Wild, ungestüm, aufregend, nix für jeden - der Ober-2er ist eine Art Mini-M4
Der schönste BMW seit Ewigkeiten. So, jetzt ist es raus. Beschwerden dazu bitte in der Kommentar-Spalte unter diesem Artikel. Aber jetzt mal ehrlich: Dieses Auto sieht endlich mal wieder aus wie ein BMW. Keine Biberzähne weit und breit, klassische Proportionen, dazu Hinterradantrieb (oder ein heckbetonter Allrad) und auf Wunsch sechs Zylinder. Das alles relativ handlich verpackt - ein Auto für die Fans eben.
Das neue 2er Coupé ist kein aufgesexter 1er mehr, steht nun stattdessen auf einer angepassten 3er-/4er-Plattform. Wir haben die technischen Feinheiten bereits bei der Abnahmefahrt im April durchexerziert. Daher hier nur in aller Kürze: Die Achsen werden vom Z4 übernommen, gegenüber dem Vorgänger ist das Auto steifer, schwerpunktet niedriger, kriegt deutlich mehr Spurbreite, mehr Negativsturz vorne und es wächst beträchtlich in alle Richtungen. Auch beim Radstand übrigens. Um 51 Millimeter. Trotzdem ist der noch elf Zentimeter kürzer als beim 4er.
Demgegenüber hat man auch abstimmungsmäßig ein wenig auf die Krawall-Tube gedrückt. Bisschen zackiger, bisschen straffere Hinterachsanbindung, bisschen weniger Dämmung - was man halt so macht, wenn man einen betont wilden Hund aus dem Hut zaubern möchte. Einen ziemlich adipösen wilden Hund, wohlgemerkt. Denn 4er-Unterbau heißt auch 4er-Gewicht. 1.745 Kilo sind es im Falle des M240i xDrive. Aua.
Zum Start gibt es einen Vierzylinder-Diesel (220d mit 190 PS) und einen Vierzylinder-Benziner (220i mit 184 PS). Vorläufiges Topmodell ist der M240i xDrive mit 374-PS-Sechszylinder. Der 230i mit 245 PS folgt im Sommer. Ein M240i mit Hinterradantrieb wohl auch irgendwann. 2023 kommt dann der neue M2. Selbst schalten fällt beim neuen 2er komplett aus, alle Varianten kommen ab Werk mit 8-Gang-Automat.
Dieser M240i fühlt sich an wie ein Junior-M4.
Platz genommen werden darf ab Anfang 2022. Die Preise starten bei 39.700 Euro für den 220i und 42.800 Euro für den 220d. Der 240er kommt ab 56.000 Euro inklusive M-Sportfahrwerk ( gegen Aufpreis mit Adaptiv-Dämpfern), elektronischer Hinterachs-Sperre, noch ein bisschen breiterer Spur, Extra-Verstrebungen an der Vorderachse, 19-Zöllern und einer Vier-Kolben-M-Bremse.
Mein erster Gedanke nach der gut eineinhalbstündigen Testfahrt: Dieser M240i fühlt sich an wie ein Junior-M4. Die absurd schnelle Lenkung mit dem dicken M-Lenkrad, die monströs direkte Vorderachse mit dem ausgeprägten Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, die messerscharfen Bewegungen beim Einlenken, die wie ein Blitz durchs ganze Auto zucken. Auch auf die Gefahr hin, dass ich Sie langweile, wenn Sie zuletzt häufiger mal einen BMW-Test von mir gelesen haben, aber das Muster wiederholt sich.
Alles, was bei den Münchnern durch eine halbwegs sportliche Abteilung geht, bewegt sich inzwischen wie das fahrende Äquivalent zu einer blinkenden Neon-Reklame. Jetzt potenzieren Sie das Ganze circa mal drei und Sie wissen, was der neue 2er so anstellen wird mit Ihnen.
Das alles ist über die Maßen agil, durchaus nervös und richtig aufregend. Da muss man seine Sinne schon beisammen haben, wenn man flotter unterwegs ist. Denn obwohl der Schwerpunkt niedriger ist als beim Vorgänger, spürt man schon noch recht deutlich, dass man in einem sportlichen Coupé sitzt und nicht in einem reinrassigen Sportwagen. So ist es ja auch gedacht, keine Frage.
Man klebt also nicht unmittelbar auf der Straße, da sind schon noch genug Aufbaubewegungen drin in der Karosse. Weil das Ding aber zeitgleich verflucht steif ist und die Sperre an der Hinterachse ordentlich aggressiv unterwegs, zieht es einen bei stärkerem Einlenken teils so dermaßen heftig in die Biegung, dass einem schon mal ein leicht hektisches "Hui ui ui" entfleuchen kann. Wie gesagt, langweilig wird es hier drin ganz bestimmt nicht.
