Malibu (USA), 21. Oktober 2011 - Wir sitzen hinter einer gläsernen Motorboot-Kanzel, haben keine Nummernschilder, dafür aber eine Polizeieskorte: Unser Audi e-tron Spyder ist ein Sportwagen mit Minimalverbrauch. Ein fahrbares Konzeptauto aus der Zukunft. Wir sitzen hinterm Steuer und spüren, was uns in naher Zukunft erwartet.
Perfekter Sportler-Look
In Sachen Design ist Audi weit vorn, aber beim e-tron Spyder haben die Ingolstädter nochmal eine Schippe draufgelegt: Der Wagen wirkt flach, schnittig, athletisch und gefällt durch seine rahmenlose Glaskanzel. Ein Verdeck gibt es nicht - später in der Serie wird natürlich eine schützende Kappe zur Verfügung stehen. Der Technologieträger fährt auf 20-Zoll-Felgen mit jeweils 20 Turbinen-Speichen. Jedes Rad wird aus 66 Einzelteilen montiert. Als Chassis dient auditypisch ein Aluminium-Space-Frame. Natürlich erinnert der Wagen ein wenig an den R8 - aber von dem Supersportler wurde kein Teil originalgetreu übernommen. Viele Komponenten mussten grundlegend modifiziert werden, so Uwe Haller, Projektleiter für den e-tron Spyder.
Kompakter Radstand
Mit einem Radstand von 2,43 Meter bleibt der Spyder 22 Zentimeter hinter dem Radstand des R8 zurück - was den Spyder äußerst kompakt und wendig wirken lässt. Die restlichen Maße: 4,06 Meter Länge, 1,81 Meter Breite und nur 1,11 Meter Höhe. Der Wagen kommt also mit handlichen Außenmaßen daher, ist aber als Technologien tragendes Einzelstück nicht gerade günstig: Zirka sieben Millionen Euro verschlingt so ein Fahrzeug. Aber dafür ist der e-tron Spyder auch fahrbar - und ob er sich auch sportlich bewegen lässt, finden wir jetzt heraus.
Innen komplett durchgestylt
Die immer sonnig offene Kabine des e-tron Spyder ist ebenfalls ein Stück Zukunft - ein sehr praktikables Stück Zukunft. Die schnittigen Leichtbau-Sitze passen für lange Strecken und sichern uns mit probatem Seitenhalt. Das schlanke Armaturenbrett ist tastenfrei - sämtliche Bedienungen erfolgen im Smartphone-Style per Touchscreen. Und die Pedalerie würde auch einem Raumschiff gut stehen. Das knuffige Lenkrad wurde oben und unten abgeflacht. Geladen wird der e-tron Spyder über eine Steckdose, die hinter dem Front-Logo wartet. Die vier Ringe lassen sich elektrisch beiseite schieben, dann tauchen die Dose und ein kleiner Monitor auf. Auf dem Display lassen sich der Ladezustand und die aktuelle Reichweite in Form einer Kartendarstellung ablesen.
Auf sportlicher Achse
In Sachen Fahrwerk hat sich Audis handverlesene Konzeptcar-Truppe beim Feinsten bedient, was der Konzern zu bieten hat: Die Vorderachse kommt vom TT RS und die Hinterachse vom R8 - wiederum mussten beide Bauteile an die Maße des e-tron Spyder angepasst werden. Das Gewicht unseres Testwagens beträgt 1.650 Kilogramm, das Zielgewicht für das Serienmodell liegt bei 1.450 Kilogramm. Die Gewichtsverteilung zwischen vorne und hinten haben die Ingenieure auf den Idealwert von 50 zu 50 Prozent zwischen vorne und hinten eingepegelt. Schließlich liegen die beiden Elektromotoren im Bereich der Vorderachse und der längs eingebaute V6-Diesel wurde vor der Hinterachse positioniert.
Lenk-Spaß
Der Wagen lenkt behände ein, lässt sich wie ein Go-Kart um die Kurven zirkeln. Dabei bleibt er in allen Situationen neutral. Hier hilft das Torque Vectoring, also die bedarfsgerechte Verteilung der Drehmomente zwischen rechts und links an beiden Achsen. Die Lenkung arbeitet extrem präzise und ohne jegliches Spiel. Unserem Gefühl nach könnte sie für einen Sportwagen etwas mehr Widerstand bieten, aber das ist Geschmacksache. Wem die Lenkung eines R8 zu kernig ist, der wird mit der Lenkung des e-tron-Konzeptfahrzeugs glücklich. Außerdem wird sich in Sachen Lenkwiderstand bis zur Serienreife noch etwas tun.
Federkern
Fahrwerksmäßig geht unser e-tron knackig zu Werke, wie wir es von einem Sportwagen erwarten. Gewankt wird nicht und die Traktion passt. Langsam dämmert uns, in was für einem Auto wir hier sitzen: eine fahrbare Studie, die in wenigen Monaten Entwicklungszeit auf die Räder gestellt wurde und schon jetzt in einigen Punkten vollkommen überzeugt. Wenn sich dann noch hunderte von Ingenieuren auf die Serien-Entwicklung stürzen, könnte da mal ein extrem performantes Fahrzeug herauskommen. Aber zunächst treten wir auf die Bremse: Giftig pressen sich die Beläge an die Scheiben.
