Audis "Lamborghini Urus fürs Volk" stellt 600 PS und sehr viel Fahrwerkstechnik gegen 2,4 Tonnen Gewicht. Klappt das?
Audi hat endlich reagiert und den Kickern des FC Bayern das Auto gebaut, das sie wirklich wollen. Sagen Sie Hallo zum neuen RS Q8. Während die Welt fleißig übers Klima streitet, klingt er wie ein Hort der Rationalität und Vernunft. Ein 5,01 Meter langes SUV-Coupé mit 2,4 Tonnen Gewicht und 600 PS, das die 0-100 km/h in 3,8 Sekunden platt macht, 305 Spitze fährt und den Nürburgring in 7:42 Minuten unter sich begräbt. Damit hat sich der Über-Q8 den Nordschleife-SUV-Rekord gekrallt und das ganz nebenbei mit einer Zeit, für die man vor zehn Jahren noch einen Porsche 911 GT3 gebraucht hätte. Wir leben in wahrhaft verrückten Zeiten.
Der größte je gebaute RS steht auf 23 (!) Zöllern und wird vermutlich als Deutschlands mächtigster und schnellster Grill aller Zeiten in die Geschichte eingehen. Ein bescheidenes, fast schon schüchternes Kerlchen also, das sich in bester und stetig wachsender Gesellschaft befindet: AMG kommt bald mit dem neuen GLE 63 S ums Eck und BMW schickt die Performance-Rhinos X5 M und X6 M ins Rennen. Ähnlich ungezogene Angebote gibt es in Form der Konzern-Verwandschaft um Porsche Cayenne Coupé Turbo, Bentley Bentayga und Lamborghini Urus oder in Bälde auch von Aston Martins erstem SUV namens DBX. Letzteres ist mit 550 PS und nur 2,2 Tonnen aber fast schon schwachbrüstig.
Kurz bevor er Sie auf der linken Spur auffrisst, werden Sie ihn eventuell noch kurz in einem sehr stark ausgefüllten Rückspiegel erblicken. Sie erkennen ihn dann daran, dass er aussieht wie Bane (der Bösewicht aus Batman). Das liegt am monumentalen schwarzen Singleframe inklusive schwarzer Kühlermaske. Außerdem ist er vorne 20 und hinten 10 mm breiter. Irgendwie müssen die größeren Räder schließlich reinpassen. Hinten gibt es einen größeren Dachspoiler und den üblichen Diffusor mit Platz für die üblichen Oval-Endrohre.
Vorne drin steckt der aus RS 6 und RS 7 bekannte 4,0-Liter-Biturbo-V8 mit 48-Volt-Mildhybridsystem. Er liefert 600 PS bei 6.000 U/min und 800 Nm zwischen 2.200 und 4.500 U/min. Nur ganz vielleicht könnte dieses Setup bei einigen wenigen Menschen für ein schlechtes Gewissen sorgen, weshalb das Aggregat eine Zylinderabschaltung hat. Außerdem kann der RS Q8 rekuperieren und beim vom Gas gehen zwischen 55 und 160 km/h mit abgeschaltetem Motor segeln. Auch ein Start-Stopp-System mit erweitertem Wirkungskreis ist an Bord. Das spart laut Audi bis zu 0,8 Liter auf 100 km ein. 12,1 Liter nimmt er sich trotzdem alle 100 Kilometer. So steht es zumindest im Prospekt. Wie gewohnt geht die Kraft über Audis fähigste und stärkste 8-Gang-Box an alle vier Räder. Je nachdem, was die Umwelt dem Auto so entgegenschmeißt, kann es bis zu 70 Prozent der Power nach vorne und bis zu 85 Prozent nach hinten leiten.
Der RS Q8 kriegt ein strafferes Luftfahrwerk, das sich bis zu 40 mm absenkt, wenn Sie schnell fahren und bis zu 50 mm anhebt, wenn Sie aus Versehen in die Botanik abbiegen. Ja auch hier gibt es einen Offroad-Modus, aber Sie werden vermutlich die 23-Zöller bestellen, also lassen Sie es einfach bleiben. Außerdem gibt es eine eigene Applikation für Dämpfer und Lenkung, steifere Lager und Buchsen und eine Allradlenkung, die in diesem Fall klugerweise serienmäßig ist. Auch die übrigen (optionalen) Fahrdynamik-Booster dürften Sie inzwischen kennen. Es handelt sich dabei um die elektromechanische Wankstabilisierung (eAWS) und das Sportdifferenzial an der Hinterachse. Wie Sie sehen, ist also mal wieder alles angerichtet, um der armen Physik zu demonstrieren, dass sie keine Ahnung hat.
