Nicht der wildeste Hund, aber eine Art Best-of-Compilation
Ich muss zugeben, es hat eine Weile gedauert, bis wir den Hyundai i20 N in die Finger bekommen haben. Und die Vorfreude schrägstich Erwartungshaltung war ziemlich gewaltig. Schuld ist der große Bruder i30 N, der 2017 mit einem gehörigen Knall aufschlug und die Erwartungen mehr als nur erfüllte. Sowohl fahrdynamisch für die Fans, als auch für Hyundai, was die Verkaufszahlen betrifft.
Jetzt also Hyundai Hot Hatch Nummer Zwei. Und der i20 N ist auch aus einem anderen Grund sehr interessant. Er brettert ja volle Kanne in ein Segment, das die meisten anderen Hersteller inzwischen erleichtert links liegen gelassen haben. Zu viel Entwicklungsaufwand für zu wenig Marge. Und als Platzhirsch ein Fiesta ST, der mit seinem rotzfrechen Talentüberschuss sowieso kaum zu schlagen scheint. Renault macht keinen Clio R.S. mehr. Der VW Polo GTI ist eher schnell als spaßig. Und wer heutzutage einen gaudiösen Mini will, der muss 50.000 Euro ausgeben.
Dass die größte Hoffnung auf einen vernünftigen Fiesta-Konkurrenten inzwischen aus Südkorea kommt, zeigt, wie viel Hyundai mittlerweile richtig macht. Und auch hier scheinen die Grundzutaten zu stimmen. Der i20 N kommt mit einem 1,6-Liter-Vierzylinder-Turbo, dessen 204 PS und 275 Nm Drehmoment (kurzzeitig bis zu 304 Nm) per Sechsgang-Schaltgetriebe auf die Vorderräder losgelassen werden. Im Falle unseres Testwagens, der das 2.000 Euro teure Performance-Paket an Bord hatte, kommt auch noch ein Torsen-Vorderachs-Sperrdifferenzial zum Einsatz.
26.990 Euro kostet der Spaß dann. Der vollausgestattete Tester brachte es auf 29.700 Euro. Klingt heftig, aber ein vergleichbar ausgerüsteter Fiesta ST ist auch nicht günstiger.
Laut Hyundai holt sich der i20 N seine Inspiration vom i20 WRC Rallyeauto. Natürlich tut er das, wäre ja dumm, wenn man die Marketing-Werkzeuge nicht bis zum letzten Tropfen auswringt. In Echt beschränken sich die Gemeinsamkeiten so ziemlich auf den Hubraum und das (vorbildlich niedrige) Gewicht von 1.190 Kilo. Der Fiesta wiegt über 70 Kilo mehr.
Achso ja, und natürlich kriegt man ihn im passenden Farbton Performance Blue, wenn man das will. Dazu kommen haufenweise roter Lippenstift, verrückt gezeichnete 18-Zöller, ein sehr rallye-esker Dachspoiler, ein dicker Diffusor und ein fettes Auspuffendrohr. Ob der i20 N wirklich schön ist, entscheiden Sie bitte selbst, aber wenn Hyundai irgendwo Hot Hatch draufschreibt, dann darf man das wenigstens noch sehen.
Weitere Unterschiede zu einem Brot-und-Butter-i20 sind die LED-Scheinwerfer, eine Tieferlegung um 10 Millimeter, größere Bremsen sowie - das kennen wir ja vom i30 N - ein gewaltiges Arsenal an einstellbaren Fahrmodi.
Mechanisch hat der N mit einem normalen i20 nicht mehr all zu viele Berührungspunkte. Der 1,6er-Turbo hat einen Ladeluftkühler und 350-bar-Einspritzung, das Getriebe wurde verstärkt und um eine Launch Control und Rev Matching erweitert. Das Chassis hat man an zwölf Punkten versteift und Stabis, Federn und Dämpfer sind neu. Dazu gibt es mehr Sturz an den Rädern, verstärkte vordere Lenkhebel und Achsschenkel mit angepasster Geometrie und natürlich besagte Vorderachs-Sperre.
