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Neuer Audi A6 im Test

Der gewachsene Ehrgeiz des kleinen Bruders

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Porto (Portugal), 17. Mai 2018 - Wer als Jüngerer stets einen großen Bruder vor Augen hat, der streckt sich nach der Decke: Was bei Heranwachsenden gilt, ist offenbar auch bei Autos nicht ganz falsch. Der neue Audi A6 jedenfalls kommt dem größeren A8 recht nahe. Wir haben das Auto getestet, um zu sehen, ob vielleicht sogar Kannibalismus in der Familie droht.

90, 80 und 70 Prozent
Zum Start im Juli 2018 gibt es den Audi A6 als Limousine in drei Motorisierungen: mit einem 340 PS starken Benziner und zwei 3.0 TDI (286 und 231 PS), allesamt mit Achtgang-Automatik und Allradantrieb. Etwas später folgt ein 2.0 TDI mit 204 PS und S tronic. Der Kombi startet erst im Herbst 2018. Letzteren kann ich deshalb noch nicht fahren, was schade ist, denn 90 Prozent der deutschen Verkäufe entfallen auf den Avant. Wo wir schon dabei sind, hier noch zwei beeindruckende Zahlen: 80 Prozent des A6 werden als Flottenfahrzeuge eingesetzt und 70 Prozent sind Diesel.

Vier Displays pro Auto
Schluss mit den Fakten, es geht los. Zuerst setze ich mich in ein Auto mit dem stärksten Diesel und allem Pipapo. Der erste Eindruck ist: alles wie im A8. Die Displays sind bekannt, es gibt ein Instrumentendisplay (was ich liebe), ein Head-up-Display mit ziemlich detaillierten Informationen (auch zu der Fahrspur, die man wählen soll) und zwei Displays in der Mittelkonsole, das obere fürs Infotainment, das untere, um Sitze und Klimatisierung einzustellen. Materialien und Verarbeitung sind auf Oberklasseniveau. Auch der gewählte Motor, der 3.0 TDI mit 286 PS, ist aus dem A8 bekannt. Die Sitze sind im Testwagen einstellbar. Vielleicht ist ja meine Rückenmuskulatur zu schwach, jedenfalls nutze ich das Feature gerne: In sportlich gefahrenen Kurven geben die Möbel mit aufgeblasenen Seitenwangen einfach mehr Halt.

Spitzkehren und Schlaglöcher
Apropos Kurven: Die absolviert der A6 grandios. Das liegt an der sehr direkten Lenkung, aber auch am Fahrwerk. Zum Beispiel in interessanten Spitzkehren, wie es sie im Douro-Tal nahe Porto immer wieder mal gibt. Die serienmäßige Progressivlenkung ist bei starkem Einschlag direkter übersetzt, die Hinterachse hilft wegen der im Testwagen verbauten Allradlenkung mit fünf Grad gegensinnigem Einschlag (das ist viel, bei vielen anderen Herstellern sind es nur etwa drei Grad). So kommt der fast fünf Meter lange A6 auf enger Straße im 330-Grad-Winkel um die Biege, ohne dass ich rangieren muss. Aber auch in schnellen Kurven brilliert der A6: Er bleibt immer schön parallel zum Asphalt, wankt praktisch nicht. Man spürt es zum Beispiel, wenn man bei Tempo 80 mal eben am Lenkrad hin- und herrüttelt. Während eine Mercedes E-Klasse dann ein Schiffs-Feeling vermittelt, ergibt sich hier ein exaktes Gefühl. Auf Kosten des Komforts geht diese Sportlichkeit jedoch nicht. Mein mit der (optional angebotenen) adaptiven Luftfederung ausgestatteter Wagen geht auch über schlimme Schlaglöcher fast so unbeeindruckt hinweg wie der A8.