Bis zu einem gewissen Punkt ganz sicher. Dieser Punkt ist erschreckend hoch angesiedelt. Im Prinzip ist die Physik schon wieder so weit zu sagen: Ach komm weißte was RS Q8, hör mir auf mit deiner Angeberei, ich geh jetzt heim. Einfach weil auch dieser Kasalla-Panzer mühelos Kurvengeschwindigkeiten erreicht, die auf absolutem Top-Sportwagenniveau liegen. Aber zum kompletten Sieg über die Schwerkraft reicht es erleichtenderweise auch in diesem Auto nicht ganz. Irgendwann nach sehr sehr viel Grip und Neutralität weicht auch im RS Q8 die Vorderachse auf und er schiebt sanft nach außen ab.
Alles, was bis dahin passiert, ist jedoch aller Ehren wert und dürfte auch bei Ihnen für nicht nur einen dicken Schmunzler sorgen. Ja, er lenkt extrem kurz angebunden ein und nein, da wankt nix (oder zumindest nicht besonders viel) in der Kurve. Auch wenn man selbige mal so fährt, wie man es nicht tun sollte, wenn man weiterhin ein Leben in Freiheit anstrebt. Der RS Q8 zieht den Bauch ein, spannt die Muckis an, und dann knallt er eben durch durch die Kurve. Fühlt sich das groß und schwer an? Ja, schon irgendwie, das lässt sich nicht leugnen. So ein Cayenne, der handelt schon leichtfüßiger und spielerischer. Aber dass man so viel Masse und Wucht so akkurat, präzise, urstabil und letztlich auch beängstigend agil bewegen kann, das hinterlässt schon Eindruck.
Tja, und dann ist da noch diese Bremse, diese irre große Keramik-Bremse mit ihren 10-Kolben-Sätteln und den 440-mm-Scheiben, die diese 2,4 Tonnen so dermaßen zusammenstaucht, dass Sie laut anfangen werden zu lachen, weil es so unwirklich ist. Normalerweise stirbt so ein Schlachtschiff ja auf der Bremse, aber hier ist es genau andersherum. Das Motto viel hilft viel zieht also auch hier. Nicht nur was die empfehlenswerten Carbon-Keramik-Stopper (sparen obendrein 34 Kilo) betrifft, sondern auch die ganze Armada an schlauer Elektronik, die diesen monumentalen Körper zusammenpresst wie ein riesiger Schraubstock. Der RS Q8 könnte gar nicht anders fahren, selbst wenn er wollte.
Sie können sich vorstellen, dass diese Vorgehensweise sehr effektiv ist, besonders natürlich fühlt sich das Ganze aber freilich nicht an. Die Lenkung ist dabei übrigens nicht das Problem. Sehr angenehm und präzise mit gutem, eher leichtem Handmoment. Aber man sitzt halt letztlich auch im RS Q8 schon eher drauf als drin, kämpft ein bisschen mit den abgehakten, etwas hüftsteifen Bewegungen. "Nur falls Du es vergessen hast, ich bin nach wie vor ein SUV", ruft einem der Dicke in diesen Momenten ein bisschen trotzig zu. Es sei ihm gegönnt. Falls Sie gewandtere Bewegungsabläufe schätzen, kaufen Sie sich doch einfach den neuen RS 6 Avant.
Hier wie da zeigen die Audi Sport-Ingenieure eine neu entflammte Liebe für feine Federungen. Auch der RS Q8 sänftet in aller Regel, dass es eine wahre Freude ist. Selbst mit dem 23-Zoll-Monumental-Schuhwerk verkrampft er nicht. Klar, wenn Sie alle Fahrdynamik-Systeme auf "Maximum Attack" schalten und das Auto den Quadrizeps durchspannt, kann es schon mal ein bisschen rumpeln im Stüberl, aber richtig gravierend ist auch das nicht.