Hyundai verspricht die 0-100 km/h in 6,7 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h. Klingt ziemlich gut? Finden wir auch. Jetzt muss es nur noch so fahren.
Ich würde vorschlagen, wir reden erst einmal über das, was in diesem Auto nicht ganz so wunderbar ist. Sie ahnen es, es geht um den Motor. War ja beim i30 N irgendwie auch schon das schwächste Glied einer sehr robusten Kette.
Der Einssechser ist mitnichten ein Rohrkrepierer, aber man wird das Gefühl nicht los, dass er in seinem normalen Leben eher in normaleren Autos steckt und das stimmt ja auch irgendwie (Kia Ceed GT zum Beispiel). Wie er sein Drehmoment abliefert, ist gar nicht verkehrt. Ein schönes Plateau zwischen 1.750 und 4.000 Touren. Er schiebt auch ganz passabel an, am besten so zwischen dreieinhalb- und fünfeinhalbtausend U/min. Danach geht im etwas die Luft aus.
Ich vermute, es könnte auch damit zu tun haben, dass der Fiesta ST so einen wilden, völlig ungezügelten Chaoten von einem Dreizylinder unter der Haube hat. Im Vergleich fehlt es der Maschine des i20 N einfach an Energie und Lebensfreude.
Es fühlt sich an, als hätten alle beweglichen Teile des Motors ein wenig Übergewicht. Drehen Sie ihn mal im Stand hoch - die Nadel klettert nicht so schnell nach oben und braucht auch ewig, bis sie wieder unten ist.
Natürlich ist der N schnell und wenn man ihn tritt, geht es auch sehr ordentlich vorwärts. Sprich: in den meisten anderen Autos wäre man wohl überaus zufrieden. Aber in einem sonst so extrem auf Performance und Spaß ausgelegten Gefährt wünscht man sich einfach ein wenig mehr Biss und Enthusiasmus. Die Reaktionsschnelligkeit des Motors kann einfach nicht ganz mit der des Chassis mithalten.
Der i20 N ist durchaus für Schabernack zu haben, hebt in der Kurve auch mal das Hinterbein an.
Die manuelle 6-Gang-Box aber ist ein überaus feines Stück Schaltung. Klare, befriedigende Einrastpunkte, gutes Gewicht, schön kurze Führung. Klangtechnisch hat man ebenfalls sehr ordentlich gearbeitet. Wer keine Lust auf infantiles Auspuff-Gepöbel hat, kriegt per Knopfdruck seine Ruhe. Aber die Hyundai Ns haben inzwischen eine gewisse Reputation für astreine Klang-Eskalation und auch wenn einiges davon künstlich eingespielt wird - sind die Auspuffklappen scharf, brabbelt und knallt es schon gewaltig.
Neben seinem famosen Dreizylinder überzeugt der Fiesta ST ja vor allem damit, wie absurd lebendig und verschmitzt er sich in Kurven schmeißt. Er zeigt durchaus ein wenig Karosserieneigung, fühlt sich aber unheimlich leichtfüßig und beweglich an. Der i20 N wählt hier einen seriöseren Ansatz.
Sein Fahrwerk wirkt etwas straffer, ernsthafter, er saugt sich mehr am Boden fest, hat die bessere Körperkontrolle. Während eine Kurve den Ford nur halbwegs schief anschauen muss, damit er sein Heck zur Seite wirft, bleibt der Hyundai auch unter Provokation relativ brav.
Allerdings ist das auch nur die halbe Wahrheit. Ich musste richtig lachen, als ich die Videoaufnahmen des Kollegen Hohmeyer durchschaute, denn der i20 N ist durchaus für Schabernack zu haben, hebt in der Kurve auch mal das Hinterbein an, man merkt es nur nicht so.
Ist das schlecht? Überhaupt gar nicht. Ganz im Gegenteil. Denn wo der Fiesta mit viel zu engen Sitzen, grotesken Rückstellkräften der arg künstlichen Lenkung und einem generell wenig erwachsenen Fahrgefühl daherkommt, ist der Hyundai das rundere, geschliffenere Produkt.
