BMW nennt den langen 1er-Bruder ein ganz neues Modell. Die Frage beim GC lautet weiter: Was will es eigentlich sein?
Hierzulande haben es die kompakten Limousinen nicht unbedingt leicht. Und selbst wenn BMW recht euphemistisch von einem 2er Gran Coupé spricht, stünde der Titel 1er Limousine dem kleinsten Großen Coupé der Münchner zweifelsfrei besser.
Besagter 1er, also der 5-türige Hatch, mit dem sich der 2er GC das meiste teilt, wurde jüngst mit einem umfangreichen Facelift beschenkt. Es war demnach nur eine Frage der Zeit, bis sein in die Länge gezogenes Geschwisterlein folgen würde. Nun ist es soweit und hinter das Steuer der runderneuerten Modellpflege hat man uns passenderweise auch schon gelassen. Dabei zeigte der Konkurrent von Mercedes CLA und Audi A3 Limousine Licht und Schatten.
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Ein ganz neues Auto ist das. Zumindest sagen es einem die BMW-Verantwortlichen so. In letzter Zeit nehmen wir dahingehend eine ganz schöne Häufung wahr, aber klar: neu schindet beim Kunden natürlich mehr Eindruck als aufgefrischt.
So ganz Unrecht haben die Münchner in diesem Fall allerdings gar nicht, denn wie kürzlich beim schrägbeheckten 1er blieb kaum ein Stein auf dem anderen. Inklusive des internen Baureihencodes. Aus F44 wird nun F74.
Bedeutet: Neben den üblichen Facelift-Maßnahmen (Schürzen, Leuchten, Grill) hat man in diesem Fall auch die Türen (aufgrund verschärfter Crash-Anforderungen) und den kompletten Seitenrahmen von der A-Säule bis zum Kofferraum neu aufgelegt. Dabei zog man den GC im Heckbereich gleich noch um 1,5 Millimeter pro Seite in die Breite und drückte den ebenfalls neuen Kofferraumdeckel ein Stück nach unten. Alles, um dem Coupé in Gran Coupé ein bisschen mehr Kredibilität zu verleihen.
Auch dem Gros der Motoren ging es gehörig an den Kragen. 48-Volt-Mildhybridisierung lautet das Stichwort beim 220 und beim 220d. Dazu gibt es eine 20-aH-Batterie mit neuer Zellchemie, die im Kofferraum unterkommt. Der 1,5-Liter-Dreizylinder-Benziner werkelt künftig nach dem Miller-Brennverfahren und packt auch mehr Punch aus als bisher. BMW gibt eine Systemleistung von 170 PS und 280 Nm an. 156PS/240 NM davon steuert der Verbrenner bei, 20 PS und 55 Nm der E-Motor im Getriebe.
Apropos: Selbiges ist nun durch die Bank ein 7-Gang-Doppelkuppler. Folglich ist das auch beim 218d und 220d so. Letzterer 48-Volt-hybridet sich auf 163 PS/400 Nm Systemleistung (Verbrenner: 150 PS/360 NM, E-Motor: 20 PS/55 Nm), der 218d kommt ohne E-Unterstützung auf 150 PS und 360 Nm.
Topmodell bleibt der M235 xDrive mit 2,0-Liter-Vierzylinder. Er leistet 300 PS und 400 Nm. Auffällig: Die Benziner verlieren das "i" in der Modellbezeichnung.
Die Neuerungen beim Fahrwerk sind vielfältig und starten mit einem größeren Raddurchmesser samt neu entwickelter Reifen, die hinsichtlich Fahrdynamik und Abrollgeräusch optimiert wurden. Für die Akustik füllt man etwa die 18-Zöller und 19-Zöller mit Schaum.
Neu bei den Standard-Modellen sind frequenzselektive Dämpfer, die bei normaler Fahrt mit mehr Dämpfkraft abstützen (weniger Bewegung im Aufbau), bei kurzen Stößen, wie etwa auf Kopfsteinpflaster, aber sensibler reagieren sollen.
Wer das sportlichere M-Fahrwerk ordert, erhält eine Tieferlegung um acht Millimeter, eine Domstrebe vorne, eine M-spezifische Strebe an der Hinterachse, steifere Achslager hinten sowie eine Sportlenkung.
Die ganz große Facelift-Keule schwingt BMW auch bei der Elektronik-Architektur. Hier hält das System aus 5er, X1 und X2 Einzug. Bedeutet unter anderem Android-basiertes Operating System 9.0 auf dem großen Curved Display sowie eine Erweiterung der Assistenzsysteme, etwa um eine Spurführung, die nun bis 210 km/h agiert.
