München, 5. Februar 2018 - Ich will nicht undiplomatisch klingen, aber derzeit ist es wirklich schwer, ein deutsches Premiumauto zu fahren, ohne sich vorzukommen wie der unmoralischste Mensch der Welt. "Oh, du fährst einen Diesel aus dem XY-Konzern (hier bitte charakterlosen deutschen Autoriesen Ihrer Wahl einfügen). Du willst mich also frühzeitig ins Grab bringen und hasst Affen ..." Entschuldigen Sie bitte den drastischen Einstieg, aber wer sich derzeit durch die heimische Presselandschaft kämpft, weiß: Ich übertreibe nicht. Zumindest nicht arg. Doch lassen Sie sich sagen: Rettung naht. Es gibt sie wirklich, die Alternativen bei denen auch Ihr lokaler Grünen-Abgeordneter den Daumen hebt. Und zwar ganz ohne Kabelsalat und Reichweitenfrust. Die Lösung, zumindest, wenn es nach dem VW-Konzern geht: Erdgas! Auch Audi hat mittlerweile drei Modelle im Angebot, die mit CNG fahren. Wir haben zur Rettung der Umwelt den A5 Sportback g-tron auserkoren und ihn durch den knallharten Alltagstest gescheucht. Lohnt sich die Gas-Alternative wirklich oder ist man mit vergleichbaren Diesel-/Benziner-A5s am Ende doch wieder besser dran?
Was haben wir hier eigentlich?
Dafür sollten wir erst einmal untersuchen, mit was wir es hier überhaupt zu tun haben. Unser A5 Sportback g-tron hat einen 2,0-Liter-TFSI-Benziner mit 170 PS und 270 Newtonmeter Drehmoment. In diesem Fall kombiniert mit einer Siebengang-Doppelkupplung (Serie ist ein manuelles Sechsgang-Getriebe). Er spurtet in 8,4 Sekunden auf Tempo 100 und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 224 km/h. Mittlerweile Standard: Der Audi ist bivalent unterwegs. Sprich: Neben den vier (!) Erdgastanks mit insgesamt 19 Kilo Fassungsvermögen steht auch ein herkömmlicher Benzintank mit 25 Liter Volumen zur Verfügung. Warum das nicht die schlechteste Idee ist, erklären wir gleich.
Die Erdgas-Vorteile
Zunächst aber ein Hinweis in eigener Sache: Wenn Sie sich für den A5 Sportback entscheiden, werden Sie wahrscheinlich Ihre Gründe haben. Vermutlich geht es Ihnen um Design und einen standesgemäßen Auftritt. Wir würden ja den deutlich praktischeren A4 Avant g-tron bevorzugen, der alles genauso gut kann, aber mehr Platz bietet und auch noch 500 Euro günstiger ist. Wie dem auch sei, hier geht es in erster Linie um die (vermeintlichen) Vorteile von Erdgas und wie man damit im Alltag so zurechtkommt. Also sei zur Einführung ins Thema rasch erklärt: CNG (Compressed Natural Gas) hat zwei große Asse im Ärmel. Es ist deutlich umweltfreundlicher und deutlich günstiger als herkömmlicher Sprit. Warum ist das so? Das Gas verbrennt viel sauberer, setzt weniger CO2 frei, hat weniger Stickoxid-Anteile im Abgas und produziert so gut wie keinen Feinstaub. Außerdem kostet ein Kilo CNG "nur" knapp über 1,10 Euro, hat aber den Energiegehalt von etwa 1,5 Liter Benzin. Ein weiterer Pluspunkt: Die Steuerbegünstigungen für Erdgas wurden soeben verlängert, die Preise an der Tanke bleiben also auch mittelfristig stabil.
Toll integriert, irrsinnig leise
Die Zeit der quälend lahmen, mit viel Verzicht verbundenen Erdgas-Krücken ist ebenfalls längst vorbei. Der A5 g-tron ist beileibe keine Rakete - der normale Zweiliter-TFSI mit 190 PS fühlt sich deutlich spritziger an -, für den Alltag ist er dennoch mehr als ausreichend, zieht auch auf der Autobahn bei Geschwindigkeiten über 170 km/h noch sauber durch. Dass unter Ihnen etwas anderes verbrennt als Benzin, merken Sie beim Fahren überhaupt nicht. Lediglich eine zusätzliche Tankanzeige rechts neben dem Drehzahlmesser verrät die Bivalenz dieses Autos. Hat Audi übrigens sehr schön integriert, genau wie die detaillierten Angaben zu Reichweiten und Verbrauch im Zentraldisplay. Dass Sie selbst zwischen Erdgas- und Benzinbetrieb hin- und herwechseln, ist übrigens nicht vorgesehen. Sind die CNG-Tanks leer, geht es mit normalem Sprit weiter, vorher nicht. Ansonsten gilt: Auch der g-tron ist A5 Sportback in Reinkultur. Er fährt grundsolide, sehr satt, sehr akkurat und sauber, vermeidet dabei allerdings größere Anflüge von Sportlichkeit. Mancher kurz-fiese Stoß knallt selbst im Comfort-Modus ein bisschen zu direkt ins Gebälk und man würde gern etwas mehr im als auf dem Auto sitzen, ansonsten umschmeichelt der Erdgas-Sportback auf höchstem Niveau. Gerade die Geräuschkulisse bei höheren Geschwindigkeiten erscheint uns derzeit ziemlich unerreicht. Der A5 ist wirklich unerhört leise.
