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Test Audi SQ8 TDI: Macht Europas stärkster Diesel Sinn (und Spaß)?

Technik-Bombast trifft auf XXL-Gewicht. Wer gewinnt?

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Was ist das?

Der Q8 auf den die meisten Q8-Interessenten gewartet haben dürften. Riesiges SUV-Coupé plus Sport-Anstrich plus Brachial-Diesel - da kann hierzulande aktuell wenig schiefgehen. Vor seiner Emissions-Demission war jeder siebte verkaufte Q7 ein SQ7. Jetzt ist der stärkste Selbstzünder Europas zurück. Frisch mit Euro-6d-Temp-Siegel. Im SQ8 dürfte er aufgrund der luxuriöseren Positionierung des Autos noch besser funktionieren. Ich sehe schon jetzt, wie Horden an dauerlichthupenden Bauunternehmern und Zahnarzt-Gattinnen in Yoga-Pants den armen Audi-Händlern die Bude einrennen. 

Und in der Tat könnte der 4,0-Liter-Biturbo-V8-Diesel mit seinem elektrischen Zusatzverdichter plus 48-Volt-Mildhybrid-System die beste Wahl im Q8-Portfolio darstellen. Er positioniert sich deutlich oberhalb des zuletzt nicht komplett überzeugenden Sechszylinder-Diesels mit 286 PS, ist aber bei weitem vernünftiger und kostengünstiger als der kommende RS Q8, den Audi in wenigen Monaten vorstellen wird. Vermutlich mit V8-Benziner und mehr als 600 PS. Dabei wird der SQ8 TDI mit seinen 435 PS und dem Monster-Drehmoment von 900 Nm in den meisten Alltagssituationen kaum langsamer sein als der RS. 

Was ist neu?

Nun, am Motor selbst hat sich gut drei Jahre nach seiner erstmaligen Einführung nicht wirklich viel geändert. Um die aktuellen Abgasnormen zu erfüllen, hat man eben ein wenig an der Software und den Katalysatoren gefummelt. Ein technisches Sahnestück ist er nach wie vor. Es bleibt bei zwei Turbos, die nacheinander geschaltet werden und einem direkt hinter dem Ladeluftkühler sitzenden e-Lader, der in den untersten Drehzahlbereichen gegen das böse Turboloch ankämpft. Dazu beschleunigt ein 7-kW-Elektromotor das Verdichterrad in 250 Millisekunden auf bis zu 70.000 U/min. So wird Luft in die Brennräume gepresst, bevor der herkömmliche Turbo auch nur daran denken kann, dass er einen Abgasstrom bekommt.

Um Benzin zu sparen, verfügt der V8 TDI zudem über ein Mildhybrid-System, bestehend aus einem Riemen-Startergenerator (RSG) und eine 0,5-kWh-Lithium-Ionen-Batterie. Der RSG rekuperiert beim Bremsen, ermöglicht bis zu 40-sekündiges Segeln (zwischen 55 und 160 km/h) und einen erweiterten Start-Stopp-Bereich. Das soll laut Audi bis zu 0,5 Liter Sprit sparen.

Über eine Achtgang-Automatik geht die Kraft an den Quattro-Allradantrieb. Der SQ8 beschleunigt in 4,8 Sekunden auf 100 km/h und schafft 250 km/h Spitze. Einen offiziellen Verbrauch nennt Audi bisher nicht, der SQ7 war seinerzeit aber mit 7,2 Liter angegeben.

Ist der Motor denn gut?

Er fühlt sich nach wie vor sehr gut an. Wobei dieser Sensationsfaktor, der Wow-Effekt wie vor knapp drei Jahren bei der ersten Fahrt mit dem SQ7, irgendwie nicht mehr gegeben ist. Das liegt nicht am Antrieb selbst. In der Zwischenzeit ist einfach viel passiert, man hat sich - so seltsam das klingt - irgendwie daran gewöhnt, dass es Dieselmotoren gibt, die große, schwere Autos in unter fünf Sekunden auf 100 km/h wuchten. Die Technik hinter dem 4,0-Liter-V8-TDI ist aber natürlich nach wie vor absolut beeindruckend. Die 900 Nm liegen bereits bei 1.250 Touren an. Schon weit darunter und dann bis etwa 1.700 U/min gibt sich der e-Lader alle Mühe, Turbolag zu verhindern. Seine Erfolgsquote ist hoch, wenn auch nicht gänzlich perfekt. Zumindest spürt man noch kleine Restanflüge von Gedenksekunde, wenn man das Gas in den Boden klopft.

"Und so qualifiziert sich auch der derzeit stärkste und beeindruckendste Diesel Europas eher als brachiales Elastizität-Urviech, denn als echter Sportmotor."