Wenig überraschend ist es in etwa das gleiche Spiel wie im RS 6/RS 7. In allem außer dem Dynamic-Modus reagiert dieser Achtzylinder ungewohnt behäbig auf Gas und gähnt Ihnen ein Turboloch entgegen als wäre es 1987. Wenn Sie mitzählen wollen: 3,2,1 … Booom! Im RS Q8 ist das Thema gefühlt noch ein wenig ausgeprägter. Und natürlich tätowiert Sie der Antritt nach der Gedenksekunde dann doch noch recht unbarmherzig ins Gestühl, dreht der Motor schön gierig aus. Sie können diese Wildheit aber auch gleich von Anfang an haben. Stellen Sie den Antrieb dafür einfach auf Dynamic und plötzlich ist der Vierliter-Biturbo hellwach, kappt die Zündschnur komplett, lässt sich extrem fein dosieren. So kommt er dann auch auf ein Level mit den hervorragenden Biturbo-V8s von AMG und BMW M. Ganz ähnlich ist das bei der verstärkten ZF-8-Gang-Automatik, die auch im RS Q8 genau so werkelt, wie man das haben will bei einer guten Sportbox: Schnörkellos rauf, schnell und ohne Schluckauf runter, im Alltag unmerklich.
In puncto Klanggestaltung braucht er die Konkurrenz ebenfalls nicht zu fürchten. Der Konzern-Allzweck-V8 (Porsche, Lambo, Bentley) holt hier das ganz grobe Sägeblatt raus und von vorne zischen gut vernehmbar zwei wütende Turbos. Natürlich auch hier nicht so ganz echt, aber recht emotional allemal.
Grundsätzlich hat der Q8 den Vorteil, dass er, selbst gegenüber anderen SUV-Coupés der 5-Meter-Liga, über ein wahrhaft königliches Platzangebot verfügt. Das ist beim RS-Modell natürlich nicht anders. Verarbeitungsqualität, Bedienung und der Grad an Technologie im Cockpit sind über jeden Zweifel erhaben. Wie schon in RS 6 und RS 7 gibt es jetzt auch hier einen RS-Taster am Volant, den Sie mit Ihren präferierten Voreinstellungen bezüglich aller relevanten Fahrdynamik-Parameter (Motor, Fahrwerk, Klang, ESP usw.) belegen können. Die RS-Sportsitze hinterlassen einen sehr guten und bequemen Eindruck. Für uns geben das optionale Alcantara-Lenkrad und das Carbon-Dekor nochmal einen willkommenen Haptik-Boost, aber das bleibt wie immer Geschmackssache.
Sie kennen vermutlich die Argumente, die jetzt kommen. Sowohl die positiven, wie auch die nicht ganz so schönen. Brauchen tut so ein immens proportioniertes 600-PS-SUV natürlich niemand. So ein Audi RS 6 Avant beispielsweise kurvt natürlicher und intensiver. Und weniger verbrauchen wird er auch, da kann man noch so viel mildhybridisieren und zylinderdeaktivieren (was der RS 6 ganz nebenbei ja auch macht). Ein gesteigertes Verlangen nach höhergelegten Brachialsportlern scheint es auf dem Weltmarkt ganz offensichtlich dennoch zu geben. Da spielen bequemerer Einstieg, bessere Übersicht und das zweifelsfrei üppigere Platzangebot definitiv eine Rolle. Anscheinend auch immer noch der Status. Ist halt so. Punkt.
Fahrdynamisch - auch das kennen Sie - ist dem RS Q8 wenig vorzuwerfen. Die Errungenschaften der modernen Fahrwerkstechnologie machen es möglich, dass auch dieses Mega-SUV hauptsächlich Verblüffung zurücklässt. Ob man jetzt dem Angebot von AMG, BMW M oder eben Audi Sport erliegt, ist auf diesem hohen Niveau sicher Geschmackssache. Selbst verglichen mit einem Cayenne Turbo oder einem Lambo Urus gibt es - wen wundert's bei gleicher Plattform - wenig Unterschiede. Letzteren gegenüber geht der RS Q8 jedoch als wahres Schnäppchen durch.
+ in Anbetracht der Größe irrsinnig gute Fahrdynamik; extrem potenter, wohlklingender V8; gute Komfort-Eigenschaften; qualitativ hochwertiger, überaus großzügiger Innenraum; brachiale Keramikbremse (optional)
- hohes Gewicht; Motor in den normalen Modi mit Anfahrschwäche; konzeptbedingter Mangel an natürlichem und involvierendem Fahrverhalten