Sparen Sie sich die Dynamik-Lenkung
Zwei kleine Tipps noch: Ein Innenraum dieser Schönheit und Güte (abgesehen von dem seltsamen, nach abgestorbenem Baum aussehenden Holzdekor) verdient Audis fantastisches Virtual Cockpit. Das digitale 12,3-Zoll-Instrumentendisplay ist wohl noch immer das beste System auf dem Markt und wurde bei unserem Testwagen schmerzlich vermisst (gerade wenn man bedenkt, dass besagter Testwagen fast 70.000 Euro kostet). Und: Bitte sparen Sie sich die undurchschaubare, völlig unnatürliche Dynamiklenkung. Mit 1.000 Euro kann man wahrlich schönere Dinge anstellen.
Allrad wäre manchmal schön
Zwischenfazit: Fährt soweit absolut empfehlenswert, der A5 Sportback g-tron. Zumindest, wenn haarsträubende Dynamik nicht ganz oben auf Ihrer Wunschliste steht. Die Option auf ein quattro-Schildchen am Heckdeckel wäre trotzdem wünschenswert. Gerade im Winter stößt der Frontantrieb doch ganz gerne mal an seine Grenzen. Apropos Grenzen: Die Carbon-Drucktanks im Unterboden brauchen natürlich auch ein bisschen Platz. Entsprechend sinkt das Kofferraumvolumen von 480 auf 390 Liter. Klappt man um, sind es 1.200. Aber Sie fahren ja bewusst die viertürige Version einer zweitürigen Version eines Viertürers. Wenn Sie unendlichen Stauraum wollten, würden Sie sich einen Kombi kaufen. Und damit zu dem Teil, der wirklich über Wohl und Wehe eines Erdgas-Autos entscheidet. Lassen Sie uns rechnen!
Nicht so viel günstiger
Der Audi A5 Sportback g-tron mit s-tronic kostet mindestens 43.100 Euro. Damit ist er 2.750 Euro teurer als der vergleichbare 190-PS-Benziner. Gegenüber dem Diesel mit 150 PS (ähnliche Fahrleistungen) sind es 2.250 Euro mehr. Audi verspricht einen Normverbrauch von 3,8 Kilo Erdgas pro 100 Kilometer. Das entspricht einem CO2-Ausstoß von 102 Gramm pro Kilometer. Der Benziner kommt auf 124 Gramm, der Diesel auf 110 Gramm. Und damit schalten wir rüber zur Realität. Bei gewöhnlicher Fahrweise erzielten wir einen Durchschnittsverbrauch von 5,3 Kilo CNG. Beim tagesaktuellen Erdgaspreis von 1,13 Euro waren das alle 100 Kilometer 5,99 Euro. Ähnliche Rechenspiele beim Benziner bringen uns auf 10,24 Euro (gerechnet mit acht Liter Durchschnittsverbrauch), beim Diesel (gerechnet mit sechs Liter Durchschnittsverbrauch) sind es 6,78 Euro. Das bedeutet, wenn Sie Erdgas-Auto statt Benziner kaufen, können Sie erst nach etwa 65.000 Kilometer die ersten Groschen ins Sparschwein werfen. Beim Diesel wären es übrigens 281.000 Kilometer. Selbst wenn man die niedrigere KFZ-Steuer mit einberechnet, muss man also schon verdammt viel Sitzfleisch mitbringen, um den A5 g-tron in die Gewinnzone zu fahren.
