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BMW XM (2023) mit 653-PS-Hybrid im Test: Zlatans neues Auto

Er ist maximal provokant und er fährt wirklich wie kein M vor ihm, aber ist das auch gut?

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Was ist das?

Wenn Sie optisch von diesem Auto noch nicht erschlagen wurden, dann haben Sie vermutlich das letzte Jahr unter einem Stein gelebt. Was wurde über dieses Gefährt nicht alles geschrieben, diskutiert, geschimpft. Selbst für BMW-Verhältnisse ist das XM-Design eine ganz schöne Handvoll. Dazu kommen Ausmaße und technische Daten, die eingefleischten Fans der M GmbH den kalten Schauer des Grauens über den Rücken jagen.

Das erste eigene M-Auto seit dem seligen M1 von 1978 ist ein 5,11 Meter langes SUV, das beinahe 2,8 Tonnen wiegt, goldumrandete Fenster hat und einen 650 PS starken Plug-in-Hybrid hinter seinen monumentalen (beleuchteten) Nüstern beheimatet. Es ist der erste PHEV in einem M.

Und gehen Sie mal davon aus, dass diese Frontal-Provokation wohl kalkuliert ist. Der XM richtet sich nicht an den typischen M-Kunden, der einen M3 fährt. Oder sogar einen X5 M. BMW habe bisher kein Angebot gehabt für Menschen, die sich wirklich abheben wollen, denen selbst besagter X5 M zu sehr von der Stange ist (soll's ja geben), sagt mir XM-Projektleiter Sven Ritter.

Man sei bewusst aus seinem Weg gegangen, habe entsprechendes Publikum etwa in Kunstgalerien oder bei Concours d'Elegance-Veranstaltungen angesprochen. Man wolle Kunden, die sich für einen Lamborghini Urus, einen Aston Martin DBX oder einen Mercedes-AMG G 63 interessieren. "Ich will, dass Popstars dieses Auto fahren. Ich will, dass Zlatan Ibrahimovic dieses Auto fährt", sagt Ritter.

King Zlatan dürfte der überselbstbewusste Schock-Auftritt des XM durchaus zusagen. Vielen anderen offenbar auch. Mit den bisherigen Bestelleingängen sei man mehr als zufrieden, resümiert Ritter. Manche Märkte wie Deutschland oder Belgien (?!) lägen teils deutlich über den Erwartungen. Ganz ehrlich - haben Sie was anderes erwartet? Größter Abnehmer werden mit gut 26 Prozent jedoch die USA sein, gefolgt von China mit 23 Prozent und Middle East mit acht Prozent.

Ah, das erklärt den wilden Auftritt!

Na warten Sie mal ab. Über die Niere des aktuellen M3/M4 regt sich jetzt doch auch kaum noch jemand auf. BMW traut sich wenigstens, aus dem automobilen Einerlei auszubrechen. Anfangs dachte ich auch, der XM sieht aus, als hätte Kitzbühel einen Unfall mit der Addams-Family gehabt, aber inzwischen finde ich ihn - sorry - rattenscharf (Shitstorm in 3..2..1..).

Ganz unabhängig von meinen völlig unwichtigen Design-Vorlieben sollte man natürlich den Sinn hinter einem derartigen Performance-Ungetüm diskutieren. Bisher galten die gut 2,4 Tonnen eines X5 M oder Audi RS Q8 als Inbegriff des reinen Bösen. Dank abstruser EU-Abgasnormen sind es jetzt eben 300 bis 400 Kilo mehr. Denn Sie glauben doch nicht im Ernst, dass der geldig-extrovertierte Autokäufer auf Leistung verzichtet, weil ein paar Brüsseler Weltverbesserer das gern so hätten.

Also bleischwere Elektrifizierung. Und ein in weiten Teilen neuer 4,4-Liter-Biturbo-V8. Ansaugung, Einspritzung, Kühlung - alles taufrisch. Der Neue ist Euro7-fähig. Das wäre mit dem hubraumgleichen Vorgänger aus M5 und Co. nicht gegangen. Selbiger wandert wohl 2025 aufs Altenteil.

