Wie schlägt sich die dritte Generation des wichtigsten Modells der Marke?
Fünf Millionen Einheiten weltweit. Drei Millionen in Europa. Über 330.000 Stück in Deutschland. Wir können verstehen, wenn Guillaume Pelletreau, der Managing Director des Nissan Center Europe, erklärt, dass der Qashqai "ganz klar das wichtigste Auto der letzten 14 Jahre" für den Hersteller geworden ist. Die Neuauflage des Crossovers - der 35 bis 40 Prozent des Nissan-Absatzes in Deutschland ausmacht - muss als besser gut werden.
Dabei bekommt es der Qashqai mit immer mehr Gegnern zu tun. Dieser Umstand soll unter anderem die sich seit 2016 im Abwärtstrend befindlichen Absatzzahlen erklären. Als Nissan das Modell im Jahr 2007 auf den Markt loslässt, ist die Crossover-Konkurrenz noch ziemlich dünn. Weil sie nicht vorhanden ist.
Die zweite Generation kam 2014 und musste sich potenzielle KundInnen dann schon mit rund zehn anderen Fahrzeugen teilen. Die nun dritte Generation hat es bereits mit etwa 30 Kontrahenten im Kompakt-SUV-Segment zu tun. Hat der Qashqai da noch eine Chance? Test!
Was einem das neue Design vielleicht nicht auf den ersten Blick verrät: der Qashqai ist ein echter Europäer. Das Modell wurde durchweg in Europa und für Europa entwickelt. Gebaut wird er im britischen Sunderland. Also ebenfalls in Europa. Allerdings nicht mehr in der EU. Probleme sieht Nissan dabei aktuell keine. Hoffen wir, dass das dabei bleibt.
Unter der - wie wir finden - sehr gelungenen Design-Auffrischung sitzt wie schon in der Vorgängergeneration die aus der Renault-Nissan-Allianz bekannte CMF-C-Plattform. Diese sorgt dafür, dass der neue Qashqai in Sachen Abmessungen mit keinen großen Veränderungen aufwartet. So befindet sich das Wachstum bei Länge, Breite, Höhe und Radstand im einstelligen Zentimeter-Bereich.
Das sie bei diesen geringen Veränderungen nicht viel davon im Innenraum merken, sollte klar sein. Den Fond können sie zwar sehr komfortabel über große Türen mit einem 90-Grad-Öffnungswinkel entern, Bein- und Kopffreiheit sind aber weiterhin eher durchschnittlich. Hier geht mittlerweile mehr.
Wenn Sie aber jetzt nicht gerade 1,85 Meter groß sind, reicht der Platz im Fond in der Regel aus. Der Kofferraum bleibt mit 436 bis 1.447 Litern ebenfalls auf dem Niveau der letzten Generation. Etwas nervig hier: Die nicht arretierbaren Klappen des doppelten Ladebodens.
Die Auswahl der Antriebe konzentriert sich laut Nissan auf die EU-Wünsche. Zu Beginn werden zwei Vierzylinder-Benziner namens "1.3 DIG-T" mit Mild-Hybrid-Unterstützung angeboten. Das Derivat mit 140 PS und 240 Newtonmeter ist mit einer 6-Gang-Schaltung gekoppelt und treibt die Vorderräder an. Das Modell mit 158 PS kommt mit dem gleichen Schaltgetriebe (260 Newtonmeter) oder einem CVT-Getriebe (270 Newtonmeter), das bei Nissan "Xtronic" heißt, und ebenfalls die Vorderräder bedient.
Allrad kommt erst im August für das Modell mit 158 PS und Xtronic. Ein Vollhybrid mit einer "ePower"-Bezeichnung soll 2022 erscheinen. Diesel sind hingegen Geschichte.
Was hinter dem Lenkrad sofort auffällt, ist die SUV-ige Sitzposition, die wir bereits vom Vorgänger kennen. Ansonsten ist im Interieur so ziemlich alles neu, was neu sein kann. Hier leistete Nissan wirklich gute Arbeit: Der Qashqai wirkt modern, aufgeräumt und kann mit all dem technischen Chic aufwarten, der aktuell erhältlich sein kann.
Zu dem Anspruch tragen vor allem das neue Armaturenbrett, das 12,3-Zoll-Display für die Instrumente sowie der 9-Zoll-Touchscreen des Infotainment-Systems bei. Beides ist ab der dritten Ausstattungslinie "N-Connecta" serienmäßig. Materialwahl und Verarbeitung sind okay.