Der Allradantrieb macht den ganzen Spaß uneingeschränkt mit. Er zählt zweifelsfrei zu den Gute-Laune-Botschaftern unter den 4WD-Systemen. Und er ist einmal mehr - immer im Zusammenspiel mit der hervorragend eingestellten Stabilitätskontrolle - absolut wunderbar abgestimmt. Man merkt eigentlich gar nicht, dass er da ist. Das Auto verhält sich wie ein Hecktriebler. Auf nasser oder rutschiger Fahrbahn kriegt man die Vorteile dann aber recht zügig vor Augen geführt. Wo ein kleiner Hecktriebler mit 500 Nm vor Kraft kaum laufen könnte, zieht der 240er stoisch und mit einem Affenzahn seine Bahnen.
Ein Wort noch zum Fahrkomfort. Der ist trotz der kompromissloseren Auslegung mehr als nur akzeptabel. Mit dem adaptiven M-Fahrwerk federte der Testwagen blitzsauber. Erst im Sport-Plus-Modus wird es spürbar hoppeliger.
Auch hier ist es das alte Lied. Der Dreiliter-Reihensechser-Singleturbo ist ein Gedicht. Für mich einer der Hauptgründe einen BMW zu kaufen. Umso mehr in einer Umgebung, in der sechs Töpfe unter einer gemeinsamen Motorhaube im Prinzip ausgestorben sind.
Obwohl er mit einem wahrhaft properen Kampfgewicht umgehen muss, macht er im M240i gefühlt noch ein bisschen mehr Radau als in den größeren Geschwistern. Die 4,3 Sekunden von 0-100 km/h sind da eher Beiwerk. So ein Mercedes-AMG A 45 S oder der neue Audi RS 3 (um sowas ähnliches wie Konkurrenz zu benennen) können das deutlich besser. Aber darum geht es ja gar nicht.
Es sind das fantastische Ansprechverhalten in allen Lagen und die unbedingte, spielerische Drehfreude, die dieses Aggregat auszeichnen. Es stört natürlich auch nicht, dass der B58 (so der interne Code) im 2er mit sehr annehmbaren Geräuschen um sich wirft. Zumindest teilweise. Soll heißen: Das, was man aus dem Motor auf halbwegs natürlichem Weg rausholen kann, klingt hier wirklich gut. Schön sechszylindrig, ein bisschen aggressiv, insgesamt toll.
Aber irgendwer hat in "Sport" und "Sport Plus" das unsägliche Schubbrabbeln wiederentdeckt. Gerade als ich dachte, wir hätten diese dunklen Zeiten hinter uns gelassen. Im 240er ist es besonders penetrant. Als würde jemand mit Drumsticks auf eine Basstrommel schießen. Während der eigene Kopf drinsteckt. Blöd.
Im Vergleich zum Vorgänger ein wahrer Quantensprung. Hier wurde bei der ersten Generation ja gerne und häufig gemeckert. Zu eng, zu billig - so in die Richtung. Jetzt sieht es hier drin eher nach 3er und 4er aus und das ist ja nicht unbedingt verkehrt. Die typische BMW-Nüchternheit haben die Innenausstatter mit sogenannten "Akzentflächen" in den Türen aufgepeppelt. Das sind Streifen in den M-Farben, die im Dunkeln schick leuchten.
Deutlich wichtiger für den ambitionierten Sportfahrer ist aber freilich die Sitzposition und die ist glücklicherweise auf den Punkt. Von meiner früheren Fahrt im 2er-Prototypen weiß ich noch, dass der serienmäßige Sportstuhl passt wie ein Handschuh. Jetzt gab's zur Abwechslung mal die optionalen M-Sportsitze, die deutlich mehr nach Rennstrecke aussehen und etwas enger, aber noch immer sehr gut geschnitten sind.
Über den Platz im Fond legen wir unterdessen lieber den Mantel des Schweigens. Aber wer dieses Auto häufiger als Viersitzer nutzen möchte, der hat den Sinn dahinter ohnehin nicht kapiert.
Relativ annehmbar dagegen - das Kofferabteil. 390 Liter Stauraum warten nun auf Befüllung, die Rückbank lässt sich im Verhältnis 40:20:40 teilen und die Ladekante hat man um 35 Millimeter abgesenkt. Außerdem kann das Auto bis zu 1.600 Kilo an den Haken nehmen. Wir sehen schon Horden an neuen 2ern mit Wohnwägen gen Süden ziehen.
Das neue 2er Coupé ist - entschuldigen Sie die Wortwahl - eine echte Wildsau geworden. Im positivsten Sinne. Ein kompaktes Fahrdynamik-Viech mit grandiosen Proportionen, den richtigen Genen und im Falle des M240i auch mit einem herausragend guten Antrieb.
Das Auto fährt hyperagil, durchaus aggressiv, mit Ecken und Kanten. Das mag nicht jedem gefallen, aber ein Erlebnis ist es immer. Wie zuletzt bei allen Sport-BMWs würde ich mir ein bisschen mehr Echtheit in der Lenkung und ein bisschen weniger Nervosität im Fahrverhalten wünschen, das war's dann aber auch schon.
Der 2er dürfte ein Selbstläufer werden, allein schon, weil es seinen modern gemachten Oldschool-Vibe inklusive ordentlich Dampf so derzeit nirgendwo anders gibt.