Problem Tanken
Immerhin muss man währenddessen nicht sooo oft tanken. Audi verspricht knapp 900 Kilometer Reichweite. Machen Sie im echten Leben mal knapp 700 draus. Immer noch sehr ordentlich. Knapp die Hälfte davon geht im reinen Erdgasbetrieb. Alle 330 bis 350 Kilometer Gas zapfen also. Und genau hier liegt der Hund begraben. Warum? Nun, ganz ehrlich: Wüssten Sie, wo Ihre nächste Erdgas-Tanke steht? Das Audi-Navi weiß es zwar, aber einfach mal schnell die Zapfstation am Eck anfahren is nicht. Mit zehn bis 20 Kilometer Umweg sollten Sie immer rechnen. Das nervt und kostet Zeit. Auch wenn der Tankvorgang selbst keine allzu große Umgewöhnung erfordert. Etwas mehr als 900 Erdgas-Tankstellen gibt es derzeit in Deutschland. Bis 2025 soll die Zahl - auch auf Drängen des VW-Konzerns - auf etwa 2.000 wachsen.
Kosten runter, bitte ...
Damit wäre immerhin knapp jede siebte Tankstelle mit Erdgas-Säulen ausgerüstet. Das würde vieles vereinfachen. Und doch lohnt sich auch im Falle des Audi A5 Sportback die Erdgas-Version eher für Idealisten als für kühle Rechner. Das liegt zum einen am deftigen Preisaufschlag gegenüber vergleichbaren Dieseln oder Benzinern und zum anderen daran, dass Erdgas trotz Subvention einfach viel zu teuer ist. Autogas etwa liegt derzeit bei um die 60 Cent, das ist fast die Hälfte. Sollte es Audi mit seiner Erdgas-Offensive wirklich ernst meinen, dann muss man in Ingolstadt wohl noch ein wenig an der Preis- und Verfügbarkeitsschraube drehen. Der an sich tolle und umweltfreundliche A5 Sportback g-tron hätte es verdient.
Gesamtwertung
Er ist wahrlich kein Ausbund an Dynamik und ein A4 Avant ist praktischer, aber am Audi A5 g-tron gibt es aus Sicht des normalen Autotesters nicht wirklich viel auszusetzen. Ein sehr hochwertiges, sehr geschliffenes und beeindruckend leises Auto mit einer hervorragend umgesetzten Erdgas-Integration. Ebenfalls schön: gut 700 Kilometer kombinierte Reichweite. Und 18 Euro für einen vollen (Erdgas-) Tank. Das Problem ist nur: So richtig rechnet sich der A5 g-tron nur für Vielfahrer. Und im Vergleich zum Diesel noch nicht mal für die. Der g-tron-Aufpreis ist - wie bei den meisten anderen Marken - zu hoch. Und Erdgas ist eben einfach nicht wirklich günstig. Dazu kommen oft erhebliche Umwege bei der Fahrt zu nächsten Zapfsäule. Wer kühl kalkuliert, wird den A5 g-tron bei aller Güte deswegen wohl links liegen lassen. Wer der Umwelt jedoch einen Gefallen tun möchte, kriegt hier ein hervorragendes Auto, das mit seinem grünen Anstrich angenehm cool und unprätentiös umgeht.
+ sehr gute, unauffällige Erdgas-Integration; hohe Gesamtreichweite; sehr solides, hochwertiges, angenehmes Fahrverhalten; geringere Umweltbelastung
- wirtschaftlich erst nach hoher Laufleistung rentabel; dünnes Tankstellennetz; kein ausgesprochener Dynamiker
Modell |
Audi A5 Sportback g-tron 2.0 TFSI S tronic |
Motor
|
Bauart |
Reihenmotor, Turbo |
Zylinder / Ventile |
4 / 4 |
Antrieb |
Vorderradantrieb |
Getriebe |
Doppelkupplungsgetriebe |
Gänge |
7 |
Hubraum |
1.984 cm³ |
Leistung |
125 kW bei 4.450 U/min |
max. Drehmoment |
270 Nm bei 1.650 U/min |
Fahrwerk
|
Lenkung |
elektromechanische Servolenkung |
Radaufhängung vorn |
Fünflenkerachse |
Radaufhängung hinten |
Fünflenkerachse |
Räder vorn |
225/50 R17 |
Räder hinten |
225/50 R17 |
Spurweite vorn |
1.587 mm |
Spurweite hinten |
1.568 mm |
Maße
|
Länge |
4.733 mm |
Breite |
1.843 mm |
Höhe |
1.392 mm |
Radstand |
2.823 mm |
Leergewicht |
1.655 kg |
max. Zuladung |
550 kg |
Anhängelast (gebremst) |
1.500 kg |
Dachlast |
90 kg |
Kofferraumvolumen |
390 l |
Tank |
25 (Benzin) + 19 Kilo (Erdgas) l |
Messwerte
|
Höchstgeschwindigkeit |
224 km/h |
Beschleunigung (0-100 km/h) |
8,4 s |
Verbrauch gesamt |
3,8 l/100 km |
Testverbrauch gesamt |
5,3 l/100 km |
CO2-Emission |
102 g/km |
Stand: Februar 2018