Bullig: 620 Newtonmeter
Und der Antrieb? Nun, dass ein Diesel mit 620 Newtonmeter einen beeindruckenden Vorwärtsdrang entwickelt, versteht sich von selbst - auch wenn die zu bewegende Masse mit 1,9 Tonnen nicht eben klein ist. Auf den portugiesischen Straßen habe ich das Gefühl, das Potenzial nicht ansatzweise ausschöpfen zu können. Bei aller Potenz bleibt es im A6 50 TDI (um einmal die neue offizielle Bezeichnung für den 3.0 TDI mit 286 PS zu verwenden) doch bemerkenswert leise. Den leidigen Punkt Abgasreinigung (wo das Vorgängermodell kürzlich für Negativschlagzeilen sorgte) erledigt der Motor wie im A8: Zu einem Adblue-System kommt zusätzlich ein NOx-Speicherkat - das ist derzeit das Nonplusultra bei Serienautos. So weit zur Papierform. Wie hoch die Emissionen im realen Betrieb damit sind? Fragen Sie mich nicht.

Das Thema Elektrifizierung
Noch eine Kleinigkeit ist zu erwähnen, obwohl sie eigentlich gar nicht so erwähnenswert ist: Wie den A7 und den A8 gibt es auch den A6 nur noch als Hybridauto. Sie sind schockiert? Nun, wenn Sie es nicht wissen, macht es auch nichts, denn Sie werden es beim Fahren kaum bemerken. Der A6 hat serienmäßig ein Mildhybridsystem. Aber anders als Mercedes mit seinem EQBoost hilft der elektrische Zweig beim Antrieb kein bisschen mit. Das System dient nur dazu, die Bordelektronik - also zum Beispiel Klimaanlage, Sitzheizung, Infotainment, Lenkung und so weiter - am Leben zu halten, wenn der Motor abgeschaltet wird. Letzteres geschieht bei den Sechszylindermodellen einerseits unter 22 km/h beim Ausrollen und andererseits zwischen 55 und 160 km/h. Wieder gestartet wird der Motor dank Riemenstartergenerator besonders schnell und vibrationsarm. Um dieses Non-Event zu erleben, schaltet man am besten in den Effizienzmodus und aktiviert den Abstandstempomaten. Neigt sich dann die Autobahn leicht bergab, kann es für ein paar Sekunden (offiziell heißt es: bis zu 40 Sekunden) passieren, dass die virtuelle Drehzahlmesser-Nadel auf null sinkt. Das soll bis zu 0,7 Liter Spritersparnis je 100 Kilometer bringen.

Etwas langsame Tiptronic
Den Motor habe ich gelobt, die Achtgang-Tiptronic muss ich tadeln. Sie schaltet nicht verzögerungsfrei. Beim Kickdown kann ich lässig bis drei zählen, bevor der Automat versteht, was ich will und endlich zwei oder drei Gänge herunterschaltet. Aber ich bin kein Automatikliebhaber, die meisten anderen Getriebe, an die ich mich erinnere, reagieren ähnlich träge auf meine Ungeduld. Anders als den Vorgänger wird es den A6 aber gar nicht mehr mit Handschaltung geben, die Quote lag zuletzt nur noch im einstelligen Prozentbereich. Fronttriebler dagegen wird es laut Audi-Sprecher Mike Crusius weiter geben - wenn die schwächeren Motoren kommen.

Ein neuer 2.0 TDI mit 204 PS
Mein zweites Testmodell ist am anderen Rand der Palette angesiedelt. Hinter der Bezeichnung 40 TDI verbirgt sich ein neuer 2.0 TDI mit 204 PS - bisher gab es bei Audi einen 2.0 TDI mit 190 und einen mit 218 PS. Außerdem ist mein Testwagen im Vergleich zum ersten Auto fast schon spartanisch ausgestattet. Die Allradlenkung fehlt, sodass ich die inzwischen bekannten Spitzkehren wesentlich mehr kurbeln muss. Die Luftfederung fehlt, sodass der Federungskomfort schlechter (wenngleich noch immer gut) ist. Auch die einstellbaren Sitze fehlen, die installierten Sportsitze bieten weniger Seitenhalt.

