Kein Halodri, aber ein RS mit Charakter
Das ist der runderneuerte Audi RS 4 Avant. Wir mochten das Vorfacelift ziemlich gerne. Aus noch immer schwer nachzuvollziehenden Gründen fuhr das Ding um Welten besser als sein technisch nahezu identischer Bruder RS 5. Die Wahrscheinlichkeit, dass hier fahrerisch noch immer viel stimmt, ist relativ groß, denn an den öligen Teilen hat Audi im Prinzip nichts geändert.
Vor allem die Optik und Teile des Innenraums. Außerdem hat man ihn bei all dem Digitalisierungs- und Connectivity-Kram auf den neuesten Stand gebracht. Unter anderem mit einem größeren 10,1-Zoll-Infotainment-Touchscreen, der jetzt den wesentlich schnelleren MIB3 (Modularer Infotainmentbaukasten) nutzt.
Das Design orientiert sich naturgemäß am Facelift des normalen A4. Dem hat die Überarbeitung extrem gut getan. Beim RS 4 ist es weniger offensichtlich, weil bereits der Vorgänger Bombe aussah. Die Radhäuser sind glorreiche 3 Zentimeter breiter als beim herkömmlichen A4. Pro Seite. Den Unterschied zum alten Modell erkennen Sie am breiteren und flacheren Grill sowie neuen Schürzen, Leuchten und einer geänderten Motorhaube.
Das tut er. Und um meiner völligen Irritation neues Futter zu geben, macht er sich auch nach dem Facelift besser als der RS 5, den ich am gleichen Tag als Sportback fahren konnte. Fragen Sie mich nicht, warum. Gleicher Radstand, gleiches Gewicht. Nur Nuancen in der Abstimmung.
"Das hier ist Audi Sport in Topform. Super schnell, extrem grippig, sehr effektiv, aber nicht langweilig oder spröde."
Dennoch wirkt der Kombi locker-flockiger, besser angebunden. Mit einer direkteren, besser zubeißenden Vorderachse, einer motivierteren Lenkung und einem insgesamt kompakteren, willigeren und letztlich stimmigeren Fahrverhalten.
Das hier ist Audi Sport in Topform. Super schnell, extrem grippig, sehr effektiv, aber nicht langweilig oder spröde (wie wir es ja auch schon häufiger bei RS-Modellen erlebt haben). Der RS 4 hat definitiv Charakter, lässt sein Hinterachsdifferenzial gut schuften, um Ihnen ein möglichst gefühlsechtes und launiges Fahrgefühl zu vermitteln.
Bedeutet: Die Front zieht hier in die Kurve rein wirklich gut an und das Heck folgt willig, dreht sich schön mit ein, vermittelt Drang und Agilität. Selbst leichte Rutscheinlagen mit etwas Gegenlenken sind hier recht easy machbar.
Der RS 4 wird nie ein hemmungsloser Hinterreifen-Vernichter sein wie der Mercedes-AMG C 63 oder - Limousine hin oder her - ein vom Dynamik-Gott höchstpersönlich geküsster Dribbelkünstler wie Alfas Giulia Quadrifoglio. Dennoch bietet er auf seine ganz eigene Weise jede Menge Charme und Fahrspaß. Würde man sich aussuchen können, wie ein überpotenter Audi-Kombi zu fahren hat, käme dieses Auto dem Idealbild schon ziemlich nahe.
Auch hier ist gegenüber dem Vorfacelift nichts Erwähnenswertes passiert. Sonderlich schlimm ist das nicht, die Maschine war und ist ein relativ sachlicher Vertreter ihrer Zunft mit Schub zum Wegwerfen. Nur nochmal die Eckdaten zur Erinnerung:
Ich sagte es bereits beim Test des RS 5 Sportback: Hier hat man eher das Gefühl, vom einen Ende der Straße zum anderen gebeamt zu werden. Das ganz große Drama wird man nicht wirklich finden. Es ist eine sehr effiziente, saubere und korrekte Art, Ihnen und Ihren Beifahrern einen stattlichen Hieb in die Magengrube zu verpassen. Und das hat durchaus seinen Reiz. Der Vorwärtsdrang ist wirklich erbarmungslos. Und auch klanglich ist das alles gar nicht so verkehrt.
Die Drehfreude bis nach ganz oben hinaus macht ebenfalls glücklich. Wenn Sie allerdings wollen, dass Ihr Performance-Avant nicht auf Gas anspricht wie ein gemütlicher Mittagsschlaf, dann empfiehlt es sich doch, den Antrieb über den Drive-Select-Schalter in "Dynamic" zu schalten oder sich die beiden neuen RS-Modi (Fahrmodus-Schnellwahltaste am Lenkrad) entsprechend zu konfigurieren.
Die Achtgang-Automatik macht einen unauffälligen Job, schaltet schnell genug, wird aber doch lieber händisch per Lenkrad-Paddles bedient, wenn man es .. ähem .. mal ein bisschen eiliger hat.
Die Verarbeitungsqualität und die Güte der Materialien wirken herausragend. Allerdings gibt es für einen Familien-Kombi viel zu wenige ausreichend große Ablagen und das Gestühl ist für große Menschen etwas knapp bemessen. Anfangs sitzt man gefühlt auch relativ hoch, aber daran gewöhnt man sich nach recht kurzer Zeit.
Das neue Infotainment ist in allen Belangen eine große Verbesserung. Die Bedienung - auch wenn man jetzt alles per Touch erledigen muss - wirkt intuitiv und die Grafiken sind hochwertig. Gleiches gilt für das unverändert hervorragende 12,3-Zoll-Virtual-Cockpit.
Der Platz im Fond ist nicht üppig, geht aber in Ordnung. Das Kofferraumvolumen hat mit 505 bis 1.495 Liter für diese Klasse Standard-Maß.
Für mich fährt der RS 4 Avant auch nach dem Facelift stimmiger als etwa ein RS 5 Sportback. Außerdem ist er das insgesamt praktischere Paket.
Als echter Konkurrent kann ohnehin nur das AMG C 63 T-Modell herhalten. Der Benz ist sicher das Auto, in dem man eher mal so richtig die Sau raus lassen würde, aber das bedeutet nicht, dass der Audi ihm nicht das Wasser reichen kann.
Hier kommt ein abartig schnelles Alwetter-Geschoss mit viel Charakter und einem großartig konfigurierten No-Bullshit-Allrad-Setup. Mit den neuen RS 6 Avant und RS 7 Sportback derzeit sicher der beste RS. Mit Ausstattung leider ziemlich teuer und bei forscher Fahrweise ziemlich durstig, aber man weiß ja bei so einem Auto, auf was man sich einlässt.
+ grandioser Speed bei jedem Wetter
+ stimmige Fahrdynamik
+ sehr cooles Erscheinungsbild
+ hervorragende Qualitätsanmutung, durchdachte Bedienung
- bei entsprechender Fahrweise sehr durstig
- noch immer kein wilder Hund
- etwas kleine Sitze
- stramme Aufpreisliste