Womöglich liegt das aber auch an der Achtgang-Automatik, die im Alltag angenehm und geschmeidig wirkt, aber bei den Reaktionszeiten nicht mit den Allerbesten mitkommt. Greifen Sie selbst zu den Schaltpaddels (die einmal mehr erschreckend lieblos ausgeführt sind für ein Auto dieser Preisklasse) und Sie werden besser erkennen, zu was diese ultrakomplexe Maschine in der Lage ist. Selbst die tiefsten Niederungen des Drehzahlkellers beackert der V8 bereits mit bemerkenswerter Kraft. Der Schub ist zu jeder Zeit absolut derb. Man muss sich eben darüber im Klaren sein, dass zu jeder Zeit kein besonders langer Zeitraum ist. Bei etwas mehr als 5.000 Umdrehungen ist bauartbedingt Sense (für einen Selbstzünder ohnehin ein sehr positiver Wert). Und so qualifiziert sich auch der derzeit stärkste und beeindruckendste Diesel Europas eher als brachiales Elastizität-Urviech, denn als echter Sportmotor.

Sie können ihn zweifelsfrei über drei Bergpässe prügeln, wie Audi es den Journalisten-Mob beim Presse-Fahrtermin tun ließ. Er wird beängstigend schnell sein und irre gut reagieren für etwas ohne Zündkerzen. Er wird Sie des Öfteren verblüfft schmunzeln lassen, weil er so immens viel Gewicht so immens mühelos anschiebt. Aber trotz des künstlich in den Innenraum gespülten Achtzylinder-Benziner-Bollerns fehlt es naturgemäß ein wenig an Emotion und Ekstase. Das macht natürlich nichts. Dafür ist dieses Auto nun wirklich nicht da. Seine Sensationen liefert er Ihnen woanders. Bei jedem Zwischenspurt/Überholvorgang auf Landstraße oder Autobahn, wo er wirklich schwer zu schlagen sein dürfte. Und natürlich an der Zapfsäule. Oder kennen Sie ein anderes Achtzylinder-Sport-SUV, dass Sie im Alltag ohne große Anstrengung mit unter zehn Liter bewegen können?  

Wie fährt er?

Im Prinzip lässt sich alles, was ich eben über den Antrieb gesagt habe, fast eins zu eins aufs Fahrverhalten übertragen: absolut beeindruckend, aber nichts für die spontane Ganzkörper-Gänsehaut. Auf emotionaler Ebene passiert eher Durchschnittliches. Das Handling strotzt nicht unbedingt vor Finesse oder Gefühl. Die Lenkung ist Audi-typisch super sauber und präzise, aber hölzern und künstlich, vor allem im Dynamic-Modus. Stellen Sie sie daher besser auf "Normal" um, dann wirkt sie leichtgängiger, aber natürlicher.

Und damit eindeutig genug gemeckert. Denn das hier ist ein fünf Meter langes Diesel-SUV, das nahezu 2,5 Tonnen wiegt und es geht mit einer Gewandtheit und Unerschütterlichkeit durch die Kurve, dass man es eigentlich nicht glauben mag. Natürlich ist das Gewicht des SQ8 das eigentlich Erschütternde, aber ebenso erschütternd ist es, wie wenig man davon merkt.

Gegenüber dem ohnehin schon recht beeindruckenden normalen Q8 kriegt der S eine komplett andere Vorderachskinematik mit steiferen Lagern, Buchsen et cetera. Außerdem gibt es eine etwas aggressivere Ansteuerung für die adaptiven Dämpfer, eine direkter ausgelegte Lenkung und Software-seitig eigene Applikationen für Lenkung, ESP und Co. Die wahren Helden in diesem Schauspiel sind aber (wie so oft bei riesigen Schlachtschiffen, die dynamischer sind, als sie sein sollten) die elektronischen Dynamik-Scherpas, sprich: Die Hinterachslenkung, die aktive Wankstabilisierung und das Sport-Differenzial an der Hinterachse. Sie kosten alle Aufpreis, aber wenn Sie darauf stehen, die Physik jeden Tag aufs Neue zu verhonepipeln, dann bestellen Sie das Zeug bitte dazu. 

Der SQ8 lenkt nicht so radikal ein oder bewegt sich so flink wie ein Porsche Cayenne Coupé, aber agil und wach wirkt er schon. Er hält seinen gewaltigen Leib mit bemerkenswerter Disziplin auf Kurs, schaukelt nicht auf, entwickelt so gut wie keine Rollneigung. Außerdem ist er vollkommen resistent gegen Untersteuern, hält seine Linie stoisch. Selbst wenn sie sehr eng und das Tempo eigentlich zu hoch ist. Beinahe noch spektakulärer ist allerdings ein anderer Punkt. Denn obwohl man ihm mit allen Mitteln so viel Fahrdynamik in die Blutbahn gepumpt hat, federt er mit seiner serienmäßigen Sport-Luftfederung absolut grandios. Eine echte Sänfte, selbst auf den optionalen 22-Zöllern. 

