Sallalah (Oman), 18. März 2017 - Wenn Sie wissen wollen, wie gemein Autojournalisten und andere selbsternannte Experten ein Auto behandeln können, dann sehen Sie sich dafür bitte exemplarisch die bisherige Karriere des Audi RS 3 an. "Ein fantastisches Auto", heißt es meistens. "Unsagbar schnell, klanggewaltig und von gottgleicher Qualität, nur leider nicht sehr unterhaltsam zu fahren". Audis Einstiegs-RS war nie ein Liebling der Fahrdynamik-Fraktion. Ich gebe zu, ich sah es bisher ganz ähnlich. In einer Welt voller wild driftender Ford Focus RS und glorreich handelnder BMW M2 sah der frontlastige, etwas stumpfe RS 3 immer ein wenig aus wie der Typ, der um 23 Uhr die Party auflöst. Jetzt aber ist Facelift-Zeit für Ingolstadts kompaktes Kraftpaket und es gibt einige Anzeichen für Besserung.
40 Prozent für neue Limousine
Was ist also alles neu? Nun, die Änderungen außen sind relativ offensichtlich. Der schnellste A3 wird deutlich grüner (falls Sie sich auch spontan verliebt haben, die Farbe auf den Bildern nennt sich Vipergrün) und es gibt deutlich mehr Heckklappe als bisher. Zumindest wenn Sie sich für die neue RS-3-Limousine entscheiden, die Audi dem Sportback nun zur Seite stellt. Man will damit vor allem in den USA und den neuen Märkten punkten. Insgesamt erwartet man einen 60:40-Split zugunsten des Sportback. Weniger gravierend sind die Retuschen an Schürzen und Grill sowie im Innenraum. Nun hat eben auch der RS 3 das großartige 12,3-Zoll-Virtual-Cockpit und ein paar Assistenzsysteme mehr. Außerdem hat sein Lenkrad das Alcantara nun endlich an den richtigen Stellen.
Allrad mit neuer Abstimmung
Viel entscheidender ist aber, dass Audi Sport ordentlich in den Untiefen der Mechanik und Elektronik herumgefuhrwerkt hat. Überraschend umfangreich für ein Facelift. Klar, der quattro-Allrad mit elektronisch gesteuerter Lamellenkupplung bleibt im Prinzip der gleiche, allerdings hat man ihm eine komplett neue Software verpasst, um der bis dato recht phlegmatischen Hinterachse ihre Unwilligkeit ein Stück weit auszutreiben. Beim Vorfacelift konnten laut Audi ja bis zu 100 Prozent der Power nach hinten geschickt werden, richtig angekommen sind davon aber vermutlich meist die wenigsten. Jetzt variiert der Kraftfluss zwischen Vorder- und Hinterachse deutlich spaßorientierter, das Auto reagiert williger und schneller auf das jeweilige Griplevel und den Input des Fahrers.
Weniger Gewicht vorne
Ach ja, mehr Kraft gibt es natürlich auch. Der zu großen Teilen neue 2,5-Liter-Fünfzylinder-Turbo debütierte im TT RS und leistet nun auch hier 400 PS und 480 Newtonmeter. Das sind 33 PS und 15 Newtonmeter mehr als bisher. Ein erschreckend großer Haufen Kraft ist das ebenfalls. Ich meine: 400 PS in der Kompaktklasse - egal, wie oft man es sich vorsagt, es klingt völlig verrückt. Aber was tut man nicht alles, um sich leistungsmäßig wieder "an die Spitze des Segments zu katapultieren" (die kurzzeitig der 381 PS starke Mercedes-AMG A 45 inne hatte). Jetzt ist mehr Wumms natürlich nie ganz verkehrt, viel wichtiger ist in diesem Zusammenhang aber, dass das neue Aggregat satte 26 Kilo leichter ist als das alte. Schuld an den purzelnden Pfunden sind ein neues Kurbelgehäuse aus Aluminium (ehemals Graphitguss), eine hohlgebohrte Kurbelwelle sowie eine neue Ölwanne aus Magnesium. Was bereits am Stammtisch beeindruckend klingt, hat in der Realität einen noch viel größeren Effekt. Weil dadurch Gewicht genau dort flöten geht, wo es der RS 3 am dringendsten gebraucht hat. Jawohl, der persönliche Rettungsring des radikalsten Audi-Hot-Hatches war immer an vorderster Front. Dadurch schob das Auto in der Vergangenheit grundsätzlich zu schnell nach außen, fühlte sich behäbig und plump an.
