Eigentlich ein Traum-Familienauto, aber zwei Punkte machen viel kaputt
Letztes Jahr wollte ein Freund noch einen der letzten neuen Golf 7 R Variant abgreifen. Ich konnte sein Ansinnen nur zu gut verstehen. Der 7er R hat fahrdynamisch mehr als positiv überrascht. Und die Addition eines langen Hecks zeigt den cool understatelnden Connaisseur nur umso deutlicher. Wer unter dem Radar fliegen will und zwar den meisten anderen auf und davon, der greift zum VaRiant.
Leider war das Auto schneller als erwartet nicht mehr lieferbar und man schlug ihm als Alternative einen T-Roc R vor. Er lehnte dankend ab. Crossover-Boom hin oder her, aber es gibt sehr wahrscheinlich nichts, also so gar nichts, was ein T-Roc R besser kann als ein Golf R Variant.
Und mit dem Modellwechsel dürften die Chancen für das SUV nicht unbedingt größer geworden sein. Als 8er hat der Kombi nochmal einen sauberen Wachstumsschub hingelegt, soll jetzt noch ein wenig mehr Platz für Ihre sämtlichen Lebewesen/Hobbies/Black-Friday-Exzesse bereithalten.
Wie das von uns bereits für sehr gut befundene Schrägheck tauscht auch der Variant den etwas muffigen Haldex-Allrad gegen die neue "In"-Lösung mit zwei Lamellenkupplungen an der Hinterachse. Dank derer können die nun liberaler heckwärts strömenden Kräfte auch zwischen den Hinterrädern hin und her jongliert werden.
Eine Folge dieses für VW-Verhältnisse fast schon anarchischen Allrad-Setups ist der unvermeidliche Drift-Mode. Und einen speziellen Nordschleife-Modus gibt es auch noch. Beide sind Bestandteil des Performance-Pakets, das obendrein 19-Zöller, 270 km/h Vmax und mehr Selbstbestimmung beim Schalten garantiert. 2.095 Euro, für die der Stammtisch (und ihre Kinder, falls sie noch zu jung für FFF sind) Sie vergöttern wird.
Lustigerweise verfügt der 80 Kilo schwerere Variant laut VW über eine ausgeglichenere Gewichtsverteilung und einen besseren cW-Wert als der fünftürige R. Dazu geht viel mehr hinten rein (611 bis 1.642 Liter). Und er kriegt erstmals eine Anhängerkupplung, mit der Sie bis zu 1.900 Kilo an den Haken nehmen können. Sie sehen schon, es wäre absolut fahrlässig, nicht den Kombi zu kaufen. Jetzt muss er nur noch halbwegs vernünftig fahren ...
Grundsätzlich sollte sich im Vergleich zum Golf R Hatchback, den wir im vergangenen Mai gegen den "kleinen Bruder" Golf GTI Clubsport aufgaloppieren ließen, ja nicht die Welt geändert haben. Aber die Voraussetzungen sind dieses Mal gänzlich anders. Der Hatch kam auf überklebrigen Michelin-Cup2-Pneus zu uns, knallte bei besten Bedingungen über herzerwärmende Eifellandstraßen und die noch viel herzerwärmendere Nordschleife.
Den R Variant hingegen empfingen wir bei novembrigstem Wetter auf Winterreifen. Und keine Eifel weit und breit. Dafür kann er natürlich nix und ehrlich gesagt bildet ein solches Szenario den Einsatzzweck des potenten Praktikers wohl deutlich besser ab. Aber der Unterschied im Handling war schon recht deutlich spürbar.
Wobei es sogar weniger das Handling an sich war, sondern eher das, was da so über Vorderräder und Lenkrad in die Finger funkte, während man das Auto durch die Gegend -ähm - "handelte". Auf den extremen Semislicks des Fünftürers funkte überraschend viel. Die Lenkung hatte wesentlich bessere Storys auf Lager als ich das sonst von VW kenne. Jetzt beim Variant fühlte es sich eher so ein bisschen nach "Verbindung temporär unterbrochen" an.
