster fühlt sich der Q8 nicht an. Generell wirken große Autos mit viel PS auf mich wenig sportlich - weil man die Beschleunigung in solchen Schiffen nicht wirklich spürt. Sonst fiel mir auf, dass sich das Fünf-Meter-Ungetüm durchaus nicht wie ein solches fährt; es fühlt sich ziemlich handlich an.
Nach der Testrunde, es beginnt schon ein bisschen zu dunkeln, entdecke ich noch ein Schmankerl beim Aussteigen: Die Audi-Ringe erscheinen als Projektion auf dem Boden unter der geöffneten Tür. Nicht nützlich, aber nett.
Die Normreichweite des Q8 ist mit 56 km nach NEFZ deutlich niedriger als bei der Konkurrenz, die um die 100 km schafft. Dazu sagt Audi, dass 95 Prozent der Autofahrer am Tag weniger als 50 km fahren. Eine größere Batterie wäre also für die meisten unnötig, außerdem verkleinert sie natürlich das Ladevolumen. An den Daten ist freilich nicht erkennbar, dass der Audi die kleinere Batterie durch mehr Ladevolumen ausgleicht, wie aus dieser kleinen Tabelle hervorgeht:
Audi Q8 60 TFSI eBMW X5 xDrive 45eMercedes GLE 350 e CoupéReichweite (NEFZ)56 km97 km106 kmNormverbrauch (NEFZ)2,7 Liter/100 km1,7 Liter/100 km1,5 Liter/100 km"Nie-Laden-Verbrauch"8,8 Liter/100 km8,3 Liter/100 km7,9 Liter/100 kmKofferraum505-1.625 Liter500-1.720 Literk.A.Verbrenner + E-MotorSechszylinder + 100kWSechszylinder + 83 kWVierzylinder + 100 kWSystemleistung462 PS394 PS333 PSBasispreis (16% Mwst.)92.800 €75.351 €75.377 €
In der Tabelle finden Sie auch den "Nie-Laden-Verbrauch" nach NEFZ, also den Spritverbrauch, wenn die Batterie leer ist (zum Beispiel, weil sie nie geladen wird). Man kann ihn aus der elektrischen Reichweite und dem Normverbrauch errechnen. Er liegt bei allen drei großen SUVs um die acht Liter; beim Audi ist er allerdings am höchsten.
Außer den beiden deutschen Erzkonkurrenten gibt es noch die antriebstechnisch identischen Modelle Porsche Cayenne E-Hybrid und VW Touareg R und viele anderen Wettbewerber wie etwa den Volvo XC90 T8 Recharge oder den Range Rover Sport. Eine weitere Alternative ist die schwächere Version des Plug-in-Q8 namens Q8 55 TFSI e.
Wohl der Hauptkritikpunkt an Plug-in-Hybriden ist, dass sie angeblich selten oder sogar überhaupt nie geladen werden - und dass sie dennoch vom Staat gefördert werden. Letzteres gilt für den getesteten Q8 60 TFSI e allerdings nicht, da er mit 92.800 Euro Listenpreis die Fördergrenzen überschreitet.
Was die Umweltfreundlichkeit angeht, so bestehen berechtigte Zweifel an großen SUVs mit Plug-in-Hybrid-Antrieb, und das nicht erst seit dem letzten ADAC-Ecotest. Man könnte sagen: Dass solche Fahrzeuge nicht geladen werden, ist kein Manko des Autos, sondern ein Benutzerfehler. Aber selbst wenn ein Plug-in-Q8 stets elektrisch gefahren wird (was ja bereits fast an nicht-artgerechte Haltung grenzt), wird der Stromverbrauch deutlich höher sein als etwa bei einem VW ID.3.
Der Q8 60 TFSI e, das sind 2,5 Tonnen geballte Technik. Das Auto ist so verdammt intelligent, dass man selbst kaum hinterherkommt, zu verstehen, was es gerade so "denkt". So etwas fasziniert mich. Vom Antrieb bin ich nicht ganz so überzeugt. Die elektrische Reichweite der Konkurrenz ist deutlich höher, ohne dass der Q8 deswegen mehr Laderaum hätte.
Außerdem sind dicke SUVs mit Plug-in-Hybrid-Antrieb ohnehin wenig umweltfreundlich. Wer wirklich etwas für die Umwelt tun will, sollte besser ein kleines Elektroauto kaufen, finden wir. Und wer lange Strecken fahren muss, sollte sich wohl eher für einen Mittelklassekombi mit Diesel- oder Erdgasmotor entscheiden. Es sei denn, Sie müssen oft drei Kinder plus Hund bewegen und ab und zu auch noch einen Anhänger ziehen.