4,1 Sekunden auf 100 km/h
Schnell fühlte es sich wenig überraschend auch schon immer an. Jetzt geht es eben noch ein Eck rabiater nach vorne. Erschreckend rabiat, um genau zu sein. 0-100-km/h passieren ab sofort in 4,1 Sekunden (0,2 Sekunden schneller als vorher). Nach ein, zwei Versuchsreihen mit der erschreckend gesichts- und magendeformierenden Launch Control würde ich diesen Wert aber als eher konservativ einschätzen. Die Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h hebt Audi optional auf 280 Sachen an.
Jetzt auch mit Drift
Nun war Geschwindigkeit auf einer Geraden noch nie wirklich das Problem des Audi RS 3. Die entscheidende Frage ist eher: Macht er endlich auch in Kurven Spaß? Die - wohl nicht nur für mich persönlich - etwas überraschende Antwort lautet: Ja, tut er. Dieser RS 3 fühlt sich deutlich lebendiger, verschmitzter, verspielter an. Es ist ein ganz neues Gefühl, wenn Sie dieses Auto in eine enge Ecke werfen und merken, dass er auf einmal wirklich mitspielt, sich mit dem Gas justieren lässt, wie es der Vorgänger niemals gemacht hätte. Ja, er schmiert an der Vorderachse immer noch etwas zu gern nach außen. Jetzt aber schmeißt der RS 3 seine Power mit spürbar mehr Inbrunst nach hinten, um diesen Malus auszugleichen. Und mit "spürbar" meine ich "bemerkenswert unterhaltsam". Will heißen (und ich hätte nie gedacht, dass ich das mal schreiben würde): Der RS 3 hat auf einmal Lust zu tanzen, ein bisschen zu rutschen, frisst eine Kurve auch mal komplett quer, wenn sie das möchten. Ja, wirklich: Sie können dieses Auto jetzt problemlos in den Drift schicken. Erst drängt die Front ein wenig nach aussen, dann einfach auf dem Pinsel bleiben und schwups, kommt der Poppes geflogen. Unzickig, wunderbar zu modellieren. Und zwar ohne, dass Sie dafür fahren müssen, als hätten Sie Ihr Hirn zuhause vergessen. Das war bisher absolut undenkbar.
Schon irgendwie verwandelt
Einschränkend sei erwähnt, dass die erste Testfahrt mit dem neuen RS 3 im Oman stattfand (klar, wo sonst!?), dessen gloriose Bergstraßen auch deshalb so glorios sind, weil ihr Belag über so gut wie keinerlei Grip verfügt. Einen derart rutschigen Teer habe ich tatsächlich noch nie erlebt. Ein Umstand, der dem RS 3 - zumindest in seiner Rolle als wildem, Hintern schwingendem Hund - sicher etwas schmeichelt. Und trotzdem ist das hier fahrdynamisch ein anderes und wesentlich besseres Auto als zuvor. Durch den leichteren Motor wirkt die Vorderachse deutlich lebendiger (natürlich geht es trotzdem noch weitaus besser), die überarbeitete Lenkung macht einen handfesteren Eindruck (alle Audis mit variabler Dynamiklenkung würden sich die Finger nach diesem Lenkgefühl abschlecken) und ganz generell kriegen Sie durch die neue Allrad-Auslegung ein wesentlich positiveres Gefühl aus der Kurve heraus. Als würden Sie von hinten angeschoben, nicht mehr von vorne rausgezogen.
Hach
Fünfzylinder
Eine seiner alten Paradedisziplinen, sauschnell und mit irrwitzigen Tonnen an Grip durch langgezogene Kurven zu pflügen, hat der RS 3 natürlich auch mit den Facelift nicht verlernt. Und glauben Sie mir, Sie werden grundsätzlich sauschnell unterwegs sein. Der kapitale Bumms, denn dieser Fünfzylinder jederzeit aus dem Ärmel schüttelt, lässt gar nichts anderes zu. Die Beschreibung seiner Charakteristik erfordert wirklich nicht viel Fantasie: Ab gut 2.500 U/min bis zur Drehzahlgrenze bei 7.000 U/min ist totale, gierige, wild trampelnde Achterbahn. Absolut großartig und Meilen entfernt, von allem, was ein Vierzylinder (sei er noch so stark) an Fülle und Emotionalität zu leisten im Stande ist. Das gilt natürlich auch für den Sound, der einmal mehr alles in dieser Klasse (und nicht nur in dieser) in den Schatten stellt. Hätten Ohren Arme, würden sie dem RS 3 vermutlich sofort um den Hals fallen, umso mehr, wenn der optionale (und fast nicht mehr jugendfreie) Sportauspuff an Bord ist. Und auch im Auto ist immer dieser spezielle, leicht ungehobelte und extrem charismatische Fünfzylinder-Vibe zu spüren.
