Der "kleine" 480-PS-M4 ist weniger hektisch, aber das Schaltgetriebe hat einen entscheidenden Haken
Der M4 für alle, die gemeinhin als "Enthusiasten" bezeichnet werden. Das sind die Menschen, für die alles, was nach - sagen wir - 2005 kam, neumodischer Marketing-Kappes ist, der nichts mehr mit richtigem Autofahren zu tun hat.
Der "Enthusiast" treibt sich gern als ewig nörgelnder Miesepeter in Autoforen herum, früher war schließlich alles besser, sogar die Zukunft. Er liebt Hinterradantrieb, drei Pedale und wenn man diesen komischen Stock auf der Mittelkonsole tatsächlich noch selbst bewegen muss. Ob er 50 PS mehr oder weniger hat, ist ihm ziemlich egal. Hauptsache man fühlt noch was bei der Arbeit.
BMW hat ein Herz für diesen kauzigen Schlag Mensch und deswegen bieten sie ihr neues M4 Coupé tatsächlich noch einmal als Handschalter an. Selbiger ist ein bisschen leichter (25 Kilo) und ein ganzes Eck schwächer als das vorläufige Topmodell M4 Competition mit 8-Gang-Automatik. Die 30 PS (480 zu 510) fallen dabei kaum ins Gewicht. Aber wie wir gleich noch sehen werden, verwandelt der eklatante Drehmoment-Unterschied von 550 zu 650 Nm den Charakter dieses Autos deutlich. Deutlicher als ich es erwartet hätte, das gleich mal vorneweg.
Als knallharte Investigativjournalisten haben wir natürlich alles haarklein durchgekämmt, aber weitere, halbwegs relevante Unterschiede zwischen M4 und M4 Competition haben wir nicht gefunden. Wenn Sie also Grundsätzliches lesen wollen, zum Beispiel warum das hier ein verdammt wunderbares, wenn auch nicht ganz handzahmes Gefährt ist, dann empfehle ich das Studium unseres M3/M4 Competition-Tests.
Da stehen auch haufenweise Zahlen drin, die Ihr M4-Nerdwissen in ganz neue Sphären boosten werden. Heute wollen wir uns aber ausschließlich darauf konzentrieren, wie gut/schlecht so ein neuer M4 mit Schaltgetriebe fährt und ob es Sinn macht, ihn dem durchschlagskräftigeren M4 Competition vorzuziehen.
Zugegeben, so richtig begeistert war ich nicht, als ich in der großen Testwagen-Halle in Garching auf den Schlüssel drückte und Meister Mattschwarz hier aufblinkte wie frisch vom Folierer. Das sinistre Lackkleid macht die streitbare Optik des neuesten M4 nicht unbedingt sympathischer, aber glücklicherweise bietet die BMW-Farbkarte ja noch zig weitere Optionen.
Also schnell das kleine Reisegepäck in den erfreulich geräumigen Kofferraum geworfen und ab zum ultimativen Charaktertest für so einen handgerissenen Performance-Zweitürer. Ähm, nein, nicht die Nordschleife. Es ist davon auszugehen, dass er da relativ ansehnlich durchrödelt.
Es geht nach Südtirol, da gibt es keine 72 Kurven sondern ungefähr 72.000 (die wir dem Zustand meines Magens nach zu urteilen auch restlos mitgenommen haben). Auf dem Ring fährst du natürlich relativ schnell heraus, ob sie das mit dem Fahrwerk, der Balance und der Bremse vernünftig zusammenentwickelt haben, aber wenn du den ganzen Tag Serpentinen in allen Farben und Formen rauf und runterknallst, dann merkst du, ob die Bude wirklich Laune macht. Sprich: Ob sie dich auch berührt, wenn du nicht permanent lebensgefährliche Geschwindigkeiten auf dem Tacho hast.
Apropos: Hier sorgte der stärkere M3 Competition vor ein paar Monaten für den ein oder anderen Schreckmoment. Die fast schon grenzwertig bissige, Aufputschmittel-artige Grundauslegung kumuliert sich im Duett mit dem 650-Nm-Vorschlaghammer gerne mal zum unfreiwilligen Ritt auf dem fiesesten Bullen im Stall. Gut für den Adrenalinspiegel, nicht ganz so gut fürs Nervenkostüm.