Hier merkt man trotz der Europa-Gene doch noch ein wenig die japanische Herkunft. Unser Highlight? Das 10,8 Zoll große Head-up-Display. Ohne billige Plastikscheibe. Direkt in der Windschutzscheibe.
Gefahren sind wir alle Versionen, die zum Verkaufsstart am 18. Juni erhältlich sein werden. Gemeinsam haben sie das auf Komfort ausgelegte Fahrwerk, bei dem die Vorderachse deutlich agiler und entwickelter wirkt als die Hinterachse. So lenkt es sich mit dem Qashqai überaus motiviert ein und auch wenn man früh quietschende Vorderräder erwarten würde, bleibt dies aus.
Wenn sich die Hinterachse dann in die Richtungsänderungen einmischt, trübt sich das Bild etwas. Sie will nicht richtig mithalten und quittiert die hohe Motivation an den Vorderrädern mit nervösen Wankbewegungen. Das im August kommende Allrad-Modell könnte hier besser sein.
Wenn Sie jetzt aber nicht gerade auf der Jagd nach Rekordzeiten auf dem Weg zum Supermarkt sind, dürfte ihnen die leichtgängige Lenkung gefallen, der weiche und gut dosierbare Druckpunkt der Bremse oder die optionalen Massagesitze. Der hohe Abrollkomfort und die generelle Ruhe beim Dahingleiten taugen uns ebenfalls. Bemerkenswert ist, dass dies trotz der riesigen Felgen von bis zu 20 Zoll im Durchmesser immer noch möglich ist.
Die verschiedenen Fahrmodi sind nett gemeint. Subjektiv lässt sich aber - egal ob "Sport", "Standard" oder "Eco" - keine nennenswerte Veränderung ausmachen. Die Fahrassistenzen funktionieren hingegen sehr gut und wenn alle Helferlein aktiviert sind, fährt sich der Qashqai fast von alleine. Es braucht sogar ein bisschen Kraft, um den Lenkeingriff zu übergehen und den Nissan von seiner in der Mitte der Fahrspur zentrierten Bahn abzubringen.
Kommen wir zu der wichtigen Frage, welcher Antrieb es nun sein soll. Die Wahl ist nämlich nicht nur durch die geringe Auswahl erschwert. Ob es nun 140 oder 158 PS sind, die den je nach Ausstattung zwischen 1,4 und 1,6 Tonnen schweren Qashqai (60 kg ist die neue Generation ausstattungsbereinigt leichter) in Fahrt versetzen, ist eigentlich völlig egal.
Einen Unterscheid werden Sie hier nicht merken. Sowohl was die Fahrleistungen als auch die Verbräuche angeht. Etwa 10 Sekunden auf Tempo 100 dauert es immer, 200 km/h sind jeweils etwa in der Spitze drin und an der Zapfsäule wollen pro 100 km circa 7 bis 8 Liter nachgefüllt werden.
Etwas anders sieht es bei den Getrieben aus. Während die manuelle Option nicht gerade vor Präzision strotzt, passt sie vor allem zum Einstiegsmotor. Hier ließe sich auch ordentlich sparen und der Basispreis von 25.790 Euro ist in der ordentlich ausgestatteten Linie "Visia" realisierbar. Alle Preise im Detail finden Sie übrigens hier.
Das CVT-Getriebe verlangt hingegen mindestens nach "Acenta". Und dem größeren Motor. Dabei fällt auf, dass das stufenlose Bauteil manchmal etwas durcheinander kommt, den Motor über hohe Drehzahlen sinnlos laut werden lässt und es beim Druck auf die Bremse und anschließender Beschleunigung zu einem leichten Rucken im System kommt. Trotzdem ... die Automatik passt besser. Komfort und so.
Mit der dritten Generation lässt Nissan einen im Schnitt gut gelungenen Qashqai auf das umkämpfte Crossover-Segment los, der - wenn es kein Premium-Fahrzeug sein soll - eine komfortable und am Zahn der Zeit befindliche Alternative zu eigentlich allen Modellen der Konkurrenz ist.
Mit sinnvollen Extras wie Matrix-LED-Scheinwerfern oder Konnektivitätsfeatures ist die Basis mit 140 PS und Schaltgetriebe sicher nicht schlechter als ein Qashqai mit Xtronic und 158-PS-Benziner. Es lässt sich also auch ein sinnvolles 35.000-Euro-Schnäppchen machen. 10.000 Euro mehr sind aber - vor allem wenn Allrad- und Hybrid-Modell kommen - kein Problem.