Überzeugt die Neuauflage der Limousine auch als Mildhybrid-Benziner?
Ich sage es ja nur ungern. Aber mit hoher Wahrscheinlichkeit ist die neue Baureihe 206 von Mercedes die wohl letzte C-Klasse mit Verbrennungsmotor. Nimmt man den normalen Modellzyklus, wäre 2027 ein Nachfolger fällig, der dann EQC heißt und kein adipöses SUV ist. Stellt also die frisch vorgestellte C 300 4matic Limousine die Krone des klassischen Automobilbaus dar? Zeit für einen ausführlichen Test!
Da gerade das Wort "adipös" fiel: Auf den ersten Blick wirkt die neue C-Klasse gar nicht so neu. Ist das nicht doch irgendwie der Vorgänger? Zu diesem Eindruck trägt das ziemlich kantenlose Design bei. Gerade die Limousine wirkt auf mich langweilig-rundgelutscht und erinnert am Heck an die Alfa Romeo Giulia. Aber das ist Geschmackssache. Die harten Fakten sagen: Neue MRA-II-Plattform für Hinterrad- und Allradantrieb wie bei der aktuellen S-Klasse.
Gut 6,5 Zentimeter länger als der Vorgänger ist die neue C-Klasse und mit 4,75 Meter schon nahe an einstigem E-Klasse-Format. Der Radstand wuchs um 2,5 Zentimeter auf jetzt 2,86 Meter. Um es vorwegzunehmen: Dadurch lässt es sich im Fond der Limousine vortrefflich logieren, einzig die flache Dachführung kratzt am Skalp.
Gleich geblieben ist das Kofferraumvolumen von 455 Liter, dank größerer Öffnung lässt sich der Gepäckraum jetzt besser füllen. Nicht so der Tank: 66 Liter waren es früher, nun nur 50. Wer ein größeres Reservoir möchte, zahlt rund 60 Euro extra.
Jetzt aber hereinspaziert ins Lichtspielhaus Mercedes-Palast. Man muss so ausdrücken, denn das Cockpit und vor allem die riesige Mittelkonsole haben Kino-Format. Hier mutiert die neue C-Klasse tatsächlich zur kleinen C-Klasse. Ob das gut oder schlecht ist, sollte jeder Interessent unbedingt selbst ausprobieren. Wenn man bedenkt, wie Mercedes noch in den 1980er-Jahren über die "Mäusekinos" der Konkurrenz spottete ...
Aus meiner Sicht läuft zu vieles über den an sich hübsch integrierten Zentral-Touchscreen. Klar, Mercedes bietet eine fähige Sprachsteuerung. Aber man tippt eben doch desöfteren mal zur Klimatisierung oder Radioeinstellung auf den Bildschirm. Einige Direktwahltasten erleichtern die Bedienung, doch im Zweifelsfall ist weniger mehr. Soll heißen: In der Basisversion des C ist der Touchscreen kleiner und es gibt ein separiertes Bedienfeld für die Klimatisierung.
Und da ich schon beim Meckern bin: Beim Lenkrad mit seinem Kranz im Fleischwurst-Format und den vielen Touch-Tasten sehe ich keinen Fortschritt. Oft fehlt in den Fingern das Feingefühl, obwohl die meinigen kein Fleischwurst-Format haben. Unser Testwagen war ziemlich reichhaltig ausgestattet, aber ob man ein "Energizing-Paket", welches mit Ambiente-Licht und Einsatz der Sitzheizung für die richtige Stimmung sorgt, wirklich braucht?
Ich finde, nein. Denn all das lenkt von den vorhandenen Qualitäten des C 300 4matic ab. (Na gut, das geniale Burmester-Surround-Soundsystem sollte man sich schon gönnen.)
Besonders beim Komfort spielt die neue C-Klasse auch mit 19-Zoll-Bereifung ganz oben mit. Fahrwerk wie Lenkung sind hervorragend austariert, die optionale Hinterachslenkung wirkt jedoch etwas zu direkt. Auch hier gilt also: Kann man haben, muss man aber nicht.
Auf der Autobahn bleibt der 258 PS starke 2,0-Liter-Turbobenziner auch bei hohen Tempi angenehm leise, dafür sorgt die serienmäßige Neungang-Automatik. Es sei denn, man möchte flott überholen und drückt kurz aufs Gaspedal. Gleiches gilt auch beim kraftvollen Ampelstart. Hier vermisst man Kraft aus dem Keller. Der Motor wird laut und gönnt sich eine Gedenksekunde, ehe er aus den Puschen kommt.
Das erstaunt, schließlich sorgt 48-Volt-Technik für einen Zusatz-Boost von 15 kW (20 PS) und satten 200 Newtonmeter. Insgesamt 400 Nm stehen zur Verfügung, aber erst ab 2.000 Umdrehungen, was das Ansprechverhalten ein wenig erklärt. Es bleibt dabei: Hubraum ist nur schwer zu ersetzen.
Punktet der Elektro-Zusatz beim Verbrauch? Ja, zumal wir den C 300 flott bewegt haben. Im Schnitt kamen wir auf 8,4 Liter pro 100 Kilometer, Mercedes nennt 7,0 bis 7,9 Liter nach WLTP. Eine Sieben vor dem Komma sollte machbar sein, angesichts eines Benziners mit 258 PS Leistung sind aber selbst die 8,4 Liter noch absolut fair.
50.272 Euro kostet der Mercedes C 300 4matic mit akzeptabler, aber nicht unbedingt üppiger Serienausstattung. Sich über hohe Preise aufzuregen, wäre ein altbekanntes Lied, viele C-Klassen laufen sowieso über gewerbliches Leasing. Aber wer die Preisliste ausreizt, kann wie bei unserem Testwagen über 75.000 Euro auf dem Zettel stehen haben.
Die neue Mercedes C-Klasse ist gut geworden. Besonders im Kapitel Fahrkomfort wird es schwer, ihr das Wasser zu reichen. Mit optionaler Hinterachslenkung kommen sportliche Gefühle auf. Hingegen könnte der Motor im C 300 souveräner agieren. Und bei mancher Innenraumlösung war mein Gefühl: Die Ingenieure mussten zwanghaft etwas Neues entwickeln, um den Neuheitenwert der Baureihe 206 zu rechtfertigen. Eine Verbesserung ist aber nicht immer auszumachen. Am Bestseller-Status der C-Klasse werden diese Punkte kaum etwas ändern.