Der Basis-M4 verhält sich hier weniger extrem. Er wirkt gelassener, weniger unter Dauerstrom. Offenbar soll der Competition mit seiner hyperaktiven Dynamik auch der weniger geübten Kundschaft bei niedrigeren Tempi Sensationen am Fließband liefern. Wer dagegen den Handschalter kauft, weiß anscheinend viel besser, was er tut und beschafft sich seinen Thrill auf eigene Faust. Aber natürlich ist das auch nur die halbe Wahrheit.
Nun, zum einen, dass die manuelle Option massive 100 Nm weniger Drehmoment zur Verfügung hat und zum anderen, dass die Getriebeübersetzung deutlich entschärft wurde. Die 6-Gang-Box versucht's mal mit Gemütlichkeit, ist überraschend lang übersetzt. Der 2. Gang etwa geht bis über 115 km/h. Das nimmt schon Porsche-Cayman-eske Züge an.
So wirkt das Auto weniger gehetzt, was ja grundsätzlich nicht verkehrt ist, aber einen ganz erheblichen Nachteil hat die Geschichte leider auch. In den engeren Ecken (das gilt für 95 Prozent aller Serpentinen) drückt die lange Gang-Abstufung den Biturbo-R6 nämlich dermaßen ins Turboloch, dass man auf der anderen Seite der Biegung selten so elegant und leichtfüßig rauskommt, wie man das gerne würde. Auf der Rennstrecke wird das in den allermeisten Fällen keine Rolle spielen, aber auf einer eng gewundenen Land-/Bergstraße ist dieser Umstand stark hinderlich für ein adäquat festgezurrtes Grinsen im Gesicht.
Die 8-Gang-Automatik im M3/M4 Competition ist so gepolt, dass die Hinterräder im zweiten oder dritten Gang jederzeit per Latscher aufs Pedal zum Rutschen gebracht werden können. Großer Zeh runter und schwupps - Partytime! Wer im Handschalter gleiches erreichen möchte, kann in den ersten schalten. Dann wird ihm aber relativ schnell die Drehzahl ausgehen. Alternativ haut er schon gefühlte 15 Meter vor dem Scheitel aufs Gas. In schlecht einsehbaren Kurven auch nicht gerade der Weisheit letzter Schluss.
Sie sehen, es ist ein wenig kompliziert. Nicht zuletzt, weil auch der dritte Gang gewisse Hubba-Bubba-Tendenzen aufweist und bei schnellerem Geschlängel etwas tief im Drehzahlkeller sitzt. Der sechste Gang wiederum ist leidlich kurz geraten. Bei 130 auf der Autobahn stehen mehr als 3.500 Touren auf der Uhr. Entsprechendes Klang-Gequengel inklusive.
Das wäre zu hoffen. Aber viel schalten nützt ja auch nur bedingt, wenn die Getriebeabstufung nicht auf den Punkt ist. Ein weiteres Thema sind die Schaltvorgänge per se. Ich weiß, wir bewegen uns hier auf sehr heiklem und subjektivem Terrain. Aber für mich persönlich schaltet auch dieser M4 (beim M2 ist es genau das gleiche) zu sehr wie jeder andere BMW und zu wenig wie ein hoch fokussiertes Performance-Gerät.
Im Vergleich mit dem Schaltgetriebe eines Porsche oder eines sportlichen Honda/Mazda fühlt sich das hier an wie Gummibärchen versus Knäckebrot. Das Kupplungspedal lässt sich gut dosieren, ist aber relativ weich. Der Schaltwiderstand hat eine gewisse Härte, aber der Einrastpunkt ist zu schwammig und die Schaltwege sind nicht wirklich lang, aber eben auch nicht besonders kurz.
Zuletzt hatte ich Gelegenheit einen Z4 3.0i von 2007 zu fahren und der verfügte über deutlich mehr Biss in der Box. Alarmglocken an, Herrschaften! Die Schaltung des neuen M4 ist keinesfalls schlecht, das (deaktivierbare) automatische Zwischengas etwa ist ein Traum. Aber in Anbetracht des Aufwands, den BMW betreibt, um überhaupt noch einen Handschalter anzubieten (und das wird PR-technisch ja auch solide ausgeschlachtet), wären mehr Klarheit und Intensität wünschenswert.
Ich würde es eher "Jammern auf sehr hohem Niveau" nennen. Und das Ganze hiermit auch zügig beenden wollen, denn der M4 macht sehr viele andere Dinge überragend gut. Auch wenn der neue S58-Motor unten raus etwas Anlauf braucht - wie gesagt, das ist eher der Getriebe-Abstufung geschuldet -, haut er einem seine Potenz zwischen gut 4.000 und 7.000 Touren nur so um die Ohren, dass es raucht. Die Gasannahme ist aggressiv, die Drehwilligkeit famos.
Klanglich hat er zur großen Erleichterung das pubertäre Gekrächze und Flatulenz-Geknalle des Vorgängers hinter sich gelassen. Er sechszylindert mit leicht heiserem Bariton, versetzt die Nackenhärchen jetzt aber auch nicht in allerhellste Aufregung. Etwas nervig: Das metallische Dröhnen bei gleichbleibend höherer Drehzahl. Aber theatralisch wummernde Boom-Boxen waren die Ms eh noch nie, wer sowas sucht, muss nach Affalterbach fahren.
"Das Fahrverhalten ist immer ein wenig renitent und verspielt. Gut so, es mangelt definitiv nicht an Emotionalität. Gleichzeitig fühlt man eine Einigkeit mit dem M4, die beim stärkeren und wilderen Competition nicht so ausgeprägt erscheint."
Richtig Punkte macht der M4 beim Fahrwerk. Das Setup ist straff, aber niemals grobschlächtig oder unangenehm. Selbst im Sport-Plus-Modus (den man sich bei den Adaptiv-Dämpfern auch getrost hätte sparen können) wird es nicht über die Maßen wild. Die Dämpfung ist qualitativ herausragend. Selbst Straßen, die diesen Namen nur bedingt verdienen, fährt das Auto sauber und völlig unbeeindruckt platt. Hier verwindet nix, hier scheppert nix, alles fühlt sich sehr wertig an.
Man muss sich ja immer vor Augen halten, dass man es hier inzwischen mit mehr als 1.700 Kilo Premium-Sportcoupé zu tun hat und natürlich ist der Schwerpunkt hier ein gutes Stück mehr Larifari als etwa beim guten alten Elfer. Nichtsdestotrotz würde man nach dem direkten Umstieg keinen völligen Kulturschock erleiden. Die Kontrolle der Aufbaubewegungen ist wirklich gut, selbst schnelle und heftige Richtungswechsel erledigt das Auto mit verblüffender Präzision.
Beeindruckend auch, wie sauber der M4 unter widrigsten Bedingungen beherrschbar bleibt. Fette Welle in der Kurvenmitte? Ist ihm völlig gleich. Hartes Anbremsen in die Kurve mit Schlagloch? War da was?
Das Fahrverhalten ist trotzdem immer ein wenig renitent und verspielt. Gut so, es mangelt definitiv nicht an Emotionalität. Gleichzeitig fühlt man eine Einigkeit mit dem M4, die beim stärkeren und wilderen Competition nicht so ausgeprägt erscheint. Du kannst dieses Auto, zumindest bei Trockenheit, getrost auch mal ohne ESP fahren, ohne gleich in permanenter Angst vor dem unverzüglichen Einschlag zu leben.
In diesem Zusammenhang sei auch auf die neue und absolut glorreiche Traktionskontrolle verwiesen. Sie ist über den Infotainment-Bildschirm in zehn Stufen einstellbar und bietet einen extrem nuancierten Übergang von Grip zu Slip. Irgendwas um die Stufe 5,6,7 und Sie haben einen guten Kompromiss aus Freiheit und Fallschirm.
Bliebe noch das ewige Thema mit den M-Lenkungen. Internationale Fachmedien lobten das Lenkgefühl des neuen M4 teils über den grünen Klee. Ich war mir da nicht ganz so sicher und ich bin es auch jetzt noch nicht. Der dicke Lenkradkranz ist sicher Geschmackssache, löblich sind die gut platzierten Griffmulden.
Auch über das extrem schnelle und ultradirekte Einlenken müssen wir garantiert nicht streiten. Schade ist eher, dass auch hier immer ein kleines Luftkissen zwischen Reifen, Lenksystem und Fahrerhand sein Unwesen treibt. Eine Nuance, ein halber Zentimeter gefühlt, der das letzte Quäntchen Rückmeldung abfedert. Gerade im Übergang von der sehr leichten und hypernervösen Mittellage. Genau die bringt auch Hektik, wenn man den Wagen mal etwas seitwärts fahren will. Beim "Einfangen" eines Drifts schnappt die Lenkung nämlich richtig schnell zurück. Es gibt definitiv Autos, die sich unzickiger quer fahren lassen.
Stellt man die Lenkung von Comfort auf Sport, wird alles etwas handfester und besser. Der Lenkkräfteaufbau überzeugt, Infos von der Straße sind ebenfalls ganz ordentlich vorhanden. Aber bei einem vollwertigen M-Auto wünsche ich mir noch mehr Reibung, mehr Echtheit. Da will ich doch maximal und radikal spüren und erleben. Komplett ohne Filter. Und wer das nicht will - der M340i ist auch sauschnell.
Die Kohlefaser-Schalensitze sind definitiv ein Thema. Sehen natürlich gigantisch aus und bieten Tonnen an Seitenhalt, aber auf Dauer sind sie nicht die aller bequemste Lösung. Die vordere Erhöhung mit dem Carbon-Inlay lässt unangenehme Erinnerungen an .. ähem .. quetschende Achterbahn-Erlebnisse aufkommen und drückt gegen die Beine. Außerdem knackt die Sitzkonsole und beim Aussteigen sieht man aus, als wäre man 103. Überlegen Sie also gut - die Seriensitze sind deutlich komfortabler und halten ebenfalls sehr gut fest.
Ansonsten kriegt das Interieur des M4 von meiner Seite nichts als Lob. Die Sitzverstellung ist so variabel, dass selbst Hühnen von gut über zwei Metern locker eine anständige Sitzposition finden. Selbige ist aber auch für alle anderen Staturen perfekt.
Dazu kommt die industrieweit noch immer beste Bedienung von Infotainment und Co. Inklusive einiger sehr cooler Sportfahrer-Schmankerl. So erzählt einem die redselige "Hey BMW"-Lady auf Anfrage sehr gerne auch von der derzeitigen Öltemperatur oder dem aktuellen Reifendruck.
Gelungen ist auch die Setup-Taste auf der Mittelkonsole. Ein Knopfdruck genügt, ich sehe alle Fahrdynamik-Parameter im Zentraldisplay und kann sie dort auch gleich einstellen. Ein großer Vorteil der M-Fahrzeuge sind zudem die Anzeigen im Instrumentendisplay. In herkömmlichen BMWs sind sie eine mittlere Katastrophe, hier kann man auswählen und findet sich etwa mit der Sport-Ansicht (im Bild oben rechts) sehr gut zurecht.
Er ist schon ein streitbares Stück Sportwagen, dieser neue M4. Er bleibt kontrovers, nicht nur optisch, sondern auch aufgrund der Art, wie er fahrdynamisch abliefert. Dass er hoch veranlagt ist, steht außer Frage. Ein irre schnelles, irre lebendiges Erlebnis, das fasziniert, fesselt und fordert. Die M GmbH hat über die letzten Jahre einen Stil entwickelt, der sehr sehr eigen ist. Eine hyperagile, teils hibbelige Performance, die für manche vielleicht ein paar künstliche Aromen zu viel mit sich herumträgt.
Was das betrifft, ist der Basis-M4 tatsächlich angenehmer als der stärkere M4 Competition. Er wirkt ausgewogener, weniger auf Koffein. Eine zu lange Getriebeübersetzung und ein Schaltgefühl, dass insgesamt nicht speziell genug wirkt, verhageln das sehr zu begrüßende Projekt Handschalter leider ein wenig. In meiner Welt - falls diese für irgendwen von Belang ist - erhält der umtriebigere, entfesseltere M4 mit 8-Gang-Automatik den Vorzug.