Sein Vorderachs-Diff ist schon relativ aggressiv eingestellt und zieht dich vortrefflich aus der Biegung, aber die Lenkung ist deutlich angenehmer (wenn auch nicht der letzte Schrei in Sachen Feedback), schlägt nicht so zurück. Die Traktion ist wirklich beeindruckend, das Diff daher für mich Pflicht.
Und insgesamt würde ich den i20 N durchaus eher auf der Rennstrecke sehen als den Fiesta. Leider war ein kleiner Ausflug auf die Nordschleife aus versicherungstechnischen Gründen nicht zu machen. Kommt schon Hyundai, ihr habt doch dort sogar ein Entwicklungszentrum. Naja, vielleicht beim nächsten Mal.
Dass so viel Kontrolle und Kurvenstaubgesauge in einem relativ kleinen Paket nicht ohne gewisse Einschränkungen machbar ist, dürfte aber auch klar sein. Will heißen: Der i20 N ist in puncto Federungskomfort ein ziemlich erbarmungsloser Geselle. Vor allem, wenn man langsamer fährt, durch die Stadt rollt et cetera. Die Dämpfer sind passiv, daher ändert sich hier auch nichts, wenn man mit den zahlreichen Fahrmodi spielt.
Apropos: Mit den konfigurierbaren N-Tastern am Lenkrad kann man sich Motor, Stabilitätskontrolle, Lenkung, Auspuffnote und das Rev Matching vierstufig an den eigenen Geschmack anpassen (Eco, Normal, Sport, Sport+).
Letztlich haben wir es hier mit einem sehr ernstzunehmenden kleinen Kompaktsportler zu tun, der definitiv eine neue Geschmacksrichtung ins Segment bringt. Dynamisch nicht ganz so gesegnet wie der Toyota GR Yaris (wer ist das schon?) und auch nicht so vogelwild wie der Ford Fiesta ST, aber definitiv ein Auto, das einen anstachelt, die nächste Landstraße oder Rennstrecke so richtig schön auseinander zu nehmen. Und dabei dann auch abliefert.
Zwei weitere große Vorteile des i20 N sind sein Interieur und das beeindruckende Ausstattungsniveau. Trotz seiner eher spärlichen Ausmaße (knapp über vier Meter lang; 1,75 Meter breit) kriegt er vier Menschen ganz passabel unter.
Und das Ambiente ist - so ehrlich muss man sein - um Welten besser als im Fiesta. Das Lenkrad mit den N-Tasten und dem roten Rev-Match-Knopf ist etwas dick, wirkt aber besonders. Die schicken Sitze, die lustigerweise weiter geschnitten sind als im größeren i30 N, passen wirklich gut. Anders als im Fiesta spürt man Rücken und Hintern auch dann noch, wenn man länger als 30 Minuten unterwegs ist.
Und dann natürlich die Unmengen an Ausstattungsfeatures und Spielzeug. Hier drin herrscht wirklich volle Hütte. Inklusive aller erdenklichen Fahrhilfen, Sitzheizung sogar hinten, digitalen Instrumenten und einem großen 10,25-Zoll-Infotainmentbidschirm, der vollgepackt ist mit Performance-Screens und -Grafiken, einem Performance Driving Data System und und und. Qualitativ geht das auch alles voll in Ordnung.
Mit dem i20 N schreibt Hyundai die Geschichte ausgezeichneter Kompaktsportler weiter. Er fühlt sich so ein bisschen an wie ein Best-of des bisherigen Segments. Er bringt viel vom Schliff und der Seriösität eines Polo GTI, ist dynamisch aber wesentlich ambitionierter und spitzer positioniert. Auf der anderen Seite wirkt er angenehmer und alltagstauglicher als ein Fiesta ST, auch wenn er nicht ganz an dessen Verspieltheit und Anarchie heranreicht.
Wer die ultimative Spaßmaschine in dieser Klasse sucht, ist mit dem Kölner wohl weiterhin besser bedient. Wer das rundere Gesamtpaket will, darf unbedingt den i20 N in Betracht ziehen.