VW entfernte fast alle physischen Tasten aus seinen E-Autos und lernte eine lange, schmerzhafte Lektion
Mehr und mehr Autohersteller beginnen langsam, auf das zu hören, worüber sich Autojournalisten und Besitzer seit fast einem Jahrzehnt beschweren: Alle Fahrzeugfunktionen in einen Touchscreen zu packen, ist eine schlechtere Lösung als richtige physische Bedienelemente dafür zur Verfügung zu stellen.
Einer der bekanntesten Hersteller, der wieder vermehrt Knöpfe und Tasten zum Einsatz bringen möchte, ist Volkswagen. In den letzten Jahren hat VW in seinen Fahrzeugen verstärkt auf Touch-Bedienung gesetzt, wobei viele Funktionen entweder in Menüs des Touchscreens versteckt oder auf ein unpraktisches haptisches Bedienfeld verlagert wurden.
Schon länger gab es Hinweise darauf, dass Volkswagen einige physische Tasten zurückbringen könnte, aber eine offizielle Bestätigung blieb bisher aus. Nun hat VW-Designchef Andreas Mindt in einem Gespräch mit Autocar zugegeben, dass dieser Ansatz ein Fehler war und das Unternehmen ihn nun rückgängig macht.
Ab dem ID.2all werden wir physische Knöpfe für die fünf wichtigsten Funktionen haben - die Lautstärkeregelung, die Heizung auf beiden Seiten des Fahrzeugs, die Lüfter und die Warnblinkanlage - unterhalb des Bildschirms, sagte Mindt gegenüber der britischen Publikation.
Er fügte hinzu: Diese Knöpfe wird es in jedem unserer zukünftigen Fahrzeuge geben. Wir werden diesen Fehler nie wieder machen. Am Lenkrad wird es physische Tasten geben. Kein Rätselraten mehr. Es gibt echtes Feedback, es ist greifbar - und die Menschen lieben das. Ehrlich gesagt: Es ist ein Auto. Es ist kein Telefon.
Die fünf Funktionen, die eigene Bedienelemente erhalten, kommen zusätzlich zu den neuen Anforderungen von Euro NCAP, die ab 2026 in die Sicherheitsbewertungen einfließen. Wenn ein Auto keine physischen Bedienelemente für Hupe, Scheibenwischer, Blinker, Warnblinkanlage und SOS-Funktionen hat, kann es nicht die maximale Fünf-Sterne-Bewertung erreichen.
Es sind also nicht nur wir Journalisten, die die zunehmende Verlagerung auf Touchscreens für eine schlechte Idee halten.
Was wir jetzt sehen, ist, dass es immer mehr Unfälle gibt, bei denen Menschen Kollisionen haben, weil sie abgelenkt sind, sagte Matthew Avery, Direktor für strategische Entwicklung bei Euro NCAP, gegenüber Politico.
Wer schon einmal in einem modernen Volkswagen wie dem ID.4 gesessen hat, dürfte darüber nicht verwundert sein. Um die Innenraumtemperatur oder die Lautstärke zu regeln, muss man nicht beleuchtete, haptische Slider unterhalb des Bildschirms nutzen (wenigstens hat VW diese im Zuge des 2024er Facelifts in allen Modellen außer der Basisvariante beleuchtet). Und wenn man die Klimaanlage feinjustieren will, geht das nur über den Touchscreen.
Ein weiteres Ärgernis in vielen aktuellen Volkswagen-Modellen sind die haptischen Bedienpaneele auf dem Lenkrad, mit denen man nach und nach die echten Taster ersetzt hat. Sie können versehentlich aktiviert werden und reagieren nicht immer so, wie man es erwartet.
Ein anderer Hersteller, der voll auf Touchscreens gesetzt hat, ist Mercedes - und deren Touch-Bedienelemente am Lenkrad sind noch nerviger als die von VW. Doch auch Mercedes dürfte bald wieder auf physische Tasten und Drehregler setzen, nachdem Designchef Gorden Wagener zugegeben hat: Bildschirme sind kein Luxus. Das sagt ein Hersteller, der in seinen Autos eine gigantische 56-Zoll-Bildschirmfläche mit drei Displays quer über das Armaturenbrett verbaut.
Warum überhaupt so viele Touchscreens? Hauptgrund für diesen Trend ist die Kostenersparnis. Die Hersteller wissen, dass moderne Autos große Bildschirme brauchen, um Kunden anzulocken. Also ist es einfacher und günstiger, alle Bedienelemente in einen einzigen Bildschirm zu verlegen, statt zahlreiche physische Schalter zu verbauen. Das hat zu ärgerlichen Kompromissen geführt - etwa dass VW und Volvo sogar an Fensterheberschaltern gespart haben, nur um ein paar Cent pro Auto einzusparen.
Tesla hat diesen Trend mit dem ersten Model S und seinem riesigen Bildschirm gestartet, der damals alles andere altmodisch wirken ließ. Auch wenn das Display damals ein Meilenstein war, begann man später zu hinterfragen, ob eine reine Touchscreen-Bedienung wirklich besser ist.
Das Problem wurde mit späteren Tesla-Modellen noch verschärft. Beim Model 3 Highland hat Tesla den Minimalismus auf die Spitze getrieben und Blinkerhebel, Scheibenwischerhebel und den Gangwahlhebel entfernt. Teslas Autos sind die einzigen auf dem Markt, die einen Wisch auf dem Touchscreen erfordern, um in den Vorwärts- oder Rückwärtsgang zu wechseln. Immerhin hat Tesla eingesehen, dass der Wegfall des Blinkerhebels zu viel war, und wird ihn wohl in vereinfachter Form zurückbringen.
Die Unternehmen scheinen allmählich zu begreifen, dass haptische Bedienelemente Leben retten, weeil sie weit weniger ablenken. Und wenn das VW oder Tesla ein paar Cent mehr pro Auto kostet - das ist ein fairer Preis für mehr Sicherheit und besseren Bedienkomfort.