Charisma und gesunde Härte
Ja, Charisma. Trotz der wie immer klinisch reinen Verarbeitung, all dem Audi-typischen Schliff, dem Automatikgetriebe (das Siebengang-DSG schaltet superschnell und in den meisten Fällen so, wie man sich das wünscht) und der hohen Alltagstauglichkeit ist der neue RS 3 mehr denn je ein Charakterkopf. Was neben dem Motor und der neu gefundenen Spielfreudigkeit leider auch am Federungskomfort liegt. Was Audi als "dezidiert straff" bezeichnet ist und bleibt in Wirklichkeit ein richtig harter Hund. Die optionalen adaptiven Dämpfer könnten hier womöglich etwas Linderung bringen, eine Testfahrt mit dem Magnetic-Ride-Fahrwerk macht vor dem Kauf also durchaus Sinn.
Limousine fährt nicht anders als Sportback
Keine Tipps kann ich Ihnen übrigens bei der Wahl der Karosserieform geben. Ob Sportback oder Limousine müssen Sie schon selber wissen. Beide sind ab April bestellbar und haben ihren Marktstart im August. Die Limo ist fünf Kilo schwerer, hat hinten 14 Millimeter mehr Spur, ein bisschen weniger Kofferraum und fährt keinen Deut anders als das Schrägheck. Mit 55.900 Euro ist sie überdies 1.300 Euro teurer, aber in diesen eher gehobenen Preisregionen dürfte das wohl egal sein. Billig war das RS-3-Vergnügen sowieso noch nie und die Aufpreisliste wird irgendwie auch nicht kürzer. Immerhin kriegt man dafür ein Auto für so ziemlich alle Gelegenheiten. Und deutlich mehr Sinn für Humor ist jetzt ebenfalls Serie.
Gesamtwertung
Audi hat dem RS 3 mit einer neuen Auslegung der Allrad-Elektronik und dem leichteren Fünfzylinder spürbar mehr Sinn für Humor eingeimpft. Fahrdynamisch wirkt der zuvor etwas plumpe und zu stark untersteuernde Kompaktsportler tatsächlich wie verwandelt. Das sind gute Nachrichten, nicht nur für Fans der Marke. An den Stärken des RS 3 hat sich nämlich nichts geändert: Motor, Schub und Klang sind absolut haarsträubend, Qualität, Anmutung, Bedienung und Alltagstauglichkeit über jeden Zweifel erhaben. Schwächen? Nach wie vor federt der RS 3 ziemlich trocken und bei aller neuen Agilität ist er schon immer noch ein eher frontlastiges Auto. Zu einem ziemlich horrenden Preis. Und zwar egal, ob als Limousine oder Sportback.
+ agileres, launigeres Fahrverhalten; sensationeller Fünfzylinder; grandioser Sound; fantastische Qualität und Bedienung
- noch immer frontlastig und untersteuernd; ziemlich straff; selbstbewusster Preis
Modell |
Audi RS 3 Limousine |
Motor
|
Bauart |
Reihenmotor, Turbo |
Zylinder / Ventile |
5 / 4 |
Antrieb |
Allradantrieb |
Getriebe |
Doppelkupplung |
Gänge |
7 |
Hubraum |
2.480 cm³ |
Leistung |
294 kW bei 5.850- 7.000 U/min |
max. Drehmoment |
480 Nm bei 1.700- 5.850 U/min |
Kraftverteilung |
variabel |
Fahrwerk
|
Bremsen vorn |
Scheiben, innenbelüftet, gelocht, 370 Millimeter |
Bremsen hinten |
Scheiben, innenbelüftet, gelocht, 310 Millimeter |
Lenkung |
elektromechanische Servolenkung |
Radaufhängung vorn |
McPherson mit Dreiecksquerlenkern |
Radaufhängung hinten |
Vierlenkerachse |
Räder vorn |
235/35 R19 |
Räder hinten |
235/35 R19 |
Spurweite vorn |
1.559 mm |
Spurweite hinten |
1.528 mm |
Maße
|
Länge |
4.479 mm |
Breite |
1.802 mm |
Höhe |
1.397 mm |
Radstand |
2.631 mm |
Leergewicht |
1.590 kg |
max. Zuladung |
490 kg |
Kofferraumvolumen |
315 l |
Tank |
55 l |
Messwerte
|
Höchstgeschwindigkeit |
250 km/h |
Beschleunigung (0-100 km/h) |
4,1 s |
Verbrauch gesamt |
8,3 l/100 km |
CO2-Emission |
188 g/km |
Schadstoffklasse |
Euro6 |
Stand: März 2017