Das Mittelklasse-Modell mit Allradantrieb und bis zu 502 km Reichweite ergänzt das reichhaltige Angebot des Herstellers in Europa ...
BYD expandiert. Und zwar rasend schnell. Nach Dolphin, Atto 3, Seal, Seal-U, Han und Tang kommt nun auch noch der Sealion 7 nach Europa. Zur Erinnerung: Der einstige Batteriehersteller aus China ist erst seit 2022 hierzulande aktiv. Und jetzt kommt schon das siebte Modell auf den Markt. Ein SUV-Coupé. Ob das alles Sinn macht, wird sich zeigen. Aber ob der neue BYD Potenzial hat, konnten wir bei einer ersten Testfahrt herausfinden.
Wenn es nach Build Your Dreams geht (man sollte die Abkürzung schon manchmal auch ausschreiben), soll der Sealion 7 (die Nummer steht für die Modellgröße innerhalb des Baureihen-Namens) das D-Segment revolutionieren. Oooookay. Dafür hat man in China die europäischen Wünsche analysiert und ist zu dem Schluss gekommen, dass Revolution vor allem durch Leistung geschieht?! Anscheinend. Und deshalb hat dieses Modell auf der e-Platform 3.0 Evo jetzt 390 kW, 690 Nm und die am schnellsten drehenden E-Motoren auf dem Markt (23.000 U/min schaffen die Dinger).
Aber mit welchen Modellen konkurriert der BYD Sealion 7 überhaupt? Was Grundfläche und Preis angeht, sind wir irgendwo beim Model Y oder dem ID.5. Nur halt mit 800-Volt-Technik beim BYD, einem größeren Kofferraum beim Tesla und deutlich weniger Power beim VW. Aber jetzt Schluss mit den Oberflächlichkeiten. Gehen wir ins Detail ...
Design und Abmessungen | Innenraum und Ausstattung | Fahrbericht | Wissenswertes | Fazit
Die Optik? Wir immer eine Frage des Geschmacks. Und böse Zungen sehen natürlich bei Modellen aus China immer irgendwelche Elemente, die 1:1 von europäischen Fahrzeugen abgekupfert wurden. Ein bisschen Porsche hier, etwas Mercedes-Benz dort und eine Prise BMW obendrauf. Fertig ist der Sealion 7.
Aber: Diese Zeiten sind unserer Meinung vorbei. BYD hat mittlerweile und vor allem über den Seal und den Seal U eine recht ordentliche Markenidentität geschaffen, die eine noch recht angenehme Mischung aus kühler Technik-Besessenheit und verspieltem China-Charme hat.
Interessant sind auch die Abmessungen. 4,83 Meter ist der Sealion 7 lang. Der Seal U kommt auf 4,78 Meter, der Tang auf 4,87 Meter. Beide allerdings ohne Coupé-Heck. Trotzdem: Drei SUV-Modelle in einer 9-Zentimeter-Range? Ambitioniert. Und vor allem laut Hersteller noch lange nicht das Ende. Denn die Modellpalette wird stetig und vor allem schnell erweitert.
Highlight beim Blick auf die nackten Daten? Der Radstand von 2,93 Meter, der (und dazu gleich noch mehr) natürlich für ordentlich Platz im Innenraum sorgt, aber auch eine schön gestreckte Silhouette des Fahrzeugs ermöglicht.
Das Lowlight der Zahlen? Die Zuladung! Nur 410 kg können im Sealion 7 (das U und SUV steht eigentlich immer noch für Utility, oder?) verladen werden. Das sind vier Mitteleuropäer mit jeweils einem Tagesrucksack. Schade. Aber irgendwie auch okay, denn so ein Fahrzeug hat ja auch nicht unbedingt Lastenesel im Lastenheft stehen.
Vielmehr will man im Interieur eher auch nicht mit Marken wie VW oder Tesla konkurrieren, sondern hat eher echte Premium-Hersteller im Visier. Wir finden (neben unglaublich großzügigen Platzverhältnissen auf ALLEN Sitzen) viel gestepptes Leder und auch sonst ganz feine Materialien, die im Großen und Ganzen auch gut verarbeitet sind. Im Detail könnte man zwar noch nachbessern (Spaltmaße, Übergänge, etc.), aber wenn es beim Ruckeln und Drücken weniger knarzt als in einem neuen Elektro-Mercedes, mag das schon was heißen.
Optische Highlights werden dann von allem gesetzt, was leuchten kann. Hinterm Lenkrad das 10,2-Zoll-Kombiinstrument, in der Mitte des Armaturenbrettes der drehbare (ein Feature, dessen Sinn uns nicht so wirklich erschließt) Infotainment-Bildschirm mit 15,5 Zoll und eine schicke Ambiente-Beleuchtung, die mehr als 100 Farben parat hat. Je nach Stimmung und so. Und wer noch mehr Licht will, öffnet Rollo, welches das 2,1 Quadratmeter große Glasdach verdeckt. Starke Aussichten. Besonders wenn man im Fond Platz genommen hat (dort übrigens auch mit Sitzheizung).
Ansonsten ist unser "Excellence"-Testwagen natürlich voll ausgestattet (sogar mit Head-up-Display, das komischerweise nur dieser Linie vorbehalten ist) und es gibt jeden Komfort- und Fahrhelfer-Schnickschnack, den man sich so wünscht oder auf den man auch gerne hin und wieder verzichten könnte.
