180 PS, Frontantrieb und die Leichtigkeit vergangener Tage
Also irgendwie ... ich weiß auch nicht. Früher hätte ich ihn ja mit dem Allerwertesten nicht angeschaut. Ein furchtbar biederes Teil war er. Aber heute gefällt er mir schon so ein bisschen. Vielleicht sogar mehr als ein bisschen. Und nicht nur, weil er so ein sachlicher, aber doch irgendwie attraktiver Bursch ist mit seinem ernsten Blick und der nur leicht aufgeplusterten, aber recht zeitlosen Frontschürze.
Auf jeden Fall ist er sehr gut gealtert. Wie die meisten Skoda aus dieser Zeit. Aber nicht nur deswegen hab ich mich recht diebisch gefreut als die Tschechen in ihrer jüngsten Einladung zum Fahrtermin ankündigten, man könne dort auch den allerersten Octavia RS fahren. Wie sich die Bude heute wohl so anfühlt? 21 Jahre später ...
Mei, seien wir ehrlich: Auch wenn es das Biestigste war, was Skoda bis dato vom Stapel gelassen hat - so richtig aufregend liest sich die Spec List des ersten RS der Volkswagen-Ära jetzt auch nicht gerade. Den Einsachter-Turbo quetschte man Anfang der Zwotausender ja nun wirklich in alles rein, was nicht bei Drei auf dem Baum war.
Seinen Zenit erreichte der Performance-Motor für die Massen 2005 im Audi TT quattro sport. Dort entlockte man ihm fuchsteufelswilde 240 PS und 320 Nm (im Tuningbereich waren 400 PS und mehr an der Tagesordnung - nur mal so, damit Sie's auch gehört haben). Sie können sich also vorstellen, dass die 180 PS und 235 Nm des Octavia RS unter all den Ausbaustufen jetzt eher die gemütliche Bingo-Runde im Altenheim war.
Zugegeben, ganz so schal geht das Aggregat natürlich nicht zu Werke. Verglichen mit heutigen Hot Hatches (und nichts anderes war der RS anno 2001, trotz seines länglich-stufigen Leibs) fühlt sich der gute 1,8er-Turbo allerdings gar nicht mal so schnell an. Also überhaupt nicht.
Alles halb so wild, werfe ich zur Beruhigung direkt hinterher. Denn Krawall gehört nun wahrlich nicht zu den bevorzugten Charaktereigenschaften dieses Autos. Der Einsachter meidet jegliche Kante und dreht sehr sehr gleichmäßig hoch. Turboloch? Fehlanzeige! Die Leistungsabgabe ist ein gleichbleibender Schwall, nur ohne all zu viel Schwall. Drehfreude sucht man weitgehend vergeblich. Immerhin klingt er nicht angestrengt.
Er macht halt einfach. Recht stoisch. Die Fahrleistungen unterstreichen das. 0-100 km/h in 7,9 Sekunden waren vor 20 Jahren alles andere als verkehrt, heute sind die meisten Kompaktsportler zwei Sekunden schneller. Die 235 km/h Höchstgeschwindigkeit hingegen beeindrucken auch jetzt noch. Hurtiger Familien-Reisewagen statt giftige Kurvenfräse, das kommt einem da doch direkt in den Sinn.
Interessant: Wie bei der ersten Generation des Skoda Fabia RS, die wir vor kurzem in Beschlag nehmen durften ist auch hier das Schaltgetriebe bedeutend besser als gedacht. Die 5-Gang-Box ist eigentlich recht sauber geführt, überzeugte im Testwagen jedoch zusätzlich mit einer kleinen, schroffen Kante beim Einklicken in die Gasse, die etwas willkommenen Charakter gab. Inwieweit das tatsächlich mit der Auslegung des Getriebes oder dann doch eher mit den 180.000 Kilometern meines Octavia RS zu tun hatte, sei mal dahingestellt.
Und wie sieht's in Sachen Handling aus? Den illustren Buchstaben würdig oder doch eher ein bräsiges Wasauchimmer? Mit dem Wissen, zu was heutige Kompaktsportler fähig sind, muss man zwangsweise zu letzterem tendieren. Das soll jedoch in keinster Weise bedeuten, dass man mit dem guten alten Sport-Octavia keinen Spaß haben kann.