An Vortrieb mangelt es nicht
Dagegen fehlt mir in puncto Vortrieb wenig - und zwar nicht nur auf den kleinen Sträßchen, sondern sogar auf der (tempobeschränkten) Autobahn. Denn auch der Vierzylinder bietet noch 400 Newtonmeter. Die Fahrleistungen gibt Audi noch nicht an, doch dass er den Normsprint wohl nicht ganz so schnell absolviert wie der Topdiesel (5,5 Sekunden) und vielleicht keine 250 Sachen schafft, fällt in der portugiesischen Praxis nicht auf. Als Vierzylindermodell hat der 40 TDI auch kein 48-Volt-Teilbordnetz, sondern ein reines 12-Volt-Netz. Aber dass das Start-Stopp-System erst bei etwa 15 km/h den Motor abschaltet (und nicht schon bei 22 km/h) und der Wagen nicht so lange in den "Freilauf/Motor aus"-Modus geht, dürfte allenfalls für Ingenieure zählen. Das Gleiche gilt für den Ultra-Allradantrieb, der in den Vierzylindermodellen verbaut wird. Dass im Frontantriebsmodus die vom Mitteldifferenzial zur Hinterachse führende Welle nicht mitgedreht wird, dürfte sich höchstens durch einen etwas niedrigeren Spritverbrauch bemerkbar machen. Die hier verwendete S tronic mit sieben Stufen dagegen scheint etwas schneller zu schalten als die Achtgang-Tiptronic.

Und das Platzangebot?
Zum Thema Innenraum muss ich noch etwas sagen. Die Beinfreiheit im Fond ist so groß, dass kaum Bedarf für eine Langversion besteht. Fast kann ich die Beine übereinanderschlagen. Der Kofferraum bietet nach wie vor 530 Liter. Das ist eine Leistung, da trotz fast identischer Karosserielänge die Lithium-Ionen-Batterie und der Adblue-Tank (serienmäßig zwölf Liter, optional 24 Liter) untergebracht werden mussten. Die Öffnung ist weiter geworden, was das Beladen erleichtert. Umklappbar sind die Rücksitzlehnen natürlich auch, wenn auch nur optional. Doch wer auf Ladekapazität achtet, wartet sowieso auf den Kombi. Mit den Assistenzsystemen möchte ich Sie nicht lange langweilen. Es gibt 39 davon, die allermeisten sind aus anderen Modellen bekannt. Neu für uns war, dass der Abstandstempomat nun auch für genug Abstand zu überbreiten Fahrzeugen hält, die in die eigene Fahrspur hineinragen.

Premium-Preise - wie üblich
Noch etwas fehlt: die Preise. Wie nahe kommt der A6 dem großen Bruder hier? Nun, die zuerst gefahrene Motorisierung mit 286 PS, Tiptronic und Allradantrieb gibt es ab 58.050 Euro. Der entsprechende A8 kostet mit 90.600 Euro doch eine Kleinigkeit mehr. Die Preise für die 204-PS-Version werden bei etwa 48.000 Euro beginnen, sagen die Audi-Leute. Schon beim Basis-A6 gehören 17-Zoll-Aluräder, Zweizonen-Klimaautomatik, ein 8,8-Zoll-Navi und LED-Scheinwerfer zur Serienausstattung. Aber dann geht's los mit den Aufpreisen: adaptive Luftfederung 2.000 Euro, Allradlenkung 1.900 Euro, Instrumentendisplay und großes Navi-Display 2.200 Euro, Abstandstempomat mit Spurhalteassistent 2.000 Euro, einstellbare Sitze 2.500 Euro, Head-up-Display 1.400 Euro. Dann noch etwas Kleinkram dazu, wie Sitzheizung, Ambientelicht, Schaltwippen, Parkpiepser, DAB-Radio, und Sie landen bei einer erklecklichen Summe. Audi-Sprecher Crusius kennt das Lamento über hohe Preise und lange Extralisten. Seine lakonische Antwort in solchen Fällen: "Sie regen sich doch bei einem RS 3 auch nicht über den Spritverbrauch auf, oder?" Meine Übersetzung lautet: Sportliche Modelle brauchen mehr Sprit als Normalo-Autos, und Premium-Wagen kosten nun mal mehr als Billigheimer.

