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VW ID.3 (2020) im Test: Volts Wagen

Der neue König unter den Elektroautos?

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Ist Herbert Diess Michael Knight? Zumindest hat auch der Volkswagen-Konzernchef ein Fahrzeug, dem wundersame Fähigkeiten zugeschrieben werden: den neuen VW ID.3. Dieses Elektroauto ist für das Unternehmen ähnlich bedeutsam wie Golf und Käfer.

Über 21 Millionen Exemplare werden vielleicht nicht von ihm gebaut, trotzdem soll der ID.3 ähnlich wie seine Vorfahren den Markt aufrollen. Bis zu 330.000 E-Autos können im Werk Zwickau jährlich hergestellt werden, mit dabei ist auch bald der größere ID.4.

Die Zielsetzung ist ambitioniert: Volkswagen will Weltmarktführer in der E-Mobilität werden. Bis 2029 plant der Konzern, bis zu 75 reine E-Modelle auf den Markt bringen. Aber erst einmal schlägt die Stunde der Wahrheit für den ID.3: Besteigt er den Strom-Thron?

Sieht etwas beliebig aus, der ID.3 ...

Werfen wir zunächst einen Blick auf den VW ID.3: Formal mixt er geschickt Tradition und Moderne. Kritiker mögen das Design langweilig finden, allerdings soll der ID.3 auch die breite Masse abholen. Also Kunden, für die er das erste Elektroauto überhaupt ist. Klaus Zyciora, der Designchef von VW, sagt es mir gegenüber so, dass der ID.3 "für möglichst viele Menschen passen soll", obwohl er "spitz auf den Zweck hin konstruiert wurde".

Optisch wird auf jeden Fall deutlich, dass der ID.3 eine komplette Neukonstruktion auf Basis der MEB-Plattform ist. In gedeckten Farben dreht sich aber kaum jemand nach ihm um. 

MEB steht für den "Modularen E-Antriebsbaukasten", bei dem sich alle künftigen Elektroautos des Volkswagen-Konzerns bedienen. Er ermöglicht eine sehr gute Raumausnutzung. Anders formuliert: Der ID.3 ist so lang wie ein Golf, bietet innen aber Platz wie ein Passat

Sehen wir uns die Zahlen gemeinsam an: 4,26 Meter Länge, aber 2,76 Meter Radstand, dazu eine Höhe von 1,55 Meter. 385 Liter Gepäck passen in den Kofferraum, die Lehnen sind umklappbar. Auf allen Plätzen beeindruckt das Raumgefühl, aber besonders im Fond gibt es enorm viel Platz für die Beine, kein Mitteltunnel stört. 

Vorne prägen große Fensterflächen das Ambiente, das Cockpit ist minimalistisch konzipiert. Insgesamt erinnert mich die Innenarchitektur ein wenig an einen Van. Kritikwürdig ist aber die Materialanmutung: Zwar sind die Kunststoffe solide verarbeitet, aber hochwertigere Oberflächen wären schön. Überraschend ist zudem der Umstand, dass es Schalter für die hinteren Fensterheber nur in den Fondtüren gibt.

Vor mir befindet sich hinter dem Lenkrad ein kleines 5,3-Zoll-Instrumentendisplay mit drei Kacheln, es schwenkt mit dem Volant nach oben oder unten. Wesentliche Informationen liefert das optionale Head-up-Display. Ansonsten gibt es noch einen 10-Zoll-Touchscreen für das Infotainment. Er ähnelt sehr dem System im Golf 8, inklusive dessen Schwächen. Physische Tasten gibt es fast keine, die Bedienung erfordert Eingewöhnung. Wie hieß es doch einst bei "Knight Rider"? Ein Auto, ein Computer, ein Mann.

Doch noch zickt der Computer leicht, von den Software-Problemen des ID.3 haben Sie womöglich schon gehört. Zum Marktstart im September werden die Funktion App Connect sowie der Fernbereich des Head-up-Displays noch nicht aktiviert sein.

ID.3-Frühbucher können zwischen zwei unterschiedlichen Optionen auswählen: Entweder die Auslieferung ihres "ID.3 1st" Anfang September, verbunden mit einer Mitgliedschaft im exklusiven ID.3 1st Mover Club. Dies beinhaltet verschiedene Kundenvorteile - und ein Softwareupdate für die zwei ausstehenden Digitalfunktionen zu Beginn des nächsten Jahres. 

Frühbucher mit etwas mehr Geduld wählen bei Vertragsabschluss einen Auslieferungstermin im 4. Quartal 2020. Bei dieser späteren Variante wird das Fahrzeug dann bereits bei der Schlüsselübergabe über sämtliche Funktionen verfügen.

Volkswagen ID.3 1ST (2020)

Wie fährt er sich denn nun?

