Der knuffige Wolfsburger mutiert als Performance-Modell zur Wuchtbrumme. Braucht man das?
Als Alfred Haesner 1948 mit seinen Entwürfen zum T1 auf Basis der Vorschläge von Ben Pon begann, konnte er die Folgen seine Entwurfs wohl nur bedingt absehen. Sollte doch in den frühen Nachkriegsjahren einfach nur auf Basis des VW Käfers ein Fahrzeug mit einer Zuladung von 750 kg geschaffen werden.
76 Jahre später steht eine vollelektrische Sportversion der neu interpretierten Lastenknutschkugel mit 340 PS vor der Tür. Wir haben über das letzte dreiviertel Jahrhundert also mal eben Wasserkisten und Hippies aus dem Bus geschmissen, den Antrieb erst von hinten nach vorne gewechselt und dann Jahre später gänzlich gegen einen elektrischen eingetauscht. Und jetzt steht der knuffig dreinblickende VW ID. Buzz GTX an der Ampel und ärgert zu meiner Belustigung den örtlichen M4-Fahrer. Danke Herr Haesner! Ihre Zuladungsauflagen hält der hier jedoch nicht mehr ein.
6,5 Sekunden braucht der Lifestyle-Bus von 0-100 km/h. Keine Rakete, aber offensichtlich genug, um manchen Verkehrsteilnehmer in seiner Ehre zu kränken. So sehr, dass an allen folgenden Ampeln nur noch Vollgas gegeben wird. Natürlich ohne mich, ich hatte die zwischenzeitlich auslaufende Spur ja schon gewechselt.
Der ID. Buzz GTX ist der "stärkste Serien-Bulli aller Zeiten". Mit seinem 4Motion-Antrieb und 550 Nm Drehmoment sozusagen die Krone der Buzz-Schöpfung. Doch es ist nicht bloß die Beschleunigung, die meine Mitfahrenden und sonstige Verkehrsteilnehmer im und neben dem ID. Buzz zu spontanen Gefühlsausbrüchen verleitet.
Schnelle DatenVW ID. Buzz GTX (langer Radstand)AntriebAsynchronmaschine (Front), Permanentmagnet-Synchronmaschine (Heck) / AllradantriebLeistung / max. Drehmoment250 kW (340 PS) / 550 Nm0-100 km/h6,5 SekundenHöchstgeschwindigkeit160 km/h (abgeregelt)WLTP-Stromverbrauch19,2 - 24,0 kWh/100 kmTestverbrauch25,4 kWh/100 kmAkku (netto)86 kWhWTLP-Reichweite396 - 472 kmMax. Ladeleistung200 kW10 auf 80 Prozent30 MinutenPreisab 78.186 Euro
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Es ist sein verspieltes Äußeres, wegen dem sich Menschen auf den Gehwegen nach ihm Umdrehen, mir ein fröhliches Grinsen entgegen werfen, mich an der Ladestation aufgeregt fragen: "Und? Wie isser?" Es ist sein charmanter Blick, den er einem beim Austeigen hinterher wirft, als wolle er sagen: komm bald wieder, Kumpel.
Der VW ID. Buzz GTX ist ein Buddy-Typ. Wäre er ein Hund, wäre er wahrscheinlich ein Labrador: freundlich, charmant, kontaktfreudig, immerzu um Aufmerksamkeit bemüht, verspielt, aufgekratzt und ... leider auch sehr verfressen (dazu aber später mehr).
Durch diesen treudoofen Blick ist es auch gar nicht schlimm, dass sich VW nicht für eine neue Version der ikonischen Rundscheinwerfer entschieden hat, sondern für das bewährte ID-Gesicht. Denn mit der schmalen Scheinwerfer-Silhouette, der dicken VW-Nase in der Mitte und dem leichten Unterbiss ist der Buzz ein freundlicher Grinsebert. Verspielte Details wechseln sich ab mit klaren Linien. Diese Grund-DNA wird ihm äußerlich auch nicht von diversen GTX-Anpassungen genommen.
Vielmehr wirkt er durch die großen Felgen, die vorderen Lufteinlässe im Gitterdesign und die zweifarbige GTX-Lackierung eher so, als hätte er verdammt viel Bock zu spielen. Wohl einer der kräftigeren Labradoren. Durch den langen Radstand werden zudem die Schiebetüren größer und lassen damit einen komfortableren Eintritt in den Fond zu. Der lange Radstand schafft Raum für die 86 kWh fassende, größere Batterie.
