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Test BMW 4er Coupé (2021): Hinter der Fassade gut?

Ein herausragendes Fahrerauto, die Frage ist, wer es wirklich fahren will ...

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Was ist das?

Das ist das neue BMW 4er Coupé. G22, wenn Sie lässig mit internen Modellcodes angeben wollen. Das Auto basiert auf dem aktuellen 3er, hat aber - Überraschung! -  zwei Türen weniger und insgesamt einen sportlicheren, mehr auf Design fokussierten Anspruch (keine Sorge, zur Optik kommen wir gleich).

Obwohl zweitürige Mittelklasseautos im Zeitalter des SUV-Wahns beinahe zur Randnotiz verkommen sind, glänzte die letzte 4er-Generation mit hervorragenden Verkaufszahlen (800.000 Stück seit 2013). Ob das so bleibt, wissen die Götter, aber Mut haben sie bewiesen in München. Und Junge, haben sie die Aufmerksamkeit auf ihrer Seite. 

Der 4er ist ein deutlich größeres Fahrzeug als bisher. Fast 13 cm länger und 2,7 cm breiter als der Vorgänger, aber das ist natürlich nicht der Punkt. Er wirkt nämlich wirklich kraftvoll, dabei absolut elegant. Zumindest, bis man ihn von vorne ansieht. An der neuen NIERE!!!! kommt man einfach nicht vorbei, so sehr man sich auch darum bemüht. 

Eigentlich wurde nun wahrlich genug über den Grill geschrieben. Machen Sie sich einfach Ihr eigenes Bild. Aber ganz hinter dem Berg halten will ich mit meiner persönlichen Meinung auch nicht. Ich finde, es ist gar nicht die Niere selbst, eher deren Implementierung in die Front, die einfach nicht ganz stimmig wirken will. Aus manchem Blickwinkel wirkt sie okay, aus anderen wie eine Tragödie. Kleiner Tipp: Schauen Sie sich die Schnauze mal im optionalen, glanzschwarzen Trimm an ... könnte helfen. 

Alle Motoren sind aufgeladene Vier- oder Sechszylinder in Diesel- oder Benziner-Form. Hinterradantrieb ist nach wie vor gesetzt. Allradantrieb gibt es optional für den 420d, beim vorläufigen Topmodell M440i ist er Standard. Ein Schaltgetriebe fehlt inzwischen komplett in der Spec-List, ob das in Anbetracht der hervorragenden ZF-Achtgang-Automatik so dramatisch ist, ist eine andere Frage. 

Motor420i430iM440i xDrive420d420d xDriveHubraum1.998 ccm1.998 ccm2.998 ccm1.995 ccm1.995 ccmLeistung184 PS258 PS374 PS190 PS190 PSDrehmoment300 Nm400 Nm500 Nm400 Nm400 Nm0-100 km/h7,5 Sek.5,8 Sek.4,5 Sek.7,1 Sek.7,4 Sek.VMax240 km/h250 km/h250 km/h240 km/h238 km/hNormverbrauch5,3-5,8 Liter5,7-6,1 Liter6,8-7,1 Liter3,9-4,1 Liter4,3-4,6 Liter

 

Fahrdynamisch hat man gegenüber dem hervorragenden 3er nochmal ordentlich aufgebohrt. Der 4er ist 57 mm flacher, hat einen 21 mm niedrigeren Schwerpunkt und die hintere Spurweite wächst um 23 mm. Dazu kommen Versteifungen an Front und Heck, mehr Negativsturz an der Vorderachse sowie sportlichere Abstimmungen für Federn, Dämpfer, Lenkung, Bremsen und Regelsysteme. 

Die Preise starten bei 44.645 für den 420i, der Einstiegsdiesel 420d kostet mindestens 47.082 Euro. Für den standesgemäßen 374-PS-Sechszylinder-Kick im M440i zahlen Sie ab 65.213 Euro. Ein 430e Plug-in-Hybrid ist aktuell noch nicht erhältlich. 

