Überraschend fahrspaßig und sonst passt auch ziemlich viel
Die zweite Generation eines veritablen Überraschungshits. Seien wir doch mal ehrlich: Als BMW vor inzwischen 8 Jahren einen Minivan mit Frontantrieb vorstellte, schlackerte ein Großteil der Autowelt massivst mit den Ohren. Hauptsächlich, weil er so viel schmunzeln musste. Aber der 2er Active Tourer belehrte alle Wichtigtuer eines Besseren und verkaufte sich prächtig.
430.000 Stück hat man von der ersten Generation unters meist grau melierte Volk gebracht. Man munkelt, eine Handvoll sei tatsächlich auch an junge Familien gegangen. Dazu kamen noch knapp 250.000 Exemplare des 2er Gran Tourers. Genau, das ist die noch unförmigere Variante mit den drei Sitzreihen. BMW fand die Performance des wirklich unglaublich länglichen Gran Tourers offenbar unzureichend und strich ihn ersatzlos aus dem Portfolio. Alle Silver Ager, die gerne 4-Mann-Kanus, Skisprung-Ski oder Windrad-Rotoren transportieren, müssen jetzt also ganz stark sein.
Bleibt der Active Tourer, der es in Generation Zwei alleine richten soll. Gewachsen ist er deswegen nicht. Zumindest nicht signifikant. Zwei, drei Zentimeter in der Länge und Höhe bei exakt gleichem Radstand müssen reichen. Mehr Platz soll er trotzdem bieten. Dank einiger schlauer Kniffe im Rückbank- und Kofferraumdesign.
Ach ja, und wegen der komplett neuen Plattform natürlich. Jap, richtig gelesen, die Bayern knipsen ihren nagelneuen Fronttriebler-Unterbau tatsächlich mit dem 2er Active Tourer an. Ob es sich um eine Belohnung handelt für die hart erkämpften Marktanteile, wissen wir nicht. Auf jeden Fall bildet er die Vorhut für den baldigen X1 und den etwas weniger baldigen nächsten 1er.
Da wird dann neben dem inneren Familienvater und/oder rüstigen Pensionär plötzlich auch der Fahrdynamik-Afficionado im Wagner geweckt. Denn wenn so eine neue Plattform einen Minivan halbwegs zum Fliegen bringt, dann wären das für kommende 1er, Minis et cetera sicher nicht die schlechtesten Vorzeichen.
Aus fahrdynamischer Sicht lag das Hauptaugenmerk beim neuen Chassis auf einer weiteren Reduzierung der Untersteuer-Neigung und auf noch hochwertigeren Dämpfungseigenschaften. Letztere sollen jetzt auch im 2er AT von einer hubabhängigen Zusatzdämpfung profitieren. Beim optionalen M-Fahrwerk mit 15 Millimeter Tieferlegung kommen variable mechanische Dämpfer zum Einsatz, deren Zusatzventile Druckspitzen innerhalb der Dämpfer glätten sollen. Der Real-Life-Effekt: Fühlt sich an wie ein Adaptiv-Dämpfer, ist aber keiner.
Weniger Wert wurde offensichtlich auf die Bändigung des Fahrzeuggewichts gelegt, denn auch der neue 2er Active Tourer ist - wie man das von kompakten BMWs schon länger kennt - ein ganz schöner Brummer. Als 223i mit Zweiliter-Vierzylinder bringt der kompakte Familienfreund stattliche 1.620 Kilo auf die Waage. Die Plug-in-Hybride wiegen 1.840 Kilo.
Und damit wären wir mittendrin im Antriebsportfolio. Das ist tatsächlich fast komplett neu. Der einzige verbliebene Diesel und die Benziner sollen zu 90 Prozent neue oder verbesserte Bauteile in sich tragen. Sprit sparen und die Abgase sauberer hinten raus pusten heißt wie immer die Devise.
Beim Vierzylinder 218d mit 150 PS gibt es einen neuen Turbo, eine nun abkoppelbare Kühlmittelpumpe sowie ein motornäheres SCR-System. Die Benziner erhalten eine Kombi aus Direkt- und Sauganlageneinspritzung, eine optimierte Zündung und arbeiten nun nach dem Miller-Brennverfahren mit höherer Kompression. Außerdem rückt der OPF näher an den Motor. Das Ganze bei den Dreizylindern 218i mit 136 PS und 220i mit 170 PS sowie beim Vierzylinder 223i mit 218 PS, der ab März auch als xDrive verfügbar ist. Die beiden Letztgenannten haben überdies die neueste 48-Volt-Mildhybrid-Generation an Bord, deren E-Antrieb mit bis zu 19 PS und 55 Nm boostet.
Richtig steil gehen dürften die Verkaufszahlen des höchsten 2ers allerdings erst im Juli. Dann nämlich werden zwei neue Plug-in-Hybride den Active Tourer in Performance-Sphären katapultieren, die bei diversen Herzschrittmachern für akute Betriebsstörungen sorgen dürften. Gerade beim neuen 230e xDrive denkt man sich: Sind sie jetzt völlig durchgedreht im Petuelring-Vierzylinder? Und das mit einem Dreizylinder! 326 PS. Mehr als ein E46 M3. In einem Minivan. Na gut, man hat schon Pferde kotzen sehen. Künftig könnte das auch beim eigenen Nachwuchs häufiger vorkommen.
Bei den Hybriden ist auch sonst ziemlich viel passiert, weswegen wir ihnen einen eigenen Testartikel gegönnt haben, den Sie lesen können, wenn Sie auf diese blauen Buchstaben klicken.
Lassen Sie mich mit einem reißerischen Statement beginnen, wie man es sonst nur in den Überschriften von Clickbait-geilen Sportportalen findet: Irrer Paukenschlag - dieser Van kann auch Fahrspaß! Wenn Sie sich jetzt entnervt an den Kopf greifen und denken, was schreibt der da für einen Stuss, dann kann ich das nur zu gut verstehen.
Was juckt es den durchschnittlichen 2er-AT-Fahrer, ob der hohe Hobel amüsant ums Eck geht? Dachte ich mir ja auch. Aber die Gegend um Malaga, wo BMW uns zum Fahrtermin antanzen ließ, ist gespickt mit Traumstraßen und je mehr ich davon niederfuhr (so kann man das wirklich sagen *räusper*), desto verschmitzter wurde mein Grinsen. Das des 2er AT vermutlich auch.
Es ist ein seltsam wilder Mix aus Sperrdiff-loser Vorderachse, semi-sportlicher Reifen, einer eher bequemen Federung, einer Lenkung mit recht viel Spiel um die Mittellage (für BMW-Verhältnisse) und einem fast schon absurd mobilen Heck, das den AT deutlich unterhaltsamer macht, als ich es für möglich gehalten hätte.
Du wirfst das Auto recht ungehobelt in die Ecke, es rutscht und taucht ohne viel Lenkrückmeldung über die Vorderräder rein ins Vergnügen, du bleibst einfach drauf, irgendwann schwenkt das Heck mit rum und es "rallye-iert" dich mit etwas Gegenlenken auf der anderen Seite wieder raus. Das ESP ist dabei sogar komplett abschaltbar und greift nur ein, wenn man es völlig übertreibt und ein Kipp-Impuls unterbunden werden muss.
Hatte irgendwie was von einem 80er-Jahre Hot Hatch aus Frankreich. Aber bevor mir eine Horde BMW-Verantwortlicher erschüttert an die Gurgel springt (freut euch doch, dass euer kompakter Praktiker so viel Laune macht!), beende ich den Schabernack und komme zu den seriöseren Tugenden dieses Gefährts.
Da wäre zum Beispiel die hervorragende Dämpfung. Dazu sei gesagt, dass alle Testfahrzeuge das aktive M-Fahrwerk an Bord hatten. Dass selbiges keine Angst vor Ausflügen ins Brachiale hat, haben Sie gerade gehört. Für das tägliche Leben viel besser ist aber, wie hochwertig hier alles ein- und ausatmet. Grundsätzlich rollt der 2er AT sehr gutmütig ab, hat Reserven in alle Richtungen und darf sich auch bewegen, aber er wirkt nie unkonzentriert und in Verlegenheit kommt er auch nicht.
Hier schlägt nichts brüchern durch, hier kracht und verstackst nichts. Es wirkt fast so als würden die Dämpfer in grobschlächtigen Situationen einen wohltrainierten Bizeps anspannen, an dem alles Ungewollte abprallt.
Die Lenkung selbst wird zuallererst mal vom dicksten Lenkradkranz charakterisiert, den die Menschheit je hervorgebracht hat. Zumindest, wenn das M-Volant (optional) an Bord ist. Fährt man langsamer, etwa in der Stadt oder im Wohngebiet, ist sie recht leicht und eher gemütlich. Fährt man schneller, wird sie aber durchaus direkt und in Anbetracht des Fahrzeugsegments auch ein bisschen scharf. Das ist so eigentlich ganz angenehm gelöst.
Im Fahrverhalten zeigt der neue Active Tourer also eine recht breite Palette an Talenten. Dass dazu auch eine ungeahnt wilde Seite gehört, ist ein wenig verstörend, aber alles andere als unwillkommen. Man sollte Fahrwerksingenieure feiern, die selbst bei der Abstimmung eines Minivans den Humor nicht verlieren.
Den zuerst gefahrenen 223i mit seinen 218 PS und 360 Nm wird hierzulande vermutlich niemand kaufen. Da dürften die Plug-in-Hybride attraktiver und mit Förderung obendrein günstiger sein. Schnell ist er ja (0-100 km/h in 7,0 Sekunden). Wenn er auch quer eingebaut und ein wenig kastriert relativ weit weg ist vom Punch und Charisma des 258 PS starken 30i, wie man ihn etwa im 3er oder im neuen 2er Coupé findet.
Obenraus klingt er unter Last etwas schepprig-blechern. In den Modi Sport und Sport Plus werden ein paar wildere Bariton-Noten dazu gemischt, die gefühlt natürlich mindestens 20 Extra-PS freischalten.
Apropos: Die könnte gefühlt auch der 220i ganz gut gebrauchen. Zumindest im direkten Vergleich. Da offenbart sich schon ein gewaltiger Unterschied. Der Einsfünfer-Dreizylinder wirkt mit der kernigen Masse des Acitve Tourer immer ein bisschen angestrengt. Dabei ist auch er richtig fix unterwegs, macht die 0-100 km/h in 8,1 Sekunden und rennt bei Bedarf 221 km/h. Für den Alltag ist man damit mehr als prima versorgt.
Sehr zu begrüßen ist der ganzheitliche Umstieg auf eine 7-Gang-Doppelkupplung. Volkswagen-typisches Anfahr-Ruckeln gibt es bei den Münchnern nicht. Hin und wieder verschluckte sich die Magna-Box eher zwischen den Gangwechseln, aber das ist wirklich undramatisch. Die Schaltgeschwindigkeit in beide Richtungen ist enorm.
Ganz schön kontrovers. Zumindest für treue Fans der Marke. Man muss ja nur ganz kurz auf die Mittelkonsole schielen, um zu sehen, dass es hier nur noch so halb nach BMW aussieht. Luftig, fast schon kunstvoll reckt sie sich in den Raum. Und es mangelt ihr - oh Schreck - komplett an einem Dreh-Drück-Steller. Bah, das hat es in München ja seit mehr als 20 Jahren nicht gegeben. Böse neue Welt.
Aber ist das wirklich so schlimm? Nun zuerst einmal darf man sich am iDrive 8 mit seinem recht opulenten Bildschirm-Konglomerat erfreuen. 12,3 Zoll Instrumentendisplay hängen nun direkt an 10,5 Zoll Infotainment-Display. Letzteres sei, so BMW, in diesem Auto so nah am Fahrer, dass es keinen Bedien-Satteliten mehr brauche. Gehe alles wunderbar per Touch, man komme ja so gut hin.
Nun, das stimmt schon mit dem gut hinkommen und so ganz generell lässt sich das schalterlose Ding mit seinen vernünftig großen Kacheln auch ganz ordentlich per Finger bedienen.
Aber den Dreh-Drück-Steller vermisst man trotzdem recht schnell. Zum Beispiel, wenn man einfach mal die Navi-Karte größer oder kleiner scrollen will. Das funktioniert jetzt nämlich gar nicht mehr so gut. Man arbeite da bereits fieberhaft an einer Lösung, sagt BMW. Wir sind gespannt.
Die Verarbeitung wirkt sehr in Ordnung. Es gibt eine Fülle an großen Ablagen und USB-C-Anschlüssen, die kabellose Ladestation mit ihrer Handy-Klemmspange unter dem Armaturenbrett ist wirklich schlau und das Raumgefühl ist luftig. Sitze und Sitzposition vorne sind hervorragend gelungen. Zumindest gilt das für die optionalen Sportsitze, die in allen Testwagen verbaut waren. Etwas schade: Das Head-up-Display gibt's nur als Spar-Lösung mit Scheibe vor der Scheibe.
Im Fond profitiert das Platzangebot enorm von der um 13 Zentimeter verschiebbaren Rückbank. Da haben auch wirklich große Mitfahrer in puncto Bein- und Kopffreiheit wenig zu befürchten.
Der Kofferraum schluckt je nach Modell um die 400 bis 1.400 Liter. Das passt. Außerdem kann man die Lehne der Rückbank um 90 Grad nach vorne verstellen, was auch noch ein paar Liter bringt.
Eher ungewöhnlich für ein deutsches Premiumprodukt ist die mehr als ansehnliche Serienausstattung. Das große Bildschirm-Double samt Navi und dem Personal-Assistant-Sprachlakaien ist genauso Serie wie eine 2-Zonen-Klimaautomatik, eine elektrische Heckklappe, ein Parkassistent mit Rückfahrkamera, diverse Fahrhilfen und LED-Scheinwerfer. Matrix-Licht gibt es gegen Aufpreis.
So gut gefüllt geht der 2er Active Tourer fast schon als Schnäppchen gegen die beiden teureren Hauptkonkurrenten Mercedes B-Klasse und VW Touran ins Rennen.
Wer die englischen Kollegen von TopGear kennt, weiß, dass man dort immer wieder ungewöhnliche Redaktionslieblinge in den Himmel lobt. Der Skoda Yeti war beispielsweise Zeit seines Lebens ein unangefochtener Star. Ähnliches könnte uns bei Motor1 künftig mit dem BMW 2er Active Tourer blühen.
Das liegt eher weniger bis gar nicht an seinem Design (können Nieren eigentlich irgendwann aufhören zu wachsen???), dafür umso mehr an seinen inneren Qualitäten. Dieses Auto fährt sehr komfortabel und gleichzeitig unerwartet unterhaltsam. Es bietet ordentlich Platz, gute Variabilität und praktische Details. Nur über die reine Touch-Bedienung des Infotainments könnten wir uns nochmal unterhalten. Gerade BMW sollte hier auf seine Stärken nicht verzichten.
Alles in allem aber ein richtig gutes Auto, das obendrein hervorragend ausgestattet und daher im Vergleich zur Konkurrenz auch preislich im Vorteil ist.