Der stärkste Mini aller Zeiten ist atemberaubend schnell und fähig, aber der Schalk sitzt ihm nicht mehr im Nacken
Machen wir's kurz: Das ist der stärkste und schnellste Mini aller Zeiten. Und vermutlich das Auto mit den meisten Anbauteilen pro Quadratmeter. Sagen Sie Hallo zum neuesten Mini John Cooper Works GP, der die Frage aufwirft, ob 306 PS in einem 3,88 Meter langen Kleinwagen total geil oder völlig daneben sind.
Dieser GP ist der dritte seiner Art. GP3 will den gleichen Weg einschlagen, der GP1 und GP2 zu Lieblingen der Enthusiasten gemacht hat: Ein paar ernsthafte Sport-Komponenten, mehr Power und weniger Gewicht. Das Problem ist nur: Dieses Mal gibt es SEHR VIEL mehr Power, dafür aber gar nicht mal so wenig Gewicht.
Trotz Eliminierung der Rücksitze und den leichtesten Rädern, die ein Neuzeit-Mini je trug (9 Kg pro), wiegt das gute Stück leer 1.255 Kilo. Das sind zwar 70 Kilo weniger als ein dreitüriger JCW mit Automatik auf die Waage bringt, aber sie sehen schon: Das Problem ist hier eher die schwere Basis.
Ähm ... ja! Im Prinzip hat man hier den Antrieb des BMW M135i in den viel kleineren Körper eines Mini gequetscht. Das beinhaltet zum einen den 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbo mit 306 PS und 450 Nm. Und zum anderen eine Achtgang-Automatik mit - in diesem Fall - extrem irritierend aussehenden Schaltpaddles aus dem 3D-Drucker.
Anders als beim 1er muss hier aber allein die Vorderachse mit dem ganzen Kokolores fertig werden. Ein Torsen-Vorderachs-Sperrdifferenzial mit 31 Prozent Sperrwirkung hilft ihr dabei nach Kräften.
Diese sogenannten Radhausblenden sind aus Carbon, das bei der BMW-i3/i8-Produktion übrig geblieben ist. Man sollte direkt den grünen Punkt drauf kleben. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die breitere Spur des GP abzudecken und rebellisch auszusehen. Aerodynamische Vorteile? Öhm ... nicht so wirklich. Ähnliches gilt für den monumentalen Dachflügel. Ein wesentlich kleineres Exemplar hätte den Job wohl ebenfalls erledigt, aber das sieht halt nicht so cool aus. Der Mini GP ist also kein Downforce-Auto, aber Auftrieb, so sagte man mir, erzeugt er auch nicht.
Eine weitaus größere Wirkung erzielen dagegen die getätigten Fahrwerksmaßnahmen. Der GP ist nicht nur breiter, sonder auch 10 mm tiefer als ein normaler Mini JCW. Die Dämpfer sind passiv, verfügen also nicht über diverse Komfort-/Sport-/Töte meinen Rücken-Modi. Ein GP darf immer Rücken töten. Punkt. (In Wirklichkeit federt er ziemlich ausgezeichnet).
Die Federn sind vorne und hinten um die 20 Prozent straffer. Außerdem gibt es mehr Sturz an beiden Achsen. Wankbewegungen werden durch steifere Stabilisator-Lager reduziert. Außerdem erhöht eine ganze Armada an zusätzlichen Streben die Steifigkeit von Fahrwerk und Karosserie.
Vergessen Sie alles, was Sie an den ersten beiden Mini GPs kennen und höchstwahrscheinlich auch lieben gelernt haben. Das hier ist ein komplett anderes Auto. Mini lud zum Fahrtermin an den Nürburgring. Tatort 1: Das nie enden wollende Geschlängel der Eifel-Landstraßen.
Selbige hätte der rotzfreche Vorgänger mit haufenweise Jux und Dollerei betanzt. Er hätte leichtfüßig gewedelt, beim Lupfen in der Kurve den Hintern fliegen lassen, Sie hätten mit seinem seltsam großen Schaltknauf die Gänge durchgeklackt, Sie wären kein gnomenhafter Torpedo gewesen, aber allemal schnell genug und dabei maximal involviert.
"Es ist vor allem der Durchzug innerhalb der Gänge 2,3,4 und meinetwegen auch noch 5, der für weit aufgerissene Augen und Münder sorgen wird."
Setzen Sie sich ins neue Auto, fahren Sie 500 Meter und Sie spüren, dass der Anspruch ein völlig anderer geworden ist. Hier kommt ein hoch seriöses Sportgerät, dass keinen Sinn (oder besser: keine Zeit) mehr für albernes Geplänkel hat.
Das absolut dominante Gefühl ist eines von absurder Geschwindigkeit, wie sie in einem Kleinwagen so wohl noch nie zu erleben war. Junge, Junge, Junge ... was geht die Box nach vorne. Die 0-100 km/h in 5,2 Sekunden machen den GP3 zu einem der schnellsten Fronttriebler aller Zeiten und obwohl er in etwa den cW-Wert eines vollbesetzten Bierfahrrads hat, schafft er 265 km/h Spitze.
Aber es ist vor allem der Durchzug innerhalb der Gänge 2,3,4 und meinetwegen auch noch 5, der für weit aufgerissene Augen und Münder sorgen wird. Der Mini hat hier definitiv das Potenzial, auch weitaus teurere Sportwagen in Grund und Boden zu beschleunigen.
Der Zweiliter-Turbo ist nicht besonders aufregend, aber ein absolutes Viech. Obwohl das volle Drehmoment bereits bei 1.750 Touren anliegt, gönnt er sich ein wenig Turboloch. Ab knapp unter 3.000 Touren ist dann Kasalla angesagt, ein mächtiger Kraftschwall, der bis gut 6.000 hält. Kurz danach ist leider Ende-Gelände. Das alles geht so fix, dass man manchmal den Schaltvorgang verpennt. So ein bisschen mehr Drehzahl wäre schon ganz cool (und aufregender) gewesen.
Der Klang? Wie es heutzutage eben so ist. Beim Starten des Motors gibt's die unvermeidliche Choreografie aus nach oben schießender Drehzahl und ein paar "Prappappapps". Beim Fahren hört man dagegen relativ wenig. Ein recht synthetisches Surren. Und die Mini-typischen Gewehrsalven aus dem Doppelendrohr fallen inzwischen auch größtenteils dem Partikelfilter zum Opfer.
Ja und nein. Aber eigentlich eher nein. Dieses Auto ist durchaus sehr speziell und anders als alles, was es in seinem Umfeld gibt. Der GP hat mich aber eher wegen seines irren Speeds vereinnahmt und nicht unbedingt weil er vor Gefühl und Spielwitz strotzt.
Die Lenkung agiert weitestgehend fernab der Kommunikationszone. Dafür schmeißt Ihnen die Vorderachse derart viel Torque Steer in die Hände, dass sie den dicken Kranz besser richtig gut festhalten. Dazu sei gesagt: Mein Testwagen stand auf den optionalen Hankook-Semislicks, die dieses Verhalten offenbar begünstigen. Mit den serienmäßigen Hankook-Sportreifen könnte es besser sein.
So viel Charme und Schalk die Comic-hafte Hülle dieses Über-Hot-Hatchs auch verspricht, in seinem Innersten ist der neue GP ein durch und durch auf Performance und Rundenzeiten getrimmter Profi. Auf der Straße verblüfft er mit seinem unbändigen Vorwärtsdrang, aber eigentlich ist er mehr Rennauto, wie sich spätestens auf dem GP-Kurs des Nürburgrings zeigt.
Der Grip in Kurven ist schlichtweg phänomenal, das Wort "Wankbewegung" hat er noch nie gehört und wenn Sie "Untersteuern" sagen, weiß er vermutlich auch nicht, was gemeint ist. Selbst wenn Sie ihn völlig überambitioniert in die Kurve werfen und das Gas lupfen, wird er sich nicht schütteln (das passiert lediglich beim harten Anbremsen aus sehr hohen Geschwindigkeiten ein wenig).
