Der VR6 ist Kult, aber inzwischen werden auch die normalen Versionen immer seltener
Der Blick in die eigene Vergangenheit liefert manchmal die besten Geschichten. Meine Wenigkeit ist Generation Golf. Aber anders als im gleichnamigen Bestseller Generation Golf 3. 1996 machte ich auf einem lilafarbenen Golf (Signalfarbe!) meinen Führerschein. Erste Alltagserfahrungen (und Beulen) lieferte der schwarze Golf GL Dreitürer meiner Mutter mit 90 PS.
Inzwischen ist das alles auch schon fast 30 Jahre her. Kürzlich stieß ich beim Stöbern nach billigen Youngtimern auf einschlägigen Gebrauchtwagenbörsen auf folgendes Angebot: VW Golf CL, Baujahr 1993, 60 PS aus 1,4 Liter Hubraum, Dreitürer, weiß, fast ohne Extras. Inklusive airbaglosem Zweispeichen-Lenkrad. Optisch nahe am Titelbild oben. Soll man so etwas kaufen? Gar aufheben und reifen lassen.
Denn sind wir mal ehrlich: Viele der rund fünf Millionen gebauten Golf III sieht man auf deutschen Straßen nicht mehr. Der Vorgänger, ja, der ist beliebt, weil unzerstörbar. Und auch der Nachfolger mit der Nummer 4 hat seine Fans, da richtig hochwertig gemacht. Aber der Dreier-Golf scheint sich immer mehr zum Mauerblümchen zu entwickeln.
Gewiss, der VR6 oder das Cabriolet haben Kultstatus erreicht und scharen Fans um sich. Aber ein ganz profaner Golf III als CL oder GL mit 60, 75 oder 90 PS? Geh bloß weg! Zugegeben: VW ist daran nicht unschuldig. Obwohl die Premiere schon 34 Jahre zurückliegt, wirkt der Golf III zu modern, aber auch zu beliebig. (Das Design stammt übrigens in weiten Teilen vom späteren Mini-Designer Gert Volker Hildebrand.) Dabei ist die Optik mit den großen Leuchten vorne wie hinten eine echte Weiterentwicklung zu den ersten beiden Gölfen.
Andererseits ist der Golf III weder optisch noch messbar so leichtgewichtig wie seine Vorgänger. Unter einer Tonne läuft hier nix mehr. Kein Wunder das die 60 Basis-PS fast 17 Sekunden für den Spurt auf 100 km/h brauchen. Und innen sorgt die Straßenbahn-Anmutung nicht für emotionale Ausbrüche.
Hinzu kommt eine nicht mehr so tolle Verarbeitung und eine höhere Rostanfälligkeit als beim Golf II. Übrigens kein "Lopez-Effekt", der "Würger von Wolfsburg" kam erst 1993 zu VW. Schuld sind eher (wie später bei Mercedes) wasserlösliche Lacke und womöglich der Gedanke, dass ein Golf nicht zwingend 25 Jahre halten muss.
Sollte man sich also jetzt einen ganz normalen Golf III sichern? Zwei Argumente sprechen dafür: Irgendwann war der allgegenwärtige Zweier-Golf auch nicht mehr günstig. Und wie eingangs erwähnt, hat eine ganze Generation ihre ersten automobilen Erfahrungen auf dem Golf III gesammelt. Sie werden also schnell ins Gespräch kommen: "Weißt Du noch?", "So einer war mein erstes Auto", "In so einem bin ich groß geworden", "Den hatte Vater/Mutter/Onkel/Opa". Rettet den 3er!