Dicker Brummer mit leichtgängiger Lenkung und agilem Charakter
Groß ist er, der BMW iX, wirklich groß, vor allem lang. Von der Form her wirken die vier Autos, die in der Garchinger Garage von BMW auf uns Tester warten, aber ein wenig wie aufgeblasene i3-Modelle.
Ich soll mit dem Fünfmeter-Schiff vom Norden Münchens bis zum Produktionswerk in Dingolfing und wieder zurück fahren. Oder darf? Jedenfalls sind rund vier Stunden Fahrt für mich, der ich in der Pandemie-Zeit kaum mehr Autos getestet habe, eine wirkliche Aufgabe.
Projektleiter Johann Kistler gibt uns zunächst noch eine Einführung. Für ihn ist der iX der krönende Abschluss seiner Berufslaufbahn: In den 80er-Jahren hatte er schon einmal eine Studie mit Natrium-Schwefel-Batterie bei BMW auf die Beine gestellt. In vier Stunden konnte man damals 60 km Reichweite laden - welch ein Unterschied zum iX, bei dem 150 km Reichweite in nur 10 Minuten dazukommen.
Kistler erklärt mir im Auto die Bedienung: Anders als die Autos auf den Pressefotos hat mein Wagen kein Holz in der Mittelkonsole, das mir ohnehin arg protzig erschien, sondern ein Pianolack-Teil. "Für die Bedienung beim Fahren setzen wir nach wie vor auf den Controller", sagt Kistler und zeigt auf den kristallartigen Dreh- und Schiebeknopf. In Fahrt ist das sicherer, weil man nicht hingucken muss. Aber wer will, kann die Funktionen auch per Touchscreen bedienen.
Das Curved Display wirkt deutlich kleiner als auf den Pressefotos. "Wir gehen nicht in einen Wettbewerb Wer hat den größten Monitor", so Kistler. Das Ding ist nicht sehr hoch, wirkt aber dafür wie aus einem Guss und steht frei auf dem Armaturenbrett. Insgesamt wirkt das Cockpit deutlich anders, als von BMW gewohnt. Nur die Lenkstockhebel erinnern noch an den Münchner Standard - der bislang immer etwas trist und mit dem vielen schwarzen Plastik fast schon billig wirkte.
Ungewohnt auch: Die Türen werden von innen nicht per Ziehhebel geöffnet, sondern elektronisch, per Taste - wohl um das gefürchtete Dooring zu verhindern, das versehentliche Öffnen der Tür bei herannahendem Radfahrer. Mich stört das nicht. Nur der Gegensatz fällt auf: Einerseits setzt BMW auf den traditionellen "Dreh-Drück-Steller" statt ganz der Touch-Technik zu vertrauen, andererseits wird die Tür (aus guten Gründen) von innen per Taste geöffnet.
Im Fond des iX sitzt man gut; vor allem die Kniefreiheit ist groß. Der Kofferraum ist offenbar gut nutzbar, auch wenn die Ladeschwelle recht hoch liegt. Trotz Luftfederung lässt sich der Kofferraum auch nicht absenken. Weiterer Nachteil: Es gibt keinen Frunk; die Ladekabel soll man unter den Ladeboden legen - wo sie allerdings bei voller Beladung nicht so leicht greifbar sind.
Jetzt soll es aber losgehen. Jeweils zwei iX fahren einem X6 hinterher, denn das ist kein freier Test, sondern ein "geführter Scenic Drive". Schon im ersten Kreisverkehr fällt auf, wie agil der iX um die Kurve fährt - mein Auto hat die Hinterradlenkung an Bord. Außerdem dreht sich das Lenkrad fast von selbst, während ich sonst von BMWs ein ziemlich zähes Lenkgefühl gewohnt bin. Beides gefällt mir ausnehmend gut.
Die Luftfederung, die mein Auto an Bord hat, ist für meinen Geschmack aber zu sehr auf Komfort ausgelegt: Wenn ich beim mittlerem Tempo hin- und herlenke, fühlt sich das Schwanken fast an, als säße ich auf einem Schaumstoffwürfel. Der vorausfahrende Fahrwerksexperte rät mir, es doch mal im Sport-Modus zu probieren. Aber nein, da wird es subjektiv noch schlimmer, wahrscheinlich weil damit nicht nur die Dämpfung straffer wird, sondern auch die Lenkung verstellt wird.
Auf der Autobahn gebe ich Vollgas und stürme dem X6 hinterher. Die Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h ist schnell erreicht. Auch wenn sich der iX nicht so schnell anfühlt, denn der 2,6-Tonner liegt eben doch sehr satt auf der Straße, lässt sich kaum aus der Ruhe bringen. Für die Autobahn ideal. Allerdings sehe ich den Stromverbrauch auf 27 kWh/100 km hochschnellen.