Das Bayern-3-Land umfasst nun auch Portugal
Eine kleine Anekdote zum Schluss: Auf meinen Testfahrten im fernen Portugal dudelt die ganze Zeit das heimatliche Bayern 3 aus dem Radio. Die Sprecherin redet von "Wetter und Verkehr im Bayern-3-Land", sie weiß anscheinend nicht, wo ich mich befinde. Nach kurzer Verwirrung fällt mir die Erklärung ein: Das "Hybridradio" macht`s möglich, es schaltet automatisch zwischen DAB-Antennenempfang und Internetradio um.

Gesamtwertung
Der neue Audi A6 der achten Generation (hier wird der Vorgänger Audi 100 mitgezählt) könnte dem A8 tatsächlich gefährlich werden. Wenn der Wagen mit Luftfederung ausgestattet wird, ist der Komfort ähnlich, das Wankverhalten vielleicht sogar besser. Mit dem gleichem 286-PS-Diesel ist der leichtere A6 natürlich auch schneller. Das Cockpit ist - eine großzügige Hand beim Bestellen vorausgesetzt - ähnlich nobel, das Platzangebot vergleichbar. Auch die Elektronikausstattung ist fast auf dem Niveau des A8. Also, allzu viele Gründe, den teureren A8 zu kaufen, fallen mir nicht mehr ein. Aber viele, den A6 zu bestellen. Am meisten beeindruckt hat mich jedoch das wankresistente und doch sehr komfortable Fahrwerk.

+ mit Luftfederung beeindruckender Komfort, praktische Allradlenkung, schickes Cockpit
- etwas langsam schaltende Tiptronic, Sitze mit etwas wenig Seitenhalt

Modell Audi A6 50 TDI quattro
Motor
Bauart Turbodiesel in V- Bauweise mit SCR- Kat und NOx- Speicherkat, 48- Volt- Teilbordnetz, Mildhybridsystem, riemengetriebener Startergenerator, Freilauf/Motor aus
Zylinder / Ventile 6 / 4
Antrieb Allradantrieb mit selbstsperrendem Torsen-Mittendifferenzial
Getriebe Automatik
Gänge 8
Hubraum 2.967 cm³
Leistung 210 kW bei 3.500 U/min
max. Drehmoment 620 Nm bei 2.250 - 3.000 U/min
Kraftverteilung normalerweise 40:60, maximal 70% vorne, maximal 85% hinten
Fahrwerk
Radaufhängung vorn Fünflenklerachse mit Stabilisator
Radaufhängung hinten wie vorne
Räder vorn 18-Zoll-Aluräder mit Reifen 225/55 R18 (Serie)
Räder hinten wie vorne
Maße
Länge 4.939 mm
Breite 1.886 mm
Höhe 1.457 mm
Radstand 2.924 mm
Leergewicht 1.900 kg
max. Zuladung 575 kg
Kofferraumvolumen 530 l
Messwerte
Höchstgeschwindigkeit 250 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h) 5,5 s
Verbrauch gesamt 5,5 l/100 km
Verbrauch innerorts 6,1 l/100 km
Verbrauch außerorts 5,2 l/100 km
CO2-Emission 142 g/km

Stand: Mai 2018


Modell Audi A6 50 TDI quattro
Grundpreis 58.050 €
Ausstattung
Automatikgetriebe Serie (8-Gang)
Navigationssystem Serie (8,8 Zoll)
elektr. Fensterheber hinten Serie
elektr. Fensterheber vorn Serie
elektr. verst. Außenspiegel Serie
Klimaautomatik Serie (2 € Zonen)
Leichtmetallfelgen Serie (18 Zoll)
Metalliclackierung 1.000 €
Zentralverriegelung Serie
LED-Scheinwerfer Serie
Luftfederung mit adaptiven Dämpfern 2.000 €
Allradlenkung 1.900 €
Instrumentendisplay (Virtual Cockpit) und 10,1-Zoll-Navidisplay 2.200 €
Assistenzpaket Tour (Abstandstempomat, Spurhalteassistent etc.) 2.000 €
Sitze mit pneumatisch einstellbaren Seitenwangen 2.500 €
Head-up-Display 1.400 €

Stand: Mai 2018


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