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Test BMW M135i (2019): Golf R- und A 35-Gegner im Check

Heckantrieb weg, Spaß weg?

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Was ist das?

Ach, wohl nur das meistdiskutierte/gehatete Auto der letzten drei bis vier Jahre. Als klar war, dass BMW seinen neuen 1er auf Vorderradantrieb umstellen und ihm den Sechszylinder stehlen würde, brach im Internet/auf dem Nürburgring/bei der Landjugend die Hölle los. Für Enthusiasten und Sportfahrer machte das Leben plötzlich nur noch begrenzt Sinn. Könnte man zumindest meinen, wenn man den Grad an Entsetzen zum Maßstab nimmt, den der neue M135i ausgelöst hat. Allerdings sprechen die nackten Zahlen eine ganz andere Sprache: Beim Vorgänger-1er F20 machte der driftende, sechszylindernde M140i gerade mal fünf Prozent der Gesamtverkäufe aus. Heckantriebs- und Allrad-Varianten zusammengerechnet, wohlgemerkt.

Also sei hier mal ganz unemotional festgehalten: Selbst wenn es irgendwie weh tut, dass der letzte Kompakte mit sechs Töpfen und dem Antrieb auf der richtigen Seite verschwunden ist, macht es aus unternehmerischer Sicht leider verdammt viel Sinn. Den Skaleneffekten, die so eine einheitliche Kompakt-Plattform mit sich bringt, kann sich heutzutage halt auch ein (vorläufiges) 1er-Topmodell nicht entziehen. Und mehr Platz sowie einen größeren Kofferraum bei etwas weniger Gewicht zaubert BMWs Frontantriebs-Architektur auch noch aus dem Hut. 

Allen, die sich von der Münchner Chefetage trotzdem massiv vor den Kopf gestoßen fühlen, sei gesagt: Ihr müsst künftig eben Coupé kaufen, denn der 2er bleibt auch in nