Was taugt der US-Import in der Version T5?
Greta Thunberg wäre nicht begeistert: Ausgerechnet am internationalen Klimastreiktag fahre ich mit einer großen und schweren Limousine herum. Da hilft es wohl auch nichts, dass das Auto (die neue Generation des Volvo S60) aus Thunbergs Heimat kommt, und dass sich die Marke doch recht stark ökologisch profiliert hat.
Erstens hat Volvo sich von größeren Motoren verabschiedet hat (mehr als vier Zylinder gibt es nicht mehr), zweitens fährt ab 2020 kein Volvo mehr schneller als 180 km/h (wann genau, sagt die Marke noch nicht), drittens werden bis Ende 2020 alle Volvos elektrifiziert (Plug-in-Hybride gibt es schon, eine neue Mildhybridtechnik kommt hinzu, außerdem wird es bald zwei Elektroautos geben, einen Elektro-XC40 und den Polestar 2) und viertens sagt Volvo dem Diesel bald Lebewohl.
Okay. Die dritte Generation des Wagens wurde schon 2018 vorgestellt, kommt aber erst in diesen Tagen auf den deutschen Markt. Erstmals wird das Auto in den USA produziert. Die 4,76 Meter lange Mittelklasselimousine gibt es mit drei verschiedenen Turbobenzinern (T4, T5, bald auch ein T6 AWD), dazu kommt noch der Plug-in-Hybrid namens T8 Twin Engine AWD, einen Diesel gibt es dagegen nicht. Für meine Testfahrt wählte ich den 250 PS starken T5.
Der erste Eindruck ist: Das Auto wirkt sehr solide. Das kommt meist daher, dass das Gewicht hoch ist, und das ist auch hier der Fall: Rund 1,7 Tonnen stehen im Datenblatt. Ein vergleichbarer Audi A4 (45 TFSI quattro) ist trotz Allradantrieb etwa 50 Kilo leichter.
Der Volvo liegt satt auf dem Asphalt, das ist das Gute an einem schweren Auto. Andererseits: Allzu sportlich wirkt der Wagen nicht. Die 250 PS und 300 Newtonmeter Drehmoment des Zweiliter-Vierzylinders reichen natürlich leicht aus, die Fuhre zügig in Schwung zu bringen. Aber man fährt so einen Wagen automatisch im Vernunft-Modus, man fährt damit wie ein Schwede, und das heißt defensiv. Der Wagen schwankt und wankt nicht. Und wenn man bei Tempo 100 mal eben ein wenig am Lenkrad ruckelt, fährt er weiter stur geradeaus. Aber ein klein wenig hart wirkt das Fahrwerk schon, wenn der Asphalt nicht ganz neu ist. Das liegt an der strafferen Abstimmung der gefahrenen R-Design-Version. Die beim Testwagen verbauten adaptiven Dämpfer (900 Euro) lassen sich einstellen, aber auch in der Komfort-Einstellung ändert sich nichts daran.
Der Innenraum ist wirklich sehr schick. Genauso wie das Äußere, wie ich finde. In der gefahrenen Ausstattung R Design (eine andere gibt es zum Marktstart sowieso nicht) herrscht eine gediegene Atmosphäre mit viel schimmerndem Aluminium und schönem Leder.
Einziger Schwachpunkt sind die (optionalen) Schaltwippen, die aus dem gleichen Material zu sein scheinen wie Joghurtbecher und beim Bedienen entsprechende Geräusche von sich geben.
Vor dem Fahrer gibt es serienmäßig ein Instrumentendisplay, das zwei Rundinstrumente zeigt und (bei aktivierter Navigation) eine Karte dazwischen. Das Display ist nicht so weitgehend konfigurierbar wie bei Audi, aber etwa genauso schick und brillant. Audi hat die Nase aber bei der Kartenansicht vorne: Die Google-Earth-Satellitenansicht im A4 sieht deutlich imposanter aus als die 3D-Ansicht im S60.
