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Mercedes EQV (2020) im Test: Solch ein Elektrobus fehlt Tesla

Vielleicht nicht sehr cool, aber sehr praktisch

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Was wurde nicht schon gelästert über die Elektro-Strategie von Mercedes: Der EQC verkauft sich nur überschaubar, andere EQ-Modelle stecken zu lange in der Pipeline. Doch halt! Jetzt überraschen uns die Schwaben mit einem Stromer, den es in dieser Form bei Tesla nicht gibt: den EQV auf Basis der V-Klasse.

Natürlich steht der Mercedes EQV nicht alleine auf weiter Flur: Von Opel etwa gibt es den Zafira-e Life inklusive seiner PSA-Konzernbrüder. Einen Transporter zu elektrifizieren, erscheint nicht unklug. Genügend Platz für die Batterie ist vorhanden, zudem fahren viele vorwiegend im urbanen Bereich. Macht der EQV Sinn? Wir haben ihn getestet.

Was ist das? 

Der neue Mercedes EQV stammt, der Name verrät es bereits, von der gewöhnlichen V-Klasse ab, die im spanischen Vitoria gebaut wird. Vielleicht haben Sie schon einmal den Lieferwagen-Bruder des EQV gesehen: Amazon liefert seine Waren mit dem e-Vito aus.

Welche Zielgruppe hat Mercedes mit dem EQV im Blick? Er eignet sich als Familien- und Freizeitfahrzeug ebenso wie als repräsentativer Dienstwagen oder als VIP- und Hotelshuttle. Auch die Nutzung als Großraumtaxi könnte Sinn machen.

Platz ist nämlich im Überfluss vorhanden: Vorne zwei Einzelsitze im Stil amerikanischer "Captain Chairs", hinten entweder vier Einzelsitze oder zwei Bänke. Ob man den EQV mit 6, 7 oder 8 Sitzen ordert, liegt im Ermessen des Kunden. Wohl auch, um genug Platz für die üppige Batterie im Unterboden zu haben, gibt es den EQV nur in "Lang" (5,14 Meter) und "Extralang" (5,37 Meter).

Bis zu 1.410 Liter passen in den Gepäckraum bei voller Bestuhlung, genauso viel wie bei der konventionellen V-Klasse. Wie viel es bei entfernten Sitzen im Fond ist, wird nicht gesagt. Hier liegt der normale "Extralang" bei 5.010 Liter.

Nachdem ich den hohen Fahrersitz geentert und mich umgesehen habe, glaube ich das glatt. Hier gibt es fast so viel Platz wie in einer Straßenbahn, nur edler, bequemer und flotter. Auffallend: Sowohl außen wie auch innen schreit der EQV nicht "Elektroauto!". Ich blicke auf analoge Instrumente, in der Mitte prangt der breite, aber recht flache MBUX-Touchscreen. 

Wirklich hochwertig sind die verwendeten Materialien und die Verarbeitung. Details wie das feine Burmester-Soundsystem gibt es aber nicht umsonst. Wie bei Mercedes üblich, ist auch beim EQV die Aufpreisliste nicht kurz. 

Wie fährt er sich?

Dann wollen wir mal loslegen: EQV 300 steht am Heck, aber was bedeutet das? Der Elektromotor hat eine Spitzenleistung von 150 kW (204 PS) und eine Dauerleistung von 70 kW (95 PS). Das maximale Drehmoment beträgt 362 Newtonmeter. Den Strom liefert eine wassergekühlte Lithium-Ionen-Batterie mit einer nutzbaren Kapazität von 90 kWh. Reichweite? Bis zu 418 Kilometer.

Zur Verfügung stehen mir vier Fahrprogramme: In der Standardeinstellung C steht die volle Antriebsleistung von 150 kW bei maximal 362 Nm bei hoher Heiz- und Klimaleistung zur Verfügung.

Das Programm E ist, bei guter Heiz- und Klimaleistung, reichweitenoptimiert und bietet 100 kW Leistung (150 kW mit Kickdown) bei maximal 293 Nm Drehmoment.

Das Programm E+ ist auf maximale Reichweite ausgelegt, die Leistung beträgt 80 kW (150 kW im Kickdown) bei einem maximalen Drehmoment von 293 Nm, die Heiz- und Klimaleistung ist stark reduziert.

Beim Programm S liegt der Schwerpunkt auf bestem Ansprechverhalten für sportliche Fahrperformance. Dies führt zu 150 kW Leistung bei maximal 362 Nm Drehmoment kombiniert mit einer steilen Gaspedalkennlinie sowie einer hohen Heiz- und Klimaleistung. 

Ich starte meine Testfahrt im Comfort-Modus und bleibe weitestgehend bei diesem. Gemessen an seiner Größe beschleunigt der Mercedes EQV zwar nicht abartig, aber doch überraschend flott. Auf der Autobahn erreiche ich Tempo 160. Diese 160 km/h sind eine Option, serienmäßig schafft der EQV 140 km/h.