Später auf der Landstraße komme ich auf moderatere Verbräuche von 22 oder 23 kWh. Auch hier aber macht sich das enorme Gewicht bemerkbar, wenn ich die Verbrauchsanzeige beobachte. Nehme ich das Gas weg, zeigt sie schnell -40 kWh an, gebe ich Gas, werden daraus genauso schnell +60 kWh. Wobei das Plus hier nur mathematisch ein Plus ist.
Und was ist mit der Rekuperation? Ich bin bekennender Liebhaber des One Pedal Driving. Das bietet der iX nicht ab Start, aber man kann es einstellen. Da der iX keine Lenkradpaddles hat, aktiviere ich dafür einfach den B-Modus (am Getriebewähler). Dann fährt der iX genau so, wie ich's mag: Gas weg, und der Wagen wird langsamer.
Cool ist aber auch die standardmäßig vorgewählte adaptive Rekuperation: Damit wird die Rekuperation beim Zurollen auf ein Ortsschild, einen Vordermann oder ein Tempolimit verstärkt. Sogar an einem Gefälle fällt mir auf, dass der iX bergab nicht mehr frei rollt, sondern automatisch die Zügel angezogen hat. Das hat BMW gut hingekriegt.
In Dingolfing angekommen, machen wir eine Tour durch das BMW-Werk, wo der iX gebaut wird. Und zwar auf der gleichen Montagelinie wie BMW 5er, 7er und 8er. Gefragt, ob die konventionelle CLAR-Architektur auch die Basis des iX ist, verneint Kistler: Das sei eine eigene Plattform. Quasi als Beleg zeigt er mir, dass es im iX keinen Mitteltunnel gibt.
Anschließend ist noch eine halbe Stunde Technik angesagt, schließlich ist das Auto BMWs technologische Speerspitze in Sachen Elektromobilität. Ich frage Kistler, warum der iX 40 die gleichen E-Motoren hat wie der iX 50, aber eine niedrigere Systemleistung.
Wie ich mir schon dachte, wird die Systemleistung von der maximalen Stromabgabe des Akkus begrenzt. Und da die beiden iX-Versionen verschiedene Akkus haben, ist eben auch die Systemleistung unterschiedlich.
Die Zellen der beiden Varianten sind unterschiedlich groß und schwer, wie wir anhand von Mustern selbst feststellen können. Die Zellen kommen laut BMW auch von unterschiedlichen Herstellern. Ob auch eine andere Chemie drin steckt, kann oder will mir der Experte aber nicht sagen.
Kistler zeigt mir auch noch das elektrochrome Glasdach: Mit einer Taste am Dach lässt es sich opak oder transparent schalten. Wobei man sich aber unter "transparent" nicht vorstellen darf, dass das Glas so durchsichtig ist wie das frisch geputzte Wohnzimmerfenster daheim. Es bleibt milchig.
Mein Testwagen ist zwar mit Luftfeder und Hinterachslenkung ausgestattet, sonst aber ziemlich basic. Kein Abstandstempomat, keine automatische Spurführung, auch keine Rückfahrkamera: Was ich bei einem Kompaktwagen völlig okay fände, kommt mir in einem 100.000-Euro-Auto (den iX 50 gibt es ab 98.000 Euro) dann doch seltsam vor. Bei der Rekuperation so intelligent, und dann kein Abstandstempomat? Da hat BMW offenbar an der Serienausstattung herumgeknapst. Wer das Auto kauft, sollte schon noch etwas Geld für solche Extras einplanen.
Der BMW iX ist nicht das umweltfreundlichste Auto auf dem Markt. Klar, er fährt lokal emissionsfrei, und der WLTP-Verbrauch von rund 20 kWh ist für diese Klasse hervorragend. Aber natürlich geht ein VW e-Up sparsamer mit der Energie um und lässt sich zudem auch noch ressourcenschonender produzieren.
Der iX ist halt ein dicker Brummer. Zu den Vorteilen gehört die satte Straßenlage, die hohe Stabilität beim schnellen Fahren. Dennoch bleibt das Fünf-Meter-Schiff dank Hinterradlenkung agil in engen Kurven. Gut gefällt mir auch die leichtgängige Lenkung, während mir das Fahrwerk zu schwammig ist. Ist das entscheidend für die meisten Elektroauto-Fahrer? Wohl nicht.
Mit dem fast 100.000 Euro teuren iX 50 will BMW wohl auch nicht auf große Stückzahlen kommen. Vor allem wollen die Münchner damit zeigen, was technisch so alles möglich ist, dass BMW es genauso gut kann wie Tesla. Das ist gelungen, was sich zum Beispiel beim Schnellladen zeigt, bei der Aerodynamik und beim Stromverbrauch. Bei der Reichweite von über 600 km hat BMW die Amerikaner sogar geschlagen.