Die Auslieferungen des neuen 2er Gran Coupé starten im März. Den Einstieg bildet der 220 für mindestens 41.400 Euro, gefolgt von 218d für 41.700 Euro und dem 220d für 44.000 Euro. Wer auf das M in Namen nicht verzichten will, zahlt für den M235 mindestens 59.700 Euro.
Über Aussehen lässt sich schwer streiten, aber das 2er Gran Coupé war bisher nicht unbedingt Spitzenanwärter auf einen Designpreis und wird es in diesem Leben wohl auch nicht mehr werden. Die neue Front ist deutlich runder und weniger aggressiv als bisher. Ob das dem Auto gut tut, entscheiden Sie bitte selbst. Zumindest für meine Augen hat das Heck tatsächlich deutlich gewonnen. Böse Zungen würden behaupten, das sei auch nicht besonders schwer, aber der GC-Hintern sieht nun doch stimmiger aus.
Die objektiven Kriterien sagen uns, dass der Wagen nun 2,6 Zentimeter länger und 1,5 Zentimeter höher ist als bisher. Die 16-Zoll-Stahlfelgen der bisherigen Basis tauscht man gegen 17-Zoll-Alus. Der M235 steht serienmäßig auf 18-Zöllern. Bis zu 19 Zoll kann man ordern. Interessant auch: Das Coupé-Dach ist nun schwarz.
Der neue 1er hat uns ja bereits darauf vorbereitet, nun ist auch im 2er Gran Coupé der iDrive-Dreh-Drück-Steller zur Bedienung des Infotainmentsystems Geschichte. Gut finden muss man das nicht, einfach weil das Drehrädchen hervorragend funktioniert hat und einem die Freiheit ließ, sein Auto so zu bedienen, wie es einem gefiel: per Sprache, Touch oder eben klassisch - ein großer BMW-Pluspunkt, den man nun in seiner kompletten Kompaktklasse geopfert hat.
Grundsätzlich gibt aber auch die neue Bedienung keine Rätsel auf. Zudem ist der große Doppel-Bildschirm so positioniert, dass man sich auch während der Fahrt nicht verbiegen muss, um ihn mit den Fingerspitzen zu erreichen. Das passt ergonomisch. Auch die Sprachbedienung zeigt sich gewohnt ausgereift. Fetter Pluspunkt wie bei allen BMWs: das Deaktivieren des nervigen Tempolimit-Piepsers funktioniert auch hier mit einem einzigen Tastendruck auf den "SET"-Knopf links am Lenkrad.
Erster Eindruck zur Positionierung im Fahrzeug: Für BMW-Verhältnisse sitzt man ein wenig zu hoch, zudem erschienen mir die M-Paket-Sportsitze mit meinen 1,85 Meter etwas klein und eng. Ich bin sicher alles andere als zart gebaut, aber man sitzt schon eher auf als im Auto (dass die Mittelkonsole so niedrig ist, verstärkt dieses Gefühl sicher). Immerhin bietet das Gestühl sehr viel Seitenhalt, auch im Schulterbereich.
Die Qualität der Materialien, die man ständig sieht und berührt, wirkt hochwertig. Im unteren Bereich der Türverkleidungen baut die Materialgüte ab, ein Trend, der inzwischen leider auch im deutschen Premiumbereich angekommen ist. Zur Verteidigung der Münchner sei gesagt: Bei Audi und Mercedes erleben wir das auch noch ein bis zwei Fahrzeugklassen höher.
Alles in allem machten die 2er-Testwagen, die allesamt mit dem M Sportpaket ausgestattet waren, im Innenraum dennoch einen sehr wertigen Eindruck. Die neuen, nun hinterleuchteten Dekore sind wohl Geschmackssache.
Der ganz große Malus des 2er - und man muss es leider so deutlich sagen - ist sein Raumangebot im Fond. Für ein Auto mit einer Länge von 4,55 Meter ist das im Prinzip ein Witz. Der Versuch, bei meiner Größe hinter mir selbst zu sitzen, scheitert bei der Bein- und vor allem bei der Kopffreiheit ziemlich kläglich. Sitzt jemand kleineres vor mir, haue ich mir halt nur die Rübe an. Da wird dem Gran Coupé seine schnittige Dachlinie leider arg zum Verhängnis. Beim direkten Konkurrenten Mercedes CLA ist es ganz ähnlich, die Audi A3 Limousine löst das Thema besser.