Die Hauptkonkurrenten sind das inzwischen leicht angegraute, aber nach wie vor schicke Mercedes C-Klasse Coupé, der gediegene, etwas fade Audi A5 sowie der völlig unter dem Radar fliegende Lexus RC.

Dass der neue 4er seine Coupé-Dominanz fortsetzt, ist also gar nicht so unwahrscheinlich. Vieles wird davon abhängen, wie die Kundschaft letztlich in diesem - wie BMW selbst sagt - hauptsächlich designgetriebenen Segment auf die neuen Bieberzähne im Gesicht reagiert. 

Wie fährt er?

Einzige Modellvariante beim Fahrtermin in München war der M440i. Der Kenner sieht sofort: Anders als beim Vorgänger hat man dem 440er ein "M" vor die drei Zahlen gesteckt. Damit geht ein nochmal geschärftes Fahrwerkslayout inklusive größerer Bremsen und serienmäßigem Hinterachs-Sperrdifferenzial einher. Und weil der Dreiliter-Reihensechser (nun mit 48-Volt-Mildhybrid-System) inzwischen mit 374 PS und 500 Nm so irre seriöse Leistungsdaten produziert, gibt es nur noch Allrad. 

Sorgen um den Fahrspaß braucht man sich deswegen aber keine zu machen. BMWs heckbetontes xDrive-System ist ein echtes Schmankerl. Selbiges kann man getrost auch vom Rest des Autos behaupten. 

"Der Top-4er wirkt grundsätzlich sehr umtriebig, verspielt und hecklastig."

Der Motor agiert nun beim Beschleunigen mit einem leichten elektrischen Boost, liefert seine Leistung mit einer herausragenden Leichtfüßigkeit und Elastizität und hat gefühlt Drehmoment-Reserven, die nie versiegen. Eine faszinierende, sehr unterhaltsame Kraftquelle. Die obendrein für vergleichsweise absurde Fahrwerte sorgt. 0-100 km/h gehen in 4,5 Sekunden - damit ist der neue 440er schneller als ein E92 M3 mit Vierliter-V8.

Schön auch, dass man dem Auto ein gut vernehmbares Sechszylinder-Timbre mit auf den Weg gegeben hat. Ich vermute, auch hier wurde ein wenig nachgeholfen, aber selten klappte das Verstärken natürlicher. 

Beim Handling fällt zuallererst auf, wie unglaublich schnell, direkt und leicht die Lenkung agiert. Das ist ja nun schon ein wenig länger so bei den sportlicheren Derivaten aus München. Während zweifelsfrei eine extreme Agilität vermittelt wird, fehlt es mir einmal mehr an Gefühl und Information. Das ist schon alles ein wenig künstlich. Der 440 lenkt überaus präzise, aber ich wüsste gerne mehr darüber, wo meine Vorderräder gerade sind. 

An der Hinterachse klappt es doch auch hervorragend. Wie sich das Auto in schnellen Kurven mitteilt, während es Seitenkräfte aufbaut ist eine Schau. Überhaupt sorgt die Balance des Allradlers für reichlich Glücksmomente. Man kann sich auf die Traktion jederzeit verlassen, fühlt aber keinerlei restriktives Verhalten, wenn man das Auto mal ein wenig stärker provoziert. Stattdessen wirkt der Top-Vierer grundsätzlich sehr umtriebig, verspielt und erfreulich hecklastig. Dazu kommt eine sehr hochwertige, satte, aber keinesfalls harte Dämpfung.

Wer es etwas bodenständiger mag, dürfte ebenfalls nicht enttäuscht werden. Ganz im Gegenteil sogar. Bei einer Abnahme-Fahrt mit 4er-Prototypen im April fiel mir vor allem der 430i sehr positiv auf. Der 258-PS-Turbo ist nicht nur wegen seines Klangbilds sicher einer der charismatischsten und fähigsten Vierzylinder da draußen. Außerdem nimmt er Gewicht von der Vorderachse, was sich beim Fahren durchaus bemerkbar macht. 