Stattdessen klebt er einfach auf seiner Linie, wartet, dass Sie ihn endlich mit Gas füttern und zieht sich dann mit seiner hervorragenden Vorderachs-Sperre recht mühelos aus der Kurve heraus. Ob die Stabilitätskontrolle an ist, spielt dabei übrigens eine recht untergeordente Rolle. Dieses Auto ist auch ohne elektronische Nanny absolut stabil und narrensicher.
Nicht minder beeindruckend sind die Leistungen von Getriebe und Bremse. Die Aisin-Achtgang-Box schaltet total weich und völlig unmerklich, das Ganze aber blitzschnell und ohne auch nur einen einzigen Verhedderer.
Bei den Stoppern wiederum fühlte ich mich sofort an eine Rennbremse erinnert. Brachialer Biss und sensibles Pedalgefühl paaren sich hier mit erstaunlichem Durchhaltevermögen. Dass der Anker eins zu eins aus dem M135i stammt, erscheint ehrlich gesagt ein wenig überraschend.
Sehr schick und bequem eigentlich. Abgesehen davon, dass Mini auf eine Rückbank verzichtet, den Heckscheibenwischer opfert und eine gewaltige rote Querstrebe in den nun geradezu königlich großen Kofferraum schraubt, erinnert hier wenig an ein vermeintlich asketisches Rennstrecken-Gerät. Die gute iDrive-Bedienung des Infotainments bleibt voll erhalten und selbst die Armlehne darf weiterleben.
Die Sitze stammen vom normalen JCW und erledigen ihren Job tadellos. Die Sitzposition ist wie gewohnt auf den Punkt. Minis obskures Faible für 3D-Gedrucktes findet sich nicht nur in den silbernen Schaltpaddles, sondern auch an der 12-Uhr-Markierung des Lenkrads und im Bereich über dem Handschuhfach. Ziemlich cool fand ich das Instrumentendisplay, das man aus dem Mini Electric entwendet hat (hier allerdings rot statt grün).
Aus mir völlig unerklärlichen Gründen kann man den GP auch ohne Navigationssystem und Klimaanlage ordern. Freundlicherweise darf man dafür auch noch das Gleiche bezahlen. Ich weiß zwar nicht, welcher geistig halbwegs intakte Mensch hier ankreuzen würde, aber herzlichen Glückwunsch - Sie haben wahrscheinlich knapp 6,8 Kilo Gewicht gespart, schwitzen dafür wie ein Schwein und finden nie ans Ziel.
Sie können ihn gar nicht mehr kaufen. Zumindest nicht neu. Von den weltweit 3.000 Mini GP waren 515 für den deutschen Markt vorgesehen und die sind tatsächlich alle schon weg. Heutzutage scheinen selbst 45.000 Euro für einen Kleinwagen keine besonderen Schutzvorrichtungen im eigenen Geldbeutel mehr auszulösen.
Das macht natürlich nicht unbedingt Hoffnung für baldige Schnäppchen auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Sollte Ihr Interesse trotzdem noch hoch sein, dann stellen Sie sich in jedem Fall auf einen Mini ein, der ganz vieles ist, aber sicher kein klassischer Mini.
Die Optik mag völlig oben drüber sein, fahrdynamisch aber hat der neue GP kein Faible für Schabernack und wilden Heckmeck. Hier kommt eine professionell auf Speed geschliffene, extrem traktionsstarke und sehr einfach zu fahrende Track-Waffe, die auf der Nordschleife nur einen Wimpernschlag langsamer ist als ein BMW M2 Competition.
Ich persönlich hätte mir von einem limitierten Performance-Special mehr Drama und Involvierung gewünscht, das ändert aber nichts daran, dass der Mini JCW GP ein in höchstem Maße fähiger Kompaktsportler ist, der überland und auf diversen Rennstrecken zum veritablen Favoritenschreck mutieren wird.
+ irrsinniger Schub und Durchzug
+ extrem gripstarkes, neutrales, unerschütterliches Fahrverhalten
+ brachiale, sehr standhafte Bremsen
+sehr coole Optik
- perfektionistische Performance-Auslegung killt Charisma
- gefühllose Lenkung mit starken Antriebseinflüssen