Beim Blick ins Datenblatt bereitet auch der Kofferraum ein wenig Magenschmerzen. Zumindest bei den beiden 220er-Mildhybrid-Modellen mit der zusätzlichen Batterie im Heck. Die vertilgt verglichen mit dem 218d und M235 xDrive nämlich 70 Liter Ladevolumen. Es bleiben 360 Liter.
Klingt nicht nach dem ganz großen Partyspaß, wenn man für den Urlaub einpackt, doch die schlauen Füchse aus der Abteilung Kofferraumgestaltung sorgen mit einem ausgetüftelten Gimmick für Abhilfe. Gemeint ist ein Aufklapp-Fach im Boden, das mehr Tiefe erzeugt und tatsächlich vier Kabinentrolleys aufgestellt nebeneinander unterbringt.
Los geht's mit der Performance-Version M235. Hier gibt es zehn Millimeter breitere Reifen, Hydrolager für weniger Vorspur, ein steiferes Hinterachslager aus dem Mini GP, zusätzliche Querstreben an beiden Achsen und eine versportlichte Hinterachs-Kinematik.
Wer seinen 235er noch kompromissloser durch die Weltgeschichte prügeln möchte, kriegt neuerdings von BMW zusätzlich das sogenannte M Technik-Paket vor den Latz (oder besser: unters Auto) geknallt. Selbiges beinhaltet 19-Zoll-Leichtbau-Schmiederäder, eine Compound-Bremse mit Belägen vom M3 (ist größer, aber leichter als die Serien-Stopper), noch mehr Versteifungen im Unterboden, steifere Dämpfer vorne, Alu-Lager für die Stabilisatoren, dynamischer abgestimmte Regelsysteme und auf Wunsch Michelin Cup 2-Semislicks.
Das Gefährt im exotischen Miami Blau, das Sie hier auf den Bildern sehen, hat besagtes M Technik-Paket an Bord und war daher auch das Testauto der Wahl. Und einen besseren Start hätte die dynamische Speerspitze kaum hinlegen können. Im ersten Kreisverkehr - zugegebenermaßen mit noch recht kalten Cup-Reifen - ging das Heck nämlich gleich mal ordentlich auf Reisen. Eine Amtshandlung, die es im Vorgänger eher selten bis gar nicht vornehmen wollte.
Hat sich der 235er also entkrampft und in der Neuauflage zum ungezügelten Lustobjekt entwickelt? Nun, der sprichwörtliche Ausrutscher hatte wohl doch eher mit dem leicht feuchten Straßenbelag und erwähnter Reifentemperatur zu tun, denn im weiteren Verlauf zeigte sich, dass Traktion und ein neutrales, gutmütiges Fahrverhalten zu den prägenden Eigenschaften des stärksten 2er Gran Coupé zählen.
Das und eine Lenkung, die einfach nicht so richtig stimmig ist. Zum sehr dicken Lenkradkranz, der bereits wie eine Schicht Extra-Dämmung fürs Lenkgefühl wirkt, kommt ein unharmonischer Aufbau der Lenkkräfte, der sich ein wenig anfühlt, als hätte man mehrere Software-Kurven in einer Lenkabstimmung. Initial ist das sehr sehr direkt und leichtgängig, was eine gewisse Nervosität hervorruft, dann ändert sich das Lenkgefühl wieder, wodurch man häufiger auch mal nachjustieren muss.
Auch die Bremse spricht sehr aggressiv an, lässt sich auf den ersten Millimetern Pedalweg etwas schwer justieren. Zusammen mit der bereits erwähnten, etwas hohen Sitzposition mangelt es hier einfach an der Homogenität, der Balance und dem natürlichen Flow, wie ihn etwa ein M240i Coupé hat. Da lässt sich die Frontantriebsplattform einfach nicht wegdiskutieren. Wir haben es hier sicher mit einer fähigen, kompakten Sportlimousine zu tun, die mühelos sehr hohe Kurvengeschwindigkeiten erreicht, aber es fehlt etwas am Thrill und dem Fahrgefühl, wie man das von athletischen Münchnern mit Heckantrieb gewohnt ist.
Zugute halten muss man dem M235 GC, dass es auch in seiner sportlichsten Ausprägung absolut hervorragend und extrem hochwertig gedämpft ist. Federungs-, Abroll- und Geräuschkomfort des Fahrwerks sind schlicht grandios.
Zudem ist es mit dem 300 PS starken Turbo-Vierzylinder natürlich sehr stämmig motorisiert. Die Fahrleistungen (0-100 km/h in 4,9 Sekunden, 250 km/h Spitze) liegen in etwa auf dem Niveau einer Audi S3 Limousine und des Mercedes-AMG CLA 35. Das Aggregat zeigt keine besonderen Schwächen, zieht kräftig und willig durch. Im 235er macht auch die Bedienung des Doppelkupplungsgetriebes über die vorbildlich geformten Schaltpaddles Freude. Die 7-Gang-Automatik schaltet zügig und vergleichsweise sanft.