Der 430i fühlt sich natürlicher an, lenkt harmonischer und darf sich mehr bewegen. Wirklich ein sehr schönes, gefühlvolles Fahrerlebnis, das fast schon selten geworden ist bei modernen Fahrzeugen.

Wie ist er innen?

Das 4er-Cockpit unterscheidet sich nur in Nuancen von dem des 3ers. Die Türtafeln etwa sind anders gestaltet. Außerdem sind Sportsitze serienmäßig. Selbige halten gut fest, dürften aber dazu veranlassen, in Zukunft den ein oder anderen Nachtisch wegzulassen.

Mit dem richtigen Innenraum-Trimm (etwa dem Hellbraun auf den Bildern in der Galerie) wirkt dieses Interieur gefühlt wertiger und stimmiger als zuletzt bei BMW üblich. Als BMW 8er-Fahrer würde ich mich ja schon fragen, warum mein doppelt so teures Auto innen keinen Deut anders daherkommt als dieses. Die Materialien sind definitiv hochwertiger als beim Vorgänger. Zudem wurde stark am Thema Störgeräusche und Vibrationen gearbeitet. Das ist jetzt schon ein anderes Level an GT-ness.

Die flacher nach oben gezogene Windschutzscheibe und die deutlich tiefere Sitzposition verleihen dem 4er-Interieur das gewünschte Sportwagenflair. Die Beinfreiheit hinten ist relativ solide, allerdings verhunzt die flache Dachlinie Personen über 1,80 Meter längere Mitfahrten doch gehörig. Der Kofferraum packt sehr ordentliche 440 Liter weg. 

Was die Bedienung betrifft, hören Sie von uns das immer gleiche BMW-Lied gefühlt seit drei Jahren. Hier ist es grundsätzlich nicht anders und das sind weitgehend hervorragende Nachrichten. 

An das digitale Instrumenten-Display mit seinen unsinnig zueinander geneigten Anzeigen (Tacho und Drehzahlmesser gehen von unten nach oben aufeinander zu) werde ich mich in diesem Leben wohl nicht mehr gewöhnen. 

Alles andere jedoch ist nach wie vor Best in Class. BMW verzichtet dankenswerterweise auf das sinnlose Vernichten von Knöpfen und behält auch den wunderbar logischen Dreh-Drück-Steller bei. Touchen, sprechen und gestikulieren können Sie trotzdem, wenn Sie das wollen. So kriegt jeder, was er möchte und das in nahezu perfekter Ausführung. 

Unterdessen ist auch das Handy gut in seiner Ladeschale aufgehoben und verbindet sich kabellos mit Apple Carplay.

Fazit: 8/10

Ich will ganz ehrlich sein: Ich hatte einen Heidenspaß im M440i und ich war ziemlich hin und weg von der Gesamtperformance dieses Sportcoupés. Bis ich darüber nachdachte, ob ich gerne der Typ Mensch wäre, der sich Tag für Tag in einem derart offensiv und hemmungslos gezeichneten Fahrzeug zeigen möchte. Es wird spannend zu beobachten sein, wie die Kunden mit dieser Glaubensfrage umgehen.

Abgesehen vom fragwürdigen Front-Design gibt es am neuen 4er aber wirklich sehr sehr wenig auszusetzen. Verarbeitungsqualität und der Schliff, der sich durchs gesamte Auto zieht, sind aller Ehren wert. Außerdem gibt es in dieser Klasse nichts, was unterhaltsamer und sportlicher fährt. Das gilt ausdrücklich nicht nur für den M440i, sondern auch für die Vierzylinder, die sicher den Großteil der Verkäufe ausmachen werden. 

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