Während der ID. Buzz durch verspielte Designdetails außen an Sympathiepunkten gewinnt, verspielt er einige davon im Innern durch übermäßige Wolfsburger Nüchternheit. Zwar wird hier mit diversen GTX-Logos auf Lenkrad und Sitzen die Performance zelebriert, der markante zwinkernde Clip-Emoji in der Türtafel fehlt jedoch beispielsweise. Die Pedalerie im Play/Pause-Design ist dem GTX jedoch glücklicherweise erhalten geblieben.
Die dunkle Polsterung mit roten Applikationen erinnert an sportliche GTI-Tage, könnte allerdings mehr Seitenhalt gebrauchen, wenn der Buzz mal flotter in die Kurve geworfen werden soll. Ansonsten bleibt das Gestühl auch auf langer Strecke komfortabel. Wer dennoch verspannt ist, kann zur aufpreispflichtigen Massagefunktion greifen und sich durchkneten lassen.
Im Gesamtbild stimmt die Materialqualität. Wer den Blick nach unten schweifen lässt, findet jedoch den Nutzfahrzeugursprung des Buzz in Form von leicht schwächelnden Hartplastikteilen. Gerade der klappbare Becherhalter unten am Cockpit und die variable Mittelkonsole wirken je nach Einstellung leicht instabil. Das induktiv ladende Smart-Phone-Fach ist für manches Telefon mit Hülle ein wenig zu schmal geraten.
Gelungen ist das 12,7 Zoll große überarbeite Infotainmentsystem. Klare Strukturen und flüssige Darstellungen sorgen für intuitive Menüführung. Maximal kommt der ID. Buzz mit Fünf-Zonen- Klimaautomatik. In der Testwagenversion sorgt ein Panoramadach für ausreichend Helligkeit im Innenraum.
AbmessungenVW ID. Buzz GTX (langer Radstand)Länge x Breite x Höhe4.962 x 1.985 x 1.907 mmRadstand3.239 mmGewicht2.779 kgZuladung531 kgKofferraumvolumen306 - 2.469 Liter (6- und 7-Sitzer)Anhängelast1.800 kg
Die Innenraumgestaltung im langen ID. Buzz ist äußerst variabel. Als Sechs- oder Siebensitzer hält er zwar schmale 306 Liter bereit, wer jedoch alle Sitze ausnutzt, sollte vermutlich nicht allzu viel einladen. Schmale 531 Kilo Zuladung sind gestattet. Reihe drei und zwei lassen sich zunächst umklappen.
Wer mehr Platz benötigt, kann die Sitze mit einem Handgriff komplett herausnehmen. So kommt der VW ID. Buzz im langen Radstand auf maximal 2.469 Liter Kofferraumvolumen. Damit lässt sich einiges schnell von A nach B transportieren.
Auch wenn die bereits zu Eingang beschriebenen Fahrwerte gerade in Elektrogefilden nurmehr ein müdes Lächeln hervorrufen: Im Zusammenhang mit einem 2,8-Tonnen-Gefährt, das aussieht wie Everybodys knuffiger Darling, wirkt das dennoch völlig paradox. Genau das kränkt offenbar auch die Ehre anderer Verkehrsteilnehmer und sorgt auf Seiten der Insassen für ungeahnte Lachkrämpfe. Selbst bei Automuffeln, wie meiner guten Freundin. Und damit zu einer Art Running Gag, der immerzu zelebriert werden muss.
Ohne Zweifel: Mit seiner tiefsitzenden Batterie, den 21-Zoll-Schluffen, Allradantrieb und dem Sportfahrwerk liegt der ID. Buzz GTX satt auf der Straße. Er lässt sich direkt handeln und auch mal flott in die Kurve werfen, ohne die Fassung zu verlieren. Jedoch eher Marke gutmütiger Sportabzeichenanwärter statt Usain-Bolt-Urkraft. Den erwartbaren Elektro-Kick gibt es nur im Sportmodus. Dann saust der schwere Bus ungestüm Richtung 100 km/h. Danach wird es zunehmend gemächlich, gerade ab 130 km/h. Bei 160 ist dann elektronisch ganz Schluss. Vermutlich gut so!
Hervorzuheben sind jedoch deutliche Unterschiede im Fahrprofil. Während im Sport-Modus noch einiges geht, regelt der ID. Buzz im Eco-Modus runter. Spitzengeschwindigkeit ist hier 130 km/h, die Beschleunigung wird zusätzlich runtergeregelt und auch vor Kurven verzögert der Lifestylesportler deutlicher. Wo sich Fahrprofile sonst nur um Nuancen unterscheiden, eine erfrischende Abwechslung.
