Das zweite "Ein-Liter-Auto der Elektromobilität neben dem Mercedes CLA?
941 Kilometer: So weit fuhr nun ein VW ID.7 Pro S ohne Nachladen. Das ist fast ein Drittel mehr Reichweite als nach WLTP-Norm. Das zeigt, dass man mit einer Batterieladung auch deutlich weiter kommen kann, als der offizielle Wert angibt. Allerdings fand die Rekordfahrt unter Bedingungen statt, die wenig mit dem realen Verkehr gemeinsam haben.
Gefahren wurde auf der bekannten Hochgeschwindigkeits-Rennstrecke im süditalienischen Nardò. Aber nicht mit Höchsttempo, sondern mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 29 km/h. Das entspreche typischen Rush-Hour-Geschwindigkeiten in Großstädten, schreibt VW, und da dürfte die Marke durchaus recht haben.
Dass das Elektroauto allerdings im großstadttypischen Stop-and-Go-Modus fuhr, wagen wir zu bezweifeln. Denn nach dem von VW veröffentlichten Foto dauerte die Rekordfahrt 33h15. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 29 km/h hätte das Auto also 964 km zurücklegen müssen. Die Differenz dürfte sich allein durch die nötigen Fahrerwechsel erklären - vermutlich vier, wenn man einen Arbeitstag von acht Stunden zugrunde legt.
Außerdem wollte VW offenbar bewusst keine reale Verkehrssituation nachstellen. Stattdessen wollte man die maximale Effizienz des Modells ausloten, so Volkswagen. Für diesen Zweck war die Außentemperatur mit fünf bis 15 Grad nicht optimal, aber zur Zeit der Versuchsfahrt (im Dezember) war es halt selbst am italienischen Stiefelabsatz nicht wärmer.
Der VW ID.7 Pro S war technisch im Serienzustand. Das heißt, er hatte eine Batterie mit 86 kWh Nettokapazität und die bekannte Permanentmagnet-Synchronmaschine mit 210 kW im Heck. Die WLTP-Reichweite liegt bei 709 km. Kein anderer Elektro-VW kommt auch nur annähernd so weit - wenn man vom Tourer mit dem gleichen Akku absieht.
In Nardò schaffte das Auto 941 km, also 232 km oder 32,7 Prozent mehr als nach Norm. Zurückzuführen ist das wohl auf die wenigen Beschleunigungsphasen und den geringen Luftwiderstand bei 29 km/h. Der Durchschnittsverbrauch lag bei lediglich 9,2 kWh/100 km, wie auch das obig Touchscreen-Foto anzeigt. Mit dem WLTP-Normwert kann man diese Bordcomputer-Zahl nicht vergleichen, denn darin sind immer auch die Ladeverluste eingeschlossen, die bei einem Elektroauto oft im Bereich von 10 Prozent liegen.
Umgerechnet in Diesel entspreche das Ergebnis etwa einem Liter pro 100 km, so die VW-Pressemeldung. Ein Seitenhieb in Richtung von Mercedes? Die Sternmarke hatte ihren CLA kürzlich als Ein-Liter-Auto der Elektromobilität bezeichnet. Dee Mittelklasse-Limousine soll übrigens 750 km nach Norm schaffen, also etwa 40 km mehr als der VW ID.7. Ansonsten liegt der VW in der Tat sehr gut: Er gehört derzeit zu den fünf reichweitenstärksten Elektroautos auf dem Markt.
Der Normverbrauch des ID. 7 Pro S wird im Konfigurator mit 14,0 kWh/100 km angegeben, in der Pressemeldung spricht VW von 13,6 kWh bis 16,2 kWh. Legt man 13,6 kWh zugrunde, dann landet das Auto bei den sparsamsten Elektroautos auf einem geteilten Platz vier. Sparsamer im Segment sind noch der Lucid Air Pure (13,0 kWh) und das Tesla Model 3 RWD (13,2 kWh).
Unter dem Strich
941 Kilometer: Nein, das ist nicht die Normreichweite des Lucid Air, der schafft 960 km. Es ist das Ergebnis eines Rekordversuchs mit dem VW ID.7. Offenbar mussten vier Fahrerinnen oder Fahrer jeweils acht Sunden lang im Kreis fahren - bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 29 km/h. Zeit genug, sich den Kopf zu zerbrechen, welchen Sinn das Ganze hat. Möglicherweise lag der darin, dem ebenfalls etwas prahlerischen "Ein-Liter-Auto der Elektromobilität" von Mercedes etwas entgegenzusetzen. Marketing halt ...