Das Infotainmentdisplay in der Cockpitmitte ist der bekannte, senkrecht eingebaute 9,0-Zoll-Monitor. Fast alles wird über diesen Bildschirm eingestellt, was etwas ungewohnt ist. Auch eine Bedienungsanleitung ist über das Display abrufbar.
Die bei R Design serienmäßigen Sportsitze bieten ordentlichen Seitenhalt. Im Fond sitzen kleinere Erwachsene noch gut, vor meinen Beinen bleibt sogar ein großzügiger Raum frei. Die Kopffreiheit ist nicht ganz so toll, wer wesentlich länger als 1,75 Meter ist, dürfte oben anstoßen.
Der Kofferraum bietet 442 Liter. Das ist relativ viel, aber natürlich kann man in einer Stufenhecklimousine keinen Kühlschrank oder dergleichen transportieren. Immerhin lassen sich die Sitzlehnen umklappen, bei Bedarf auch nur einseitig. Dazu betätigt man die Tasten, die es leider nur auf einer Seite (der Bürgersteigseite) gibt. Damit lassen sich auch die Kopfstützen hinten umklappen, was den Ausblick aus dem Heckfenster verbessert. Dies und die umklappbaren Fondlehnen kosten allerdings 350 Euro Aufpreis.
Der S60 T5 kostet 46.200 Euro. Eine Achtgangautomatik ist Serie, Allradantrieb gibt es trotz der starken Motorisierung nicht. Zumindest zum Marktstart gibt es wie erwähnt nur eine Ausstattung, nämlich die gefahrene Version R Design. Günstigere Ausstattungen sollen folgen. Die natürlichen Konkurrenten des S60 T5 sind der Audi A4 45 TFSI (nur mit Allradantrieb erhältlich, 46.200 Euro), der BMW 330i (ab 44.750 Euro) und der Mercedes C 300 (ab 44.458 Euro). Man sieht, dass der Volvo preislich eher über den deutschen Wettbewerbern liegt. Zur Serienausstattung gehört das Infotainmentdisplay inklusive Navigation, das Instrumentendisplay, eine Klimaautomatik, ein elektrisch einstellbarer Fahrersitz, der schlüssellose Motorstart (per Drehknopf), Parkpiepser hinten, Sportsitze mit Sitzheizung, Licht- und Regensensor und Smartphone-Integration. Das getestete Auto kam mit vielen Extras (wie LED-Scheinwerfer, Vierzonen-Klimaautomatik, Head-up-Display, Premium-Soundanlage) auf fast 64.000 Euro.
Nun, der S60 T5 erfüllt die Abgasnorm Euro 6d-Temp. Aber er emittiert laut Datenblatt stattliche 152 Gramm CO2 pro Kilometer. Damit ist das Auto aus der Greta-Thunberg-Perspektive natürlich nicht optimal. Eine Alternative wäre das (rund 6.000 Euro teurere) Plug-in-Hybrid-Modell T8 Twin Engine. Wenn man hier nur im Notfall den Verbrenner anwirft und sonst stets elektrisch und mit grünem Strom fährt, verkleinert man seinen CO2-Fußabdruck, so weit es mit dem S60 geht. Übrigens: Volvo will 2020 seine Plug-in-Hybrid-Quote (von derzeit etwa 8 Prozent) verdreifachen. Das soll mit neuen Batterielieferanten gelingen, denn bisher war die Verfügbarkeit der Akkus der begrenzende Faktor. Eine PHEV-Quote von rund 25 Prozent wäre schon ein Wort. Damit würde Volvo auch näher an den EU-Grenzwert für CO2 herankommen.
Für den Volvo S60 spricht vor allem die sehr schicke Optik innen wie außen; das dürfte der Kaufgrund Nummer eins sein. Die Motorisierung T5 ist völlig ausreichend, das Fahrwerk ist auch gut. Zu den Nachteilen gehören die Premium-Preise und der fehlende Allradantrieb.