Klanglich verlässt man sich relativ stark auf die Unterstützung der Lautsprecher. Etwas schade ist das schon, denn das Ergebnis ist ein zwar dumpfer, aber eben auch etwas künstlicher Motorklang. Wie's charismatischer geht, zeigt der positiv ungestüme Dreizylinder im 220 Gran Coupé. Hier scheint man den Motor akustisch weniger zu formen und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Der charmant ungeschliffene Dreizylinder-Sound bereitet wie so oft großen Spaß.
Ganz generell macht der vorläufige Basis-Benziner einen runderen Eindruck als der M235. Das kann natürlich daran liegen, dass Erwartungshaltung und Preis hier wesentlich niedriger sind, aber in dieser Form ergibt sich tatsächlich ein stimmigeres Gesamtbild, auch wenn es natürlich weniger dynamisch zugeht.
Dass der 1,5-Liter-Dreizylinder nicht annähernd so durch die Decke geht wie der 130 PS stärkere Vierzylinder sollte nicht verwundern. Viel wichtiger ist, dass es gar nicht stört. Auch mit leichter Hybrid-Unterstützung bleibt das kleine Aggregat ein charismatischer Bursche. Und die helfende Hand der E-Maschine in den ganz unteren Drehzahlbereichen tut ihm wirklich gut. Oben heraus dreht der 220er dann willig und er macht dabei, wie erwähnt, hervorragende, weitgehend unverfälschte Geräusche.
Im Vergleich zum allradelnden M235 merken Sie hier freilich bei ambitionierterer Fahrweise ein spürbares Fronttriebler-Verhalten. Das ist per se nichts Schlechtes, denn die bayerische Kompakt-Plattform mit ihren klugen elektronischen Systemen gegen durchdrehende Vorderräder löst das mit dem Kraftaufbau und der Eindämmung des Schlupfs extrem fein und blitzsauber dosierbar. Das ist schon fantastisch, wenngleich die Lenkung auch hier ruhig etwas weniger gummig sein dürfte.
Ambitionierte Kurvenfahrten ums Limit herum, kriegt also auch ein 220 Gran Coupé hin, ohne den Spielverderber zu geben. Das ist ja eigentlich auch fast schon gesetzlich vorgeschrieben, wenn an einem Fahrzeug ein BMW-Emblem verbaut wird. Allerdings zeigt das Auto seine Stärken wesentlich eindrucksvoller bei den ganz normalen Alltagssituationen. Gemeint sind hier der ungeheure Schliff und die Mühelosigkeit im Fahrverhalten, sowie der großartige Fahrkomfort, der sich bei BMW immer mehr zum absoluten Steckenpferd mausert.
Wer das ganz große Dynamik- und Fahrspaßversprechen sucht, wird stimmigere Alternativen finden als das 2er Gran Coupé (das gilt auch für den sehr schnellen, etwas stacksigen M235). Da wirken die heckgetriebenen Geschwister aus dem gleichen Haus, aber auch der ein oder andere Kompakt-Konkurrent klarer.
Ein weiterer Diskussionspunkt ist das Raumangebot im Fond. Da ist man aufgrund der mangelnden Kopffreiheit mit einem normalen 1er sicher besser dran. Dessen Kofferraumvolumen ist zwar knapp 60 Liter kleiner, aber bei umgeklappter Rückbank sieht die Sache schon wieder ganz anders aus.
So stellt sich ein bisschen die Frage, wo man mit dem 2er GC eigentlich hin will. Der 1er ist praktischer und 3.500 Euro günstiger. Und wer eine Limousine will, kriegt mit dem (zugegebenermaßen ein paar Tausender teureren) 3er das deutlich erwachsenere und bessere Auto.
Das 2er Gran Coupé reüssiert aber ohnehin eher auf Märkten, bei denen kompakte Limousinen viel begehrter sind, als unser geliebtes Schrägheck. In den USA etwa oder in der Türkei. Für die östlichen Märkte wird man dann auch wieder einen günstigen 216er nachschieben.
Positiv festzuhalten bleiben das sehr gediegene, mühelose Fahrverhalten, der hervorragende Federungs- und Geräuschkomfort, die wertige Material- und Verarbeitungsqualität sowie die auch ohne Dreh-Drück-Steller eingängige Bedienung.