Das Auto lenkt sehr leicht und komfortabel ein (außer im Race-Modus, da wird es deutlich härter und an den Rändern zu kantig), wirft keinerlei Antriebseinflüsse ins Volant, lässt es mit den Winterreifen aber stark an Rückmeldung fehlen. Ich würde diesen Umstand dann tatsächlich auch umfänglich den Pneus mit der Flocke auf der Flanke in die Schuhe schieben. Schon irre, was das schwarze Gold für einen Einfluss hat.
Ansonsten macht auch der lange R seine Sache ziemlich hervorragend. Die elektronische Sperre und das Plus an Negativsturz vorne sind überaus erfolgreich in der Bekämpfung von Untersteuern. Grip ist sowieso im Übermaß vorhanden, das ist ja nichts Neues. Das frische Torque-Vectoring-Allradsetup massiert aber auch dem Variant jegliche Plumpheit und Frontlastigkeit aus den Waden. Das wirkt jetzt alles neutraler und agiler.
Nicht wirklich. Der EA888-Zweiliter-Vierzylinder (inzwischen sind wir bei Evolutionsstufe 4 angekommen) ist bewährt wie wohl kein zweiter Sportmotor auf diesem Planeten. 320 PS und 420 Nm Drehmoment darf er in diesem Fall von sich geben. Von 0-100 km/h vergehen mit 4,9 Sekunden zwar zwei Zehntel mehr als im Schrägheck, aber a) wen juckt's? und b) VW misst ohnehin recht konservativ. Dieser Golf ist schnell. Sehr.
Viel wichtiger jedoch: Absurde Anfahrschwächen und DSG-Ruckler spielen hier keine Rolle. In "Comfort" legt das Auto deutlich gemütlicher los als in "Sport" oder "Race", aber so lange man sich aussuchen kann, wie hart man in den Hintern getreten wird, ist ja alles gut.
Auch hier gilt wieder: Dieses Aggregat ist weder wadelbeißender Aggro bei Gaspedalinputs noch ausgewiesene Drehorgel, sondern einfach ein sehr stämmiges Durchzugsmonster, das ohne viel Tamtam brutal effektiv und leicht Vortrieb erzeugt. Die Doppelkupplung gefällt im Alltag mit schnellen und weichen Schaltvorgängen. Und wenn Sie erwähntes Performance-Paket gebucht haben, dann spuckt Ihnen das Ding auch nicht eigenmächtig in die Suppe. Soll heißen: Sie entscheiden, wie weit Sie den Gang ausdrehen wollen und nicht der kleine Mann in der Getriebeelektronik. Es ist ein erster Schritt. Dass man dafür Aufpreis bezahlen muss, ist trotzdem seltsam.
Die Schaltpaddles sind - anders als im GTI und GTI Clubsport - endlich groß genug, wirken in ihrer Anmutung jedoch wie aus dem 3D-Drucker-Heimset für Kinder von 6-10.
Das würde ich größtenteils bejahen. Selbst auf Winterreifen merkt man, dass er fahrdynamisch jetzt freier durchatmen darf, weniger restriktiv ist und dadurch mehr Spaß macht. Positiv ist auch, dass er dabei mit den Rücken und Hintern der Insassen bemerkenswert pfleglich umgeht. Nur im Race-Modus oder wenn man den Dämpfer-Balken im entsprechenden Menü komplett auf Rodeo (also ganz nach rechts) dreht, wird es hoppelig. Die 1.045 Euro für das Adaptiv-Fahrwerk mit seinem spürbar breiten Portfolio sind gut angelegtes Geld.
Es golfelt also auch im 8er R Variant, wie es golfiger gar nicht geht. Bei aller Leistung, Geschwindigkeit und topseriöser Dynamik muss man nämlich attestieren, dass auch er keiner ist für 180 Puls und das ganz große Adrenalin.