Dabei bleibt es ruhig im Bus, für akustische Abwechslung sorgen lediglich das Infotainment und das Serienfahrwerk. Es federt gut, nur eben akustisch etwas rauhbeinig. Die optionale Luftfederung namens "Airmatic" muss nicht unbedingt sein. Sie bietet jedoch die Möglichkeit, die Bodenfreiheit zu variieren.

Der EQV verfügt über einen wassergekühlten AC On-Board Lader (OBL) mit einer Leistung von 11 kW. Damit ist er für das Wechselstromladen (AC) zu Hause oder an öffentlichen Ladestationen vorbereitet. Geladen wird über die CCS-Ladedose im Stoßfänger vorne links.

Über diese wird auch das Laden mittels Gleichstrom (DC) möglich. Damit kann der EQV dank serienmäßiger maximaler Ladeleistung von 110 kW an einer Schnellladestation in rund 45 Minuten von 10 bis 80 Prozent aufgeladen werden.

Der EQV beherrscht serienmäßig sowohl Wechselstromladen (AC) zu Hause oder an öffentlichen Ladestationen mit bis zu 11 kW als auch Gleichstromladen (DC) an Schnellladesäulen mit bis zu 110 kW. Auch ist es möglich zu definieren, bei welchem Batterieladestand das Fahrzeug den nächsten Ladestopp vorschlägt oder mit welcher Restreichweite man am Ziel ankommen möchte.

Die Energierückgewinnung im Schub- und Bremsbetrieb (Rekuperation) sorgt für ein optimiertes und effizientes Fahren. Die Intensität der Rekuperation kann individuell über Schaltwippen hinter dem Lenkrad eingestellt werden. Fünf Rekuperationsstufen stehen zur Auswahl:

In Stufe D Auto passt der EQV die Stärke der Rekuperation dynamisch und vorausschauend, basierend auf Daten der Sicherheitsassistenten, der Kamera und der Navigation, zwischen 0 und -2 m/s² an. In Stufe D + segelt der EQV, es erfolgt keine Rekuperation (0 m/s²).

In Stufe D wird der EQV durch ein Rekuperationsmoment verzögert, das mit dem konventionellen Schubbetrieb eines Verbrennungsmotors vergleichbar ist (-0,6 m/s²). In Stufe D - wird das Rekuperationsmoment auf -1,5 m/s² erhöht. In Stufe D - - stellt der Elektromotor sein maximales Rekuperationsmoment von -2 m/s² zur Verfügung, in dieser Stufe ist sogenanntes Ein-Pedal-Fahren möglich. 

Was kostet dieses Fahrzeug?

Komen wir zunächst zum Verbrauch: Zwischen 26,3 und 26,4 Kilowattstunden (kWh) auf 100 Kilometer kombiniert gibt Mercedes an. Tatsächlich erreichte ich auf meiner 209 Kilometer langen Testroute, von der ich 37 km im Eco-Modus fuhr, einen Schnitt von 27 kWh. Rund 333 Kilometer Reichweite wären das hochgerechnet.

Der EQV 300 ist zum Start als Standardvariante, in der Ausführung AVANTGARDE Line und mit langem Radstand erhältlich. Auch ein EQV Design-Paket Exterieur und EQV Design-Paket Interieur sind optional erhältlich.

Preislich startet der EQV 300 Brutto bei 71.388,10 EUR (inkl. 19 Prozent Mehrwertsteuer). Enthalten ist ein Wartungspaket für vier Jahre - das in diesem Zeitraum die Kosten der Wartungsarbeiten gemäß Serviceheft und Herstellervorgaben abdeckt - sowie das Mercedes-Benz Batteriezertifikat bis 160.000 Kilometer oder acht Jahre.

Ebenfalls im Kaufpreis enthalten sind die Mercedes me Remote- und Navigationsdienste mit einer Laufzeit von 36 Monaten sowie die Mercedes me Charge Funktion und die Ionity-Mitgliedschaft für jeweils zwölf Monate.

Mit derzeit 16 Prozent Mehrwertsteuer startet der EQV bei 69.588 Euro, abziehen kann man noch den staatlichen Umweltbonus, der hier 7.500 Euro beträgt. Trotzdem ist der EQV natürlich kein Schnäppchen. Aber die Konkurrenz kommt kaum günstiger: Der Opel Zafira-e Life kostet als 4,96 Meter langes M-Modell mit 75-kWh-Akku mindestens 58.292 Euro, in Topausstattung gar fast 70.000 Euro.

Und der interne Vergleich? Ein ähnlich starker Mercedes V 220d Avantgarde liegt als Langversion bei 58.905 Euro. Mit Prämie ist der EQV also kaum teurer. Im übrigen könnten wir uns den EQV auch hervorragend auf dem US-Markt vorstellen. Doch ein Export ist laut Hersteller bislang nicht geplant.

Fazit: 7/10

Ja, der neue Mercedes EQV ist nicht gerade günstig. Aber er ist aufgrund seiner Geräumigkeit und ordentlichen Fahrleistungen derzeit das beste Elektroauto von Mercedes. Warum sich für das gleiche Geld einen EQC kaufen? Und noch etwas spricht für den Strom-Bus: So ein Auto hat Tesla nicht im Programm. 

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