Man ist versucht zu sagen, dass sich der VW ID.3 so fährt, wie er aussieht: Modern, aber unspektakulär. Aberwitzige Beschleunigungsorgien sucht man vergeblich. Doch das haben die Väter und Mütter des ID.3 auch gar nicht im Sinn. Ausgewogenheit ist Trumpf. Und eine besondere Laufruhe: Man habe ihm bewusst das Fahrgeräusch abtrainiert, verrät mir VW-Markenchef Ralf Brandstätter. Klar gibt der ID.3 bei niedrigem Tempo aus Sicherheitsgründen Töne von sich, aber ein Straßenbahngeräusch wollte man nicht.

Brandstätter selbst ist derzeit oft mit einem ID.3 unterwegs, der auf 19-Zoll-Rädern steht. Keine schlechte Wahl, denn über geflickte Landstraßen rumpelt mein Testwagen mit 20-Zöllern doch vernehmlich und etwas stoßig. Das ist schade, denn der ID.3 gleitet leise dahin, bietet aber dennoch bei Bedarf genug Kraft, um sehr flott zu überholen. In 3,4 Sekunden geht es von null auf 60 km/h, die 160 km/h Spitze sind schnell erreicht. Sehen wir uns die technischen Daten in der Übersicht an:

 ID.3 Pro PerformanceID.3 Pro SMaximale Leistung150 kW (204 PS) 150 kW (204 PS)Maximales Drehmoment310 Nm310 NmGetriebe1-Gang-Getriebe1-Gang-GetriebeHöchstgeschwindigkeit160 km/h160 km/hBeschleunigung 0-100 km/h7,3 Sek.7,9 Sek.Energie Batterie netto58 kWh77 kWhReichweite (WLTP)bis zu 426 kmbis zu 549 km

 

Die meisten Kunden dürften sich für die Variante mit 58 kWh entscheiden, 2021 wird noch die Basisversion des ID.3 nachgereicht. Sie soll 107 kW (146 PS) Leistung und eine 45-kWh-Batterie bieten, was für maximal 330 Kilometer reicht. Preis dann: Ganz knapp unter 30.000 Euro ohne Prämien.

Was gibt es noch aus der Fahrpraxis zu vermelden? An den Schaltknubbel rechts am Fahrerbildschirm gewöhnt man sich schnell. Sowohl in den Fahrstufen D und B wird ausgewogen rekuperiert, einstellbar ist der Grad der Rekuperation aber nicht. Das Lenkgefühl ist typisch Elektroauto ziemlich synthetisch und abgekoppelt. Aber auch hier hat sich VW bemüht, eine ausgewogene Abstimmung für Otto Normalfahrer hinzukriegen. 

In einem Punkt ähnelt der VW ID.3 sogar K.I.T.T., dem Auto des "Knight Rider": Sobald das System vermutet, dass ich meinem Vordermann ins Heck fahre, leuchtet knallrot ein LED-Leuchtbalken (das "ID.Light") unterhalb der Frontscheibe auf. Sprechen können Sie mit ihrem ID.3 übrigens auch ...

An Assistenzsystemen herrscht kein Mangel: In der Vollausstattung überwachen ein Frontradar, eine Frontkamera, zwei Heckradare und acht Ultraschallsensoren das Umfeld des Autos.

Wie schwer ist der Akku? Und wie lange muss ich laden?

Volkswagen verspricht eine Garantie auf die Batterie von acht Jahren beziehungsweise 160.000 Kilometern. Die Batteriesysteme sind 14 Zentimeter hoch und 145 Zentimeter breit. Ihre Länge beträgt 144 Zentimeter (ID.3 Pro Performance) beziehungsweise 182 Zentimeter (ID.3 Pro S). Die kleinere Batterie integriert neun Module in einem Gehäuse mit zehn Fächern; die große Batterie setzt sich aus zwölf Modulen zusammen, die ein Fachwerk mit zwölf Fächern ausfüllen. Sie bringt 495 Kilogramm auf die Waage. 

Dank diverser Diät-Maßnahmen, etwa Türen in Aluminium-Leichtbauweise, wiegt der VW ID.3 mit 58-kWh-Batterie insgesamt 1,8 Tonnen. Das sind knapp 300 Kilogramm mehr als ein Golf mit 150-PS-Diesel.