489 PS und 650 Nm liefert das XM-Aggregat bis jetzt. Deutlich weniger als der alte Achtzylinder (625 PS, 750 Nm). Abhilfe schafft ein E-Motor mit 197 PS und 280 Nm Drehmoment. Er sitzt in der Getriebeglocke der 8-Gang-Automatik.

Die Systemleistung beträgt 653 PS und 800 Nm. Ja gut, mögen Sie jetzt denken, da wollen aber auch 2.785 Kilo angestupst werden, wer weiß, ob das reicht? Keine Sorge, liebe Leistungsfetischisten - eine wesentlich stärkere Version namens "Label Red" (nein, die Leistungssteigerung wird nicht durch eine Whiskey-Einspritzung erzielt) kommt im Herbst. Diese leistet dann 748 PS und 1.000 Nm. Herrje. Für den Zuschlag ist übrigens rein der Benziner verantwortlich, der dann auf 585 PS und 750 Nm gezogen wird.

Untenrum ist der BMW XM relativ stark mit dem X5 M verwandt. Allerdings hat man aufgrund des massiven Gewichtszuschlags die meisten Teile wie Fahrwerk, Lenkung, Allrad und Co. neu appliziert. Der X5 M ist halt auch ein recht ein aggressives Biest, beim neuen Flaggschiff will man komfortabler und weltmännischer auftreten. Allerdings soll er sich nicht aufführen wie ein Öltanker, sondern immer noch fahren wie ein M.

Das kann bei dem Gewicht nicht gelungen sein, oder?

Nun, es ist ein wenig kompliziert. Es steht außer Frage, dass der XM anders fährt als jeder BMW M, den ich bisher so in die Finger gekriegt habe. Sehr anders. Den typischen Garchinger Kettenhund hat man hier in die Scheune gesperrt und den Schlüssel weggeworfen. Der XM knüppelt die Straße nicht kompromisslos nieder, er fließt mit ihr, er bewegt sich, zeigt Neigung im Aufbau, gar nicht mal zu knapp.

Da kann man hinterradlenken und 48-Volt-wankstabilisieren wie man will (übrigens sind beide Systeme das erste Mal in einem Auto der M GmbH zu finden) - das Gewicht ist nun mal da und außerdem war von Vornherein klar, dass man hier ein merklich komfortableres Auto bauen möchte.

" Wie präzise und unerschütterlich der XM unter ordentlich Zug eine Kurve bändigt, ist nicht weniger als Wahnsinn. Untersteuern ist tatsächlich kein Thema. Gar nicht."

Jede Buchse und jedes Gummilager ist man durchgegangen und hat geschaut: Brauchen wir das für die Fahrdynamik oder können wir da ein wenig entstraffen fürs Wohlfühlen? Die Buchsen selbst kommen vom M5. Der Radstand beträgt 3,10 Meter wie beim X7.

Eines meiner absoluten Highlights bei diesem Auto ist die Lenkung. Das hypernervöse, oft recht künstliche ADHS-Gebaren der letzten M-Lenkungen hat hier Sendepause. Änderungen am vorderen Querlenkerlager zeigen verblüffende Wirkung. Außerdem konnte man durch die Hilfe der Hinterradlenkung vorne etwas Zug rausnehmen. Das tut dem ganzen Konstrukt ebenfalls gut. Die Lenkung ist sehr harmonisch und passt toll zum Wesen des Autos, wirkt aber nicht lahmarschig oder unpräzise.

Und damit sind wir mitten drin im Kerngeschäft dieses wuchtigen Wagens. Denn er mag ja auf der einen Seite ein wenig bierbäuchig daherfahren für einen M. Aber wenn, ja wenn man ihn mal so richtig packt am Krawattl, dann macht er Dinge, die er eigentlich nicht können sollte mit seiner Beleibtheit.