Früher war vielleicht nicht alles besser, aber es war ganz sicher nicht so perfekt und das ist ein hervorragender Ausgangspunkt für Unterhaltung. Wie jetzt, bei einem 2001er-Octavia? Was soll da unterhalten? Nun, in erster Linie ist sein Fahrwerk ziemlich unspektakulär. Allerdings darf sich das Auto halt noch wesentlich mehr bewegen als heute. Zudem mangelt es herrlich an Präzision und Lenkgenauigkeit. Weit weg (im Positiven) von einem Auto aus den 1980ern oder Anfang-1990ern, aber die Mittellage ist schon beträchtlich undefiniert.
Im Gesamten ist das eine Mischung, die mehr Laune macht, als vermutet. Man kratzt schon bei vergleichsweise niedrigen Geschwindigkeiten am Türchen zum Limit. Was - so ehrlich sollte ich sein - auch an den montierten Nexen-Winterreifen liegen könnte. Diesen Umstand nutzt man nach kurzer Eingewöhnung nur zu gerne aus und feuert die Limousine ungeniert und -gehobelt in die Ecken. Dennoch ist das Auto so gutmütig und sicher ausgelegt, dass man nie die Flatter bekommt. Die Folge: Ein Fahrverhalten, das keine Tempo-Rekorde einheimst, aber sehr unkompliziert Freude bringt.
Innen könnte man sich freilich ein wenig wohler fühlen. Die Sitzposition ist relativ hoch und das Gestühl eher mittelmäßig. Der zweifarbige Leder-Alcantara-Mix war damals natürlich der letzte sportliche Schrei und nur beim RS erhältlich. Das Platzangebot vorne wirkt aber auch im Hier und Jetzt noch mehr als vernünftig. Trotz einer inzwischen zwergigen Breite von 1,73 Meter. Überlegen Sie mal, der aktuelle Octavia misst satte zehn Zentimeter mehr.
Beim Platzangebot im Fond sieht es weniger gut aus. Hinten war nie so richtig die Stärke von Octavia Nummer Eins. Dafür hat er einen Kofferraum in dem man vermutlich ständig Dinge verliert. Einfach aufgrund der schieren Größe.
Fürs Facelift ab 2000 hat man das Cockpit qualitativ aufgebrezelt. Von dem eines Golf 4 ist es kaum zu unterscheiden. Da gibt es sicher schlechtere Nachrichten. Verziert wurde beim RS-Modell unter anderem mit einem perforierten Lederlenkrad, Alu-Pedalerie und Alcantara in den Türtafeln. Viel zu bedienen gibt es nicht und das ist äußerst angenehm. Vor allem, wenn man sich vor Augen führt, wie das aktuell beim Volkswagen-Konzern aussieht.
Der absolute Langweiler unter den schnellen Kompakten hat beim Wiedersehen verblüffend viel Spaß bereitet. Wie das immer so ist, verklärt man das Vergangene ja immer ein wenig, aber das ist mir in diesem Fall mal wieder herzlich egal.
Ja, der Antrieb ist nicht der Aufregendste. Ja, das Fahrverhalten ist ein wenig schwammig und ausgelutscht. Aber wie das eben oft so ist mit den leicht ergrauten Fahrzeugen: Sie sind unkompliziert in der Handhabung und bieten leicht zugängliche Fahrfreude. Und als flottes, grundsolides Reiseauto taugt der Bock auch heute noch.
Damals (2002) übrigens ab 24.890 Euro (den D-Mark-Preis im ersten Produktionsjahr konnten wir auf die Schnelle leider nicht ausfindig machen), was nicht so nach Sparpreis klingt, wie man es vielleicht vermutet hätte. Zum Vergleich: Ein Golf 4 R32 mit 241-PS-Sechszylinder und Allradantrieb lag zur gleichen Zeit bei 31.950 Euro.
Ob das ein Grund für die eher enttäuschenden Verkaufszahlen der ersten Octavia-RS-Generation war, ist nachträglich schwer zu sagen. An den Qualitäten des Gefährts kann es eigentlich nicht gelegen haben. Allerdings verkaufte man insgesamt nur 17.600 Exemplare. Bei einem Gesamtvolumen der Baureihe von beinahe 1,5 Millionen ein verschwindend geringer Prozentsatz.
Aktuell liegt ein Octavia RS zwischen 3.500 und 8.000 Euro. Ein Klassiker wird er wohl nicht mehr, aber verlockend klingt das allemal.