Und die Ladedauer? Sofern Sie eine 100-kW-Ladesäule finden, lassen sich hier in 30 Minuten 290 Kilometer Reichweite in die 58-kWh-Batterie pumpen. Ansonsten ist etwas Geduld gefragt, wie die weiteren Werte zeigen:

Ladedauer AC, 7,2 kW, 100 % SoC09:30 hLadedauer AC, 11 kW, 100 % SoC06:15 hLadedauer DC, 100 kW, 80 % SoC00:35 hLadedauer DC, 100 kW für 100 km Reichweite00:08 h

 

SoC steht für "State of Charge", also den Ladezustand. Volkswagen startet zeitgleich zum Marktstart der ID.-Familie seinen eigenen Ladedienst: Mit We Charge können Kunden ihr E-Auto künftig an mehr als 150.000 öffentlichen Ladepunkten in ganz Europa laden. Der Zugang zu diesen Ladepunkten erfolgt ganz einfach über die We Charge-Ladekarte.

Kunden können aus drei individuellen Ladetarifen auswählen, die unter anderem exklusive Konditionen für das Schnelllade-Netzwerk IONITY beinhalten. We Charge kann ab Mitte August gebucht und genutzt werden. Die Ladetarife sind auf die unterschiedlichen Nutzergruppen zugeschnitten. Beim Basis-Tarif "We Charge Free" fällt keine Grundgebühr an. Er stellt quasi die Grundversorgung mit nur einer Ladekarte sicher - und eignet sich vor allem für E-Auto-Fahrer, die nur selten öffentlich laden.

"We Charge Go" bietet günstigere Preise für die einzelnen Ladevorgänge und ist die richtige Wahl für alle, die regelmäßig an öffentlichen Ladepunkten laden."We Charge Plus" ist der Tarif für alle Vielfahrer: Sie zahlen zum Beispiel bei IONITY in Deutschland nur 30 Cent pro Kilowattstunde und können das europaweite Schnellladenetzwerk damit zu einem sehr günstigen Preis nutzen.

Wie viel verbraucht er in der Praxis? Und was kostet er?

Kommen wir zunächst zum Verbrauch: Offiziell gibt VW für den ID.3 mit 58-kWh-Batterie mit 204 PS einen Verbrauch von 14,5 Kilowattstunden an. Ich erreichte auf meiner Testrunde mit mehrheitlich Landstraße und etwas Autobahn einen Durchschnitt von 15,8 kWh.

Der ID.3 startet mit zwei Modellvarianten, die sich bei der Batterie unterscheiden, in die Märkte. Der ID.3 Pro Performance, der bei uns ab 35.574,95 Euro erhältlich ist, bietet 58 kWh Netto-Energieinhalt und bis zu 426 km Reichweite (WLTP). Der ID.3 Pro S kommt auf 77 kWh Netto-Energieinhalt in der Batterie und eine Reichweite bis zu 549 km (WLTP). Sein Grundpreis: 40.936,31 Euro. Von diesen Preisen können die Kunden in Deutschland noch 9.480 Euro Brutto-Förderung abziehen.

Zum Verkaufsstart des ID.3 sind die Modelle Pro Performance und Pro S in sieben fixen Konfigurationen erhältlich, die die am stärksten nachgefragten Ausstattungen mitbringen. Diese Lösung macht das Angebot für den Kunden noch übersichtlicher, und das Werk in Zwickau kann die Autos besonders schnell bauen und früh ausliefern.

Zum Abschluss noch ein kurzer Blick auf die mögliche Konkurrenz: Der VW ID.3 mit 58 kWh kostet ungefähr genauso viel wie ein aktueller VW Golf mit 150-PS-Diesel und DSG in Topausstattung. Ohne Extras, versteht sich. Interessant wird zu beobachten sein, welche Leasingraten VW für den ID.3 schnürt.

Rein auf das Format bezogen, ist der Nissan Leaf der einzige direkte Rivale des ID.3. Mit 62-kWh-Batterie kostet er mindestens 37.236,97 Euro. Der etwas kleinere Hyundai Kona Elektro startet mit 204 PS und 64-kWh-Akku bei 40.794,96 Euro. Deutlich stärker sind das Tesla Model 3 (ab rund 43.000 Euro) und der neue Polestar 2, dessen Basismodell bei gut 40.000 Euro starten soll. Alle genannten Preise sind natürlich vor Prämien.

Fazit: 9/10

Jede Wette: Der VW ID.3 wird den Markt aufrollen. Nicht, weil er das beste Elektroauto der Welt wäre. Sondern, weil er ein VW ist. Konsequent setzt die Marke auf Neukonstruktionen mit eigener Plattform und einem Ökosystem, das versucht, alle Kundenwünsche abzudecken.

Pluspunkte sammelt er ID.3 mit seinem Raumangebot und seinem ausgewogenen Fahrerlebnis. Kritikwürdig sind die Materialanmutung innen, Teile des Bedienkonzepts und die je nach Rädern straffe Federung. Trotzdem scheint VW beim ID.3 die goldene Mitte gefunden zu haben. Aber warum nur hat das so lange gedauert?

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