Plug-in-Diesel-Hybrid
Der Clou des Audi e-tron Spyder liegt in seinem Antrieb: Zwei Elektromotoren kümmern sich um die Vorderräder, ein Dieselmotor befeuert die Hinterachse und zwischen beiden Achsen gibt es keine mechanische Verbindung. Außerdem lässt sich die wassergekühlte Lithiumionen-Batterie an der Steckdose nachladen. Dieses Konzept ist für Audi im Grunde über zehn Jahre alt: Der Audi Duo von 1997 basierte auf dem damaligen A4 Avant. Er wurde von einem 1,9-Liter-Turbodiesel mit 90 PS und einem Elektromotor mit einer Leistung von 21 Kilowatt (29 PS) befeuert. Die 320 Kilogramm schweren Zehn-Kilowatt-Blei-Akkus des Parallel-Hybriden konnten an der Steckdose wieder aufgeladen werden. Der Wagen war eines der ersten in Serie produzierten Hybridfahrzeuge - auf Grund des damals hohen Preises von zirka 60.000 Mark wurden allerdings nur unter 100 Exemplare verkauft. Das Ende der Produktion kam 1998. Ein hoher Preis wird bei einem Sportwagen viel eher akzeptiert als bei einem Mittelklasse-Wagen. So kam man bei Audi auf den e-tron Spyder. Dort sollen es jetzt die immensen und schon bei niedrigen Drehzahlen anliegenden Drehmomente von zwei Elektromotoren und einem effizienten Doppelturbo-Verbenner richten.
Massig Momente
Die für je ein Vorderrad zuständigen Elektromotoren bringen es im e-tron auf zusammen 64 Kilowatt (88 PS) und ein Drehmoment von 352 Newtonmeter. Ihre Energie beziehen sie von einem Lithiumionen-Akku mit einer Kapazität von 9,1 Kilowatt. Hochvolt-Speicher, Steuerung und die E-Maschinen wiegen zusammen 100 Kilogramm. Den Biturbo-Diesel kennen wir bereits aus dem A6: Er leistet 300 PS und generiert ein maximales Drehmoment von 650 Newtonmeter. Die Drehmoment-Verteilung liegt laut Hersteller bei 25 zu 75 Prozent zwischen vorne und hinten. Dank der Batterie kann der e-tron bis zu 50 Kilometer rein elektrisch, also lokal emissionsfrei, fahren. Und diese Reichweite ist bei stadttauglichen Geschwindigkeiten bis zu 60 km/h drin. Per Knopfdruck lässt sich die rein elektrische Fahrt erzwingen, im Teillastbereich wird dann alleine auf den Diesel zugegriffen. Dank des Plug-in-Systems kommt der e-tron Spyder laut Hersteller mit unglaublichen 2,2 Liter Diesel pro 100 Kilometer aus. Dies entspräche einem CO2-Ausstoß von 59 Gramm pro Kilometer - es geht hier immer noch um einen Sportwagen.
Wenn Werte stimmen
Im reinen Elektromodus geht unser e-tron ordentlich ab. Dabei senden die beiden Elektromotoren ein hochfrequentes Surren von der Vorderachse. Für Sound-Optimierungsmaßnahmen war bisher keine Zeit, in der Serie wird der Wagen so kultiviert klingen, wie es der Kunde von einem Audi erwartet. Der Vorwärtsdrang im Dieselbetrieb ist nicht minder beeindruckend. Und auch hier erfreut uns ungewöhnlicher Konzeptfahrzeug-Sound: Ein reines technisches Knattern begleitet unsere Gasstöße. Wiederum sind Dämmung und Sound-Aktuator was für die Serie. Die cruisingtauglichen Aggregate, können jedenfalls was: In 4,4 Sekunden ist Tempo 100 erreicht, bei 250 km/h wird dem Vortrieb elektronisch ein Ende gesetzt. Gehen wir vom Gas, wird moderat rekuperiert - unkomfortables hartes Einbremsen müssen wir nicht befürchten.
Jetzt noch stufenlos
Die Knöpfe für die Gangauswahl klappen auf einer kleinen Platte aus der Mittelkonsole. Als Getriebe kommt die stufenlose Multitronic zum Einsatz, die einen tadellosen Job macht. Später in der Serie ist dann das S-tronic genannte Doppelkupplungs-Getriebe für die Schaltarbeit zuständig.
Fazit
Der Audi e-tron Spyder ist mit einem 50-Liter-Tank unterwegs und kommt damit 1.000 Kilometer weit. Dabei handelt es sich hier nicht um einen Schleich-Wagen, sondern eine ausgemachte Sportmaschine. Uns beeindrucken zwei Dinge: zum einen, wie gut sich das Konzeptauto bereits jetzt schon fährt und zum anderen, wie toll sich der richtige Wagen mal fahren lassen wird. Denn zur Serie fehlt dem e-tron Spyder gar nicht mehr soviel und das Potenzial des oberschicken Roadsters spüren wir bei jedem Meter. Wir wollen das Auto so schnell wie möglich in der Serie sehen.