Jetzt hilft sie halt doch, die elektrische Wankhilfe. Was auch hilft, ist ein solider Negativsturz an beiden Achsen. -1,29 Grad sind es vorne, - 1,4 Grad hinten. Und BMWs neueste Batterie-Generation, hier mit 25,7 kWh, ist bekanntermaßen so flach, dass Sie in den Unterboden passt. Jetzt werden Sie von mir nicht hören: "Ooooh, der unglaublich niedrige Schwerpunkt, der XM fährt ja quasi wie ein Formel 1-Auto. Mindestens!!! Blablabla."

Nein, das tut er nicht. Sie werden immer merken, dass dieses Auto schwer ist. Aber wie präzise und unerschütterlich es unter ordentlich Zug eine Kurve bändigt, ist nicht weniger als Wahnsinn. Untersteuern ist tatsächlich kein Thema. Gar nicht. Ich hab's wirklich versucht. Mehrmals. Weil ich es nicht glauben konnte. Nix da. Tatsächlich versetzt die Vorderachse nicht. Und irgendwo von mittig bis hinten kommt dann noch ein schön unanständiger Eindrehimpuls dazu, der das Groß-SUV beinahe arrogant durch die Biegung schwänzeln lässt. Sapperlot, liebe M-Boys und -Girls, wie habt ihr das wieder gemacht?

Die Kehrseite von derart viel Schwerathletik zeigt sich ein wenig beim Langsamfahr-Komfort. Im Rollen oder generell bei langsamer Fahrt kann es schon recht rumpeln im Gebälg. Man fühlt gerade über die Vorderachse eine recht innige Beziehung zur Straße, das geht ein bisschen rauh in die Handballen rein, was ja gut ist, aber es federt eben auch ziemlich schroff. Fährt man schneller, ist davon nichts mehr zu spüren.

Und der Antrieb?

Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Sehr viel muss hier sehr viel vom Fleck bewegen. Aber viel hilft eben auch viel. Vor allem ein schlauer Getriebekniff wirkt im unteren Drehzahlbereich wahre Wunder. BMWs schlaue Köpfe haben nämlich eine Vorübersetzung zwischen Rotor der E-Maschine und Getriebeeingangswelle integriert, die das Drehmoment des Elektromotors kurzzeitig auf maximal 450 Nm anhebt.

Die Folge: Der XM haut einem schon bei gut unter 2.000 Touren sowas von den Schädel in die Kopfstütze (im angehängten Video können Sie das bei meiner unvorbereiteten Wenigkeit hervorragend beobachten). So wird ein Motivationsloch im unteren Drehzahlbereich also wirklich mal erfolgreich bekämpft.

Und er dreht danach sehr gierig und standhaft durch bis ans Limit bei 7.200 Touren. Die Gasannahme ist grandios. Das Zusammenspiel zwischen E-Motor und Benziner sämig (bis auf beim Kickdown untenrum, wo das E wirklich reinknallt).

Rein elektrisch fahren geht auch. Bis 140 km/h. Dafür gibt es einen eigenen Modus. Ebenfalls einen fürs Halten der Akkuladung. 82 bis 88 Kilometer soll man mit vollem Speicher schaffen. Ausprobieren müssen wir das dann mal zu Hause in der Redaktion. Geladen wird mit maximal 7,4 kW. In etwas über vier Stunden ist der XM ganz voll.

Ein Wort noch zum Klang. Der war bei den amerikanischen Testwagen Oskar-reif. Ein wahnwitziges V8-Gewitter - rotzig, inbrünstig, herrlich. Gerade beim Anlassen war der XM die reinste Schau. Erst "ufot" das SciFi-Elektro-Gesäusel von Hollywood-Legende Hans Zimmer los, dann wird es beim ersten Gasstoß kapital vom Achtzylinder niedergemäht. Liegt aber auch daran, dass der US-XM keinen Otto-Partikel-Filter mit sich herumschleppen muss. Hoffen wir, dass die Klang-Kastration bei uns nicht gar so schlimm ausfällt.

Ist er innen Obere-1-Prozent-würdig?

Ich würde das unterschreiben, ja. Man merkt, dass der Innenraum hier wichtiger ist als in allen anderen M-Autos. Obwohl der XM im Cockpit doch viel vom Schi Schi der Studie abgelegt hat. Das ist jetzt eher X5 M mit ein bisschen Extra-Mozzarella. Die Verarbeitungsqualität und Materialgüte wirkt dem Preis angemessen. Lediglich die Lüftungsdüsen wirken etwas gebrechlich.

Sollten Sie als illustrer Kunde sagen: Ja gut, das ist mir jetzt aber zu wenig .. ähm .. illuster, dann empfehle ich das Interieur in Blau mit Vintage-Leder Coffe Brown. Das ist dann adäquat bussi bussi, wie Sie hier sehen können:

Apropos: Die sogenannten M Lounge ist natürlich das unangefochtene Highlight. Im Fond des XM fläzt es sich fast schon Rolls-Royce-esk. Die schick gesteppte Rückbank zieht sich bis in die Türen. Die Beinfreiheit ist monumental. Und dann noch dieser kunstvoll ausgeformte, beleuchtete Dachhimmel. Die perfekte Umgebung, um so performant wie möglich Schampus zu süffeln oder bahnbrechende TikTok-Reels zu erstellen.

Der Kofferraum scheint beim XM hingegen nicht die oberste Prio gewesen zu sein. 527 bis 1.820 Liter sind ja eher marginal über X3-Niveau. Dafür kriegen Sie als zeitloses It-Peace einen formschönen, schwarz-güldenen Leder-Weekender fürs Ladekabel oder den Zwergspitz. Nur darauf achten, dass sich Zweiterer nicht mit ersterem erdrosselt.

Lobend möchte ich noch das Gestühl in Reihe Eins erwähnen. Die Sitze sind richtig schön opulent, wie es sich für so ein Auto gehört. Sehr bequem sind sie auch und festhalten tun sie trotzdem gut.

Über die BMW-Bedienung habe ich in den letzten Monaten/Jahren eigentlich schon so gut wie alles gesagt. Für mich immer noch die Benchmark. Auch hier wieder. Und bitte, liebe BMWler, lasst den Dreh-Drück-Steller trotz XXL-Touchscreen ewig am Leben. Einziger Wermutstropfen: Der praktische Knopf unter dem Infotainmentscreen zum Deaktivieren aller Fahrhilfen ist Geschichte. Jetzt muss man jedes Mal ins Untermenü.

BMW XM mit werksseitigen Individual-Lackierungen

Fazit: 8/10

Ich habe mich ja bereits als Fan geoutet, weil der BMW XM so abgedreht ist, dass es irgendwie schon wieder passt. Einige werden das ähnlich sehen, viele werden dieses Auto als dekadent, völlig unzeitgemäß oder gar ekelhaft einstufen. Fahrerisch lässt er mich ein wenig zwiegespalten zurück.

Er ist meilenweit entfernt von der Aggressivität und Agilität eines X5 M/X6 M oder eines Lamborghini Urus. Dafür ist er trotz aller Technologie-Tricks einfach zu schwer und das kann er auch nie ganz kaschieren. Trotzdem ist BMW M ein bemerkenswert fahrdynamisches Auto gelungen. Es fährt nur ganz anders als jeder M vor ihm. Bequemer und homogener, das gehört auch zur Wahrheit dazu. Und der Hybrid-Antrieb ist sehr beeindruckend, das macht schon Lust auf mehr (ich kann nicht glauben, dass ich das wirkliche sage).

Mit 178.000 Euro ist er gut 18.000 Euro teurer als sein kleiner Bruder X5 M, bietet aber wesentlich mehr Technologie, Luxus und Besonderheit. Gegenüber einem Lambo Urus, Aston DBX oder Mercedes-AMG G 63 ist er geradezu ein Schnäppchen, aber im Wesen auch kaum vergleichbar. Ich bin gespannt, ob Zlatan einen bestellt.

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