Pures One-Pedal-Driving gibt es hingegen nicht. Zwar kann über die B-Stufe kräftiger rekuperiert werden, zum alleinigen Stillstand kommt der GTX jedoch nie. Zudem wirkt sich hier der Übergang von Rekuperation auf Bremse etwas zu aggressiv aus und sorgt damit zuweilen für das ein oder andere negative Kopfnicken.
Wer schnell fährt, muss schnell und häufig laden. 2,8 Tonnen wollen erst einmal in Schwung gebracht werden. Die versprochenen 19,2 bis 24,0 kWh auf 100 Kilometern vergessen Sie besser ganz schnell. Die gelangen mir im Test genau einmal: auf einer dreistündigen Fahrt von Köln nach Bochum zum Herbstferienanfang. Wer das geografisch nicht ganz einordnen kann - das sind in etwa 85 Kilometer. Die nötige Durchschnittsgeschwindigkeit, um unter 20 kWh zu kommen, können Sie sich gerne selber ausrechnen. Das Play-Pedal sollte dafür maximal gestreichelt werden.
Im Schnitt lag der ID. Buzz inklusive dieser Fahrt bei 25,4 kWh. An kalten Oktobertagen im einstelligen Temperaturbereich zeigte der jeweilige Streckenverbrauch gerne etwas um die 30 kWh. Bedeutet: Die Schnellladesäule ist im GTX bei launiger Fahrt ihr bester Freund. VW gibt für die 86-kWh-Batterie des ID. Buzz eine maximale Ladeleistung von 200 kW an. In 26 Minuten soll so von zehn bis 80 Prozent geladen werden können. Mein erreichter Maximalwert an einem sonnigen Oktobertag betrug 199,6 kW - Versprechen gehalten. So geht es immerhin recht zügig weiter.
Wer zuhause lädt, kann den GTX dank bidirektionalem Laden als externen Speicher nutzen und somit zusätzliche Energie einspeisen, wenn sie gebraucht wird. Dazu kann eine Mindestladung eingestellt werden, sodass der dicke Brummer immer genug Saft bereit hält, um die nächste Spritztour zu starten.
Los geht der VW-ID.-Buzz-GTX-Spaß beim Fünfsitzer mit kurzem Radstand für 73.101 Euro. Der von uns getestete ID. Buzz GTX mit langem Radstand startet bei 74.928 Euro. Zum Vergleich: Die Standard-Version Pure geht bei 54.127 Euro los, der im Sommer eingeführte Freestyle mit unlackierten Stoßfängern ist bereits für 49.997 Euro zu haben.
Wer die zweifarbige Lackierung, 21-Zoll-Felgen, Panoramadach, Infotainment- und Komfortaufwertungen sein Eigen nennen will, landet, wie im Falle unseres Testwagens, schnell bei über 90.000 Euro - ja, für einen VW Bus! Doch Vergleichbares gibt es in diesem Elektro-Lifestyle-Van-Segment nicht. Wer die Trends setzt, bestimmt den Preis. Am ehesten tritt noch ein Ford Transit Tourneo Custom mit 210 kW in Konkurrenz, der mit 75.327 Euro in ähnlichen Regionen startet.
Wer einfach nur viel Platz braucht, sollte auf große Leistungszahlen und Lifestyle-Designs verzichten, kommt dann aber beispielsweise mit einem Mercedes eVito Van-mäßig schon in 45.000er Gefilde.
Braucht man also einen aufgepumpten ID. Buzz? Nein, denn Verbrauch und die zum Teil gelieferte Innenraumqualität sind einen Preis von mindestens 75.327 Euro nicht wert. Zudem verliert das possierliche Elektrotierchen in der GTX-Version ein wenig von seinem markanten, verspielten Charme. Haesner wäre mit diesem Konzept damals vermutlich krachend gescheitert.
Aber wer hat bei einer sportlichen Variante jemals rational gedacht? Wer mit seinem Familien- und Transportbegleiter Spaß haben will, individueller unterwegs sein möchte und das ein oder andere Mal dem Show-off-Effekt fröhnt, der ist beim VW ID. Buzz GTX sowas von richtig. Zudem bietet die kräftigste Anhängelast in der Buzz-Familie weitere Möglichkeiten der Nutzung. Schade nur, dass es den GTX nur in gedeckten Farben gibt. Ein sonnengelb-weißer ID. Buzz würde den Show-off-Effekt noch einmal verstärken.