Am Ende gefallen uns zwei Dinge besonders gut: Die doppelte Ladeschale, die auf einer Seite induktiv bis zu 50 Watt ins Smartphone pressen kann und kabelloses Apple CarPlay oder Android Auto. Was uns nicht so gut gefällt? Das man nahezu alles über den Touchscreen einstellen muss. So sind viele Funktionen (beispielsweise die Sitz- oder Lenkradheizung) zwei oder mehr Klicks tief im Infotainment-System versteckt. Das kann schnell ablenken und baut nicht unbedingt auf unseren eigenen Träumen von Fahrzeugbedienung auf.
Nach dem Einsteigen fällt sofort auf ... man sitzt hinter dem Lenkrad etwas zu hoch. Und das geht einem nicht nur so, wenn man ein Sitzriese ist. In einem Fahrzeug mit Performance-Anspruch (bei den genannten Leistungsdaten eine Voraussetzung) würde wir uns lieber etwas besser mit dem tiefen E-Auto-Schwerpunkt verbunden fühlen. So sitzt man eher auf als in dem Fahrzeug.
Egal. Die Fahrleistungen werden es schon rausreißen, oder? So halb. 4,5 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 lesen sich nämlich aufregender, als sie sich im Sealion 7 anfühlen. Der bekannte E-Kick in Rücken am Anfang ist zwar da, aber dann gibt es kein Zerren in der Lenkung, keine quietschenden und nach Traktion gierenden Reifen oder ruckartige Gangwechsel mehr.
Es geht einfach verdammt flott (aber halt auch ziemlich emotionslos) auf Landstraßentempo. Fertig. Und dann doch irgendwie ziemlich atemberaubend, mit welcher Präzision man in China mittlerweile Antriebe baut.
Vom Fahrwerk kann man das allerdings nicht behaupten. Es ist sehr weich und eindeutig auf das Komfort-Popo-Meter mit chinesischer Kalibrierung ausgerichtet. Bei niedrigen Geschwindigkeiten stört dieser Umstand auch gar nicht so. Der Sealion 7 federt schön aus, lässt keinerlei Unebenheiten oder kurze Stöße in den Innenraum durch und kombiniert mit den quasi nicht vorhandenen Abrollgeräuschen stellt sich eine ordentliche Wohlfühlatmosphäre ein.
Aber wehe man reizt den Topspeed von 215 km/h aus. Dann wird es ab 150 km/h schon irgendwie kriminell. Kriminell gefühllos und schwammig. Wo BYD hier unbedingt nachbessern sollte? Ein adaptives Fahrwerk einbauen, dass bei höheren Geschwindigkeiten straffer wird und gleiches bei der Lenkung tun. Danke. Und wenn man schon dabei ist, entschärft doch bitte noch die übereifrige Fahrerüberwachung. Wenigstens kurz an der Nase kratzen sollte doch ohne Ermahnung auf dem Off erlaubt sein.
Zum Verbrauch, der Reichweite oder der Ladegeschwindigkeit können wir übrigens noch nichts sagen, da sich die erste Testfahrt auf gut 30 Minuten und ein paar wenige Kilometer beschränkt hat. Die Zahlen sehen aber vielversprechend aus. Wir rechnen mit Verbräuchen von rund 23 kWh/100 km sowie einer realistischen Reichweite von etwa 400 km. Genaueres muss in Zukunft ein Alltagstest zeigen.
Laut BYD wollen europäische Kunden nicht nur Power-SUVs, sondern sie wollen auch noch umweltfreundlich sein. Beißt sich etwas, ja. Aber eine ganz coole Info für den Elektroauto-Hasser-Stammtisch ist trotzdem (falls Sie das nicht eh schon wussten), dass sowohl die verbaute 91,3-kWh-Blade-Antriebsbatterie (die in Cell-to-Body-Bauweise selbst ein versteifendes Element des Chassis ist) als auch die 12-Volt-Starterbatterie mit LFP-Chemie arbeiten. Heißt: Mangan, Nickel oder Kobalt kommen nicht zum Einsatz.
Außerdem gewährt der Hersteller sechs Jahre oder 150.000 km Garantie auf das Fahrzeug. Die Batterie hat acht Jahre Gewährleistung. Außerdem soll der Akku nach 5.000 Ladezyklen immer noch rund 70 Prozent der Ausgangsleistung haben. Ohne Garantie. Trotzdem zur Erinnerung: Bei einer halbwegs realen Reichweite von etwa 400 km sprechen wir hier von 2 Millionen Kilometern. Hoppla.
Die wichtigste Frage, die man sich am Ende einer Testfahrt immer stellen sollte: Könnten wir uns dieses SUV-Coupé aus China mit übertriebenen 390 kW und jeder Menge Ausstattungsfeatures auch als Privatwagen vorstellen? Ja, könnten wir. Vor allem beim Blick auf dem Preis, denn unser voller Testwagen kostet "nur" 58.990 Euro und damit in etwa so viel wie das vergleichbare Tesla Model Y Performance. Ein ID.5 GTX ist in der Basis zwar günstiger (ab ca. 56.000 Euro), aber eben auch deutlich schwächer und viel weniger umfangreich ausgestattet.
Die Kaufempfehlung gilt allerdings trotzdem noch unter Vorbehalt. Klarheit schafft erst ein Alltagstest, der vielleicht noch abweichende Reichweiten, Ausschläge bei den Verbrauchswerten oder irgendwelche Bugs im Infotainment-System zu Tage fördern könnte, die dann zu No-Gos werden. Aber nur könnte. Nicht müsste. Und die erste Tendenz stimmt durchweg.