Kam die SUV-Idee zu früh für eine Serienfertigung?
Sobald Sie lesen "Vorreiter" oder "Erfinder" eines Segments ... seien Sie skeptisch. Denn ein VW Golf oder Renault Espace sind nicht gottgleich vom Himmel gefallen. Meist hatten mehrere Hersteller zur gleichen Zeit die gleiche Idee. Doch nicht jede Marke traute sich eine Serienfertigung.
So etwa Nissan, wo man schon vor dem Toyota RAV4 ein ähnlich konzipiertes SUV zeigte. Ohne es freilich SUV zu nennen. Auf der Tokyo Motor Show 1987 zeigte man die Studie Nissan Judo. (Seltsamerweise bei den Nutzfahrzeugen.)
In der damaligen Pressemitteilung hieß es wörtlich: "Der Judo ist ein urbaner 4WD-Flitzer, der als Ausdruck einer Erweiterung des Nissan-Konzepts für Freizeitfahrzeuge entwickelt wurde. Sein Design-Konzept umfasst ein hohes Maß an Leistung für Stadt- und Autobahnfahrten, Geländegängigkeit und eine komfortable Kabine."
Das kompakte Auto (nur gut vier Meter lang) war eine Art Targa-Geländewagen auf fetten Bridgestone-Reifen mit einer interessanten Option für die Montage des Reserverads. Mit dem Judo wollten die Designer und Entwickler von Nissan der Welt ein geländegängiges Fahrzeug anbieten, das sich sowohl am Strand als auch in der Stadt zu Hause fühlt.
Der Crossover, der in seinen Abmessungen in etwa dem damaligen VW Golf II entsprach (Länge 3.990 Millimeter, Breite 1.690 Millimeter und Höhe 1.580 Millimeter), fiel durch seine ungewöhnliche Karosserie auf, die gleich mehrere markante Lösungen bot. Eines der Highlights war das Reserverad, das sich bündig in der Karosserie befand und über eine spezielle Vorrichtung abgesenkt wurde.
Da die Position des Rades die Verwendung einer herkömmlichen Heckklappe ausschloss, griff Nissan zu einem Trick und fertigte zwei hochgezogene Heckklappenflügel an - fast wie bei den Motorhauben alter Autos aus der Vorkriegszeit. Die Lösung war originell, aber nicht sehr praktisch - in die kleinen, schmalen Kisten rechts und links passte nicht viel hinein.
Der Clou des Judo war jedoch ein ungewöhnliches Dach, das sich nach hinten schieben ließ und den Crossover in einen spektakulären Targa verwandelte. Dank einer zusätzlichen Versteifungsstrebe, der so genannten T-Bar, litt die tragende Karosserie nicht unter den Eigenheiten einer solchen Konstruktion.
Der Innenraum des Judo war serienreif - nur das Audiosystem von Sony war für diese Fahrzeugklasse zu fortschrittlich. Es gab ein Kassettendeck, einen CD-Wechsler und sogar einen Mehrspur-Equalizer. Die Sitze waren mit einem praktischen Stoff bezogen, der sich leicht waschen ließ und in der Sonne nicht zu heiß wurde.
Technisch ist der Judo nach heutigen Maßstäben wenig bemerkenswert - Ein Zweiliter-Vierzylinder mit Turbolader, der 210 PS bei 6.800 U/min und 265 Nm bei 3.600 U/min leistet. Aber vor 30 Jahren war das durchaus ein Highlight.
Dank Allradantrieb und Fünfgang-Schaltgetriebe beschleunigte der leichte Crossover in rund 7 Sekunden auf 100 km/h. Der Allradantrieb des Konzepts wurde übrigens weiterentwickelt - und ATTESA getauft. Das gleiche System kam später auch im Skyline GT-R zum Einsatz.
Der Judo war wirklich serienreif - man musste nur noch das Heck mit dem Reserverad auf Praktikabilität überarbeiten und über einen Dachmechanismus nachdenken. Doch Nissan wagte diesen Schritt nicht - man befürchtete, dass sich ein solch revolutionäres Auto nicht gut verkaufen würde.
Und in gewisser Weise scheint das auch richtig zu sein. Ein konzeptionell sehr ähnliches Modell war der Suzuki Vitara X-90, der zwischen 1995 und 1997 in nur einigen tausend Exemplaren entstand. Auf der anderen Seite, wenn der Judo weniger radikal im Detail konzipiert worden wäre, hätte er vielleicht den späteren Erfolg des Toyota RAV4 vorweggenommen.