Ein Wort noch zur Bremse: Auf meinem Testwagen war die monumentale Carbon-Keramik-Anlage mit 420-mm-Scheiben vorne montiert. Selbst die drei angesprochenen Bergpässe konnten ihr nicht die Bohne anhaben. Ein Fels in der Brandung. Wenn Sie aber nicht unbedingt drei Bergpässe pro Tag fahren, sollte die Stahlbremse mit ihren 400-mm-Disks wohl auch ausreichen.

Wie ist er innen?

Wenig überraschend ist der SQ8 TDI innen eine Wucht. Vollgestopft mit Technik, qualitativ herausragend ausgeführt und auch optisch eine ziemliche Augenweide. Das MMI-Navi mit den beiden Touchscreens für Infotainment- und Klimabedienung ist hier genauso Serie wie das digitale 12,3-Zoll-Instrumentendisplay mit speziellem S-Anzeigen-Modus. Grafiken, Geschwindigkeit und Bedienlogik der Systeme sind hervorragend. Die Sportsitze sind bequem und bieten eine gute Sitzposition. Wer will, kann sein Sport-SUV mit allerhand Schnickschnack wie S-Sportsitzen mit integrierten Kopfstützen, zusätzlichem Leder, Carbon-Dekoren oder Matrix-LED-Scheinwerfern bestücken.

Immer dabei ist ein mehr als generöses Raumangebot auf allen Plätzen. Hier sticht auch der SQ8 die anderen Groß-SUV-Coupés aus. Die Rückbank lässt sich in der Länge verschieben, der Kofferraum fasst sehr brauchbare 605 bis 1.755 Liter. 

Neu in der inzwischen unüberblickbaren Armada an Helferlein und Assistenzsystemen sind Amazon Alexa (unter anderem aus dem Auto heraus Bestellungen aufgeben oder die Haustür verriegeln) und Audis neue Ampelinformation. Dieser "Grüne-Welle-Assistent" vernetzt das Auto mit den zentralen Ampelrechnern von mehr und mehr europäischen Städten und sagt dem Fahrer, welches Tempo er fahren muss, damit er die nächste Ampel bei grün erwischt.   

Soll ich ihn kaufen?

Wenn Sie der Basispreis von 102.900 Euro nicht abschreckt, spricht hier wirklich nicht allzu viel dagegen. Der Aufpreis von etwa 25.000 Euro gegenüber dem Q8 50 TDI mit 286-PS-V6 klingt absurd, allerdings verfügt der SQ8 über eine sehr reichhaltige Serienausstattung und bewegt sich bei Antrieb und Fahrdynamik in einer komplett anderen Liga. 

Konkurrenz ist zum jetzigen Zeitpunkt prinzipiell nicht vorhanden. In Frage käme der 93.800 Euro teure BMW X5 M50d mit 400 PS und 760 Nm. Der allerdings bietet "nur" sechs Zylinder und ist kein SUV-Coupé. Letzteres gilt auch für den VW Touareg. Den können Sie aber auch mit dem V8-Diesel haben. Hier leistet er 421 PS und ist ab 89.825 Euro zu haben. 

Man kann immer (und aktuell umso mehr) darüber streiten, ob man ein Fünf-Meter-Diesel-SUV-Coupé braucht, dass beschleunigt und Kurvengeschwindigkeiten ermöglicht wie ein Sportwagen. Vor allem, wenn man es dafür mit so viel Technik vollstopfen muss, dass es am Ende beinahe 2,5 Tonnen wiegt. Aber die Ausführung selbst ist brillant. Klar, hier wird Sportlichkeit mehr mit dem Holzhammer eingebläut, was sich immer ein wenig gezwungen und ein bisschen künstlich anfühlt. Aber meine Herren, es funktioniert. Einen besseren Mix aus Luxus, Komfort, Technik, Platzangebot und schierer Wucht bei absolut angemessenem Verbrauch werden Sie derzeit in dieser Klasse nicht finden.  

Fazit: 8/10

+ technisch beeindruckender, überwältigend schiebender Diesel; für diese Ausmaße absolut famose Fahrdynamik; qualitativ hervorragender und extrem geräumiger Innenraum mit großartigem Infotainment/Bedienung

- beeindruckend kompetentes, aber steriles Fahrverhalten; gefühllose Lenkung; extrem hohes Gewicht; knackiger Grundpreis

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