Dafür fehlen einfach die Punkte, an denen man sich so richtig schön reiben kann. Alle Kontrollen sind tendenziell leicht und angenehm, man wird von Fahrwerk, Lenkung, Sitzen, Sperrdiff und Co. niemals in die Mangel genommen. Aber hey, wenn Sie das wollen, kaufen Sie sich einen Honda Civic Type R oder einen Hyundai i30N und beschweren Sie sich danach bitte nicht, wenn Sie mal 500-600 Kilometer am Stück gefahren sind.
Wobei, ein Thema mit ordentlich Reibungspotenzial gibt es natürlich schon. Ich vermute, Sie ahnen, was jetzt kommt ...
Exakt. Der Golf 8 ist ja jetzt auch schon eine Weile auf dem Markt. Lange genug, so würde man meinen, um diesem Fiasko irgendwie ein Ende zu bereiten. Nie war ein Cockpit Ursache für mehr Schmäh-Berichte und allgemeine Unzufriedenheit. Und Zeit genug, sich daran zu gewöhnen, hatten wir inzwischen auch. Das wird nix mehr.
Ich bin ja jetzt auch schon ein paar Golf 8 gefahren. Unser WOB-GO 545 war mal wieder eines der weniger motivierten Exemplare. Das Infotainment ist dieses Mal immerhin nicht abgestürzt, aber die Ladezeiten, etwa bei der Navisuche, waren von epischem Ausmaß.
Dazu kommen die furchtbar fummelige, unbeleuchtete Klimabedienung und diese unsäglichen Touchflächen am Lenkrad, die gefühlt nur dann reagieren, wenn man es gerade gar nicht gebrauchen kann. Gerade, wenn man mal ambitionierter fährt, kommt man ständig mit dem Handballen dagegen und verstellt irgendwas. Bei einem Performance-Modell wie dem R ist das nicht gut.
Wir haben gerade ein Polo Facelift in der Redaktion. Dort wurde auch modernisiert, aber nicht mit dem Holzhammer, sondern vernünftig. Konventionelle Taster am Volant, deutlich besser gestaltete haptische Flächen für die Klimaeinstellung - es geht also.
Sehr gut immerhin: Die digitalen Instrumente und das 700 Euro teure Head-up-Display.
Alles, was am Lenkrad nicht schwarz lackiert ist, greift sich sehr angenehm und die Sitzposition ist top. Allerdings mangelt es den Sportsitzen auf der Sitzfläche an Halt. Bei den Stoffsitzen des GTI Clubsport war das zuletzt deutlich besser, obwohl es sich um den gleichen Stuhl handelt. Vermutlich liegt es am 2.895 Euro teuren Lederpaket, also vor dem Kauf lieber mal probesitzen, bevor die rutschigere Tierhaut auf den Bestellbogen wandert.
Der Platz im Fond ist in Ordnung. Man merkt allerdings schon, dass die Extra-Zentimeter bei Karosse und Radstand eher in die Optimierung des Kofferraumvolumens geflossen sind. Zudem schränkt das riesige Panorama-Schiebedach die Kopffreiheit ein. Mit meinen 1,85 Meter stieß ich oben seitlich an.
Wer bei jeder Fahrt jeden Kieselstein (und jeden Wirbel seines Rückgrats) spüren und hart ackern will, damit sich was rührt, der ist hier sicher an der falschen Adresse. Der neue Golf R Variant ist zweifelsfrei ein seriöses Performance-Auto, pflegt aber eher die subtile Gangart.
Der neue Allrad bringt auch hier die richtige Art von Schwung in die Bude, alles in allem überwiegt jedoch das superschnelle, mühelose, traktionsstarke, etwas funkenfreie Vorankommen. Gepaart mit diesem Raumangebot und der aussterbenden Lässigkeit seiner Karosserieform ist der R eigentlich ein Familienauto, dem schwer zu widerstehen ist.
Wären da nicht die unterdurchschnittliche Bedienbarkeit und ein horrender Testwagenpreis von nahezu 70.000 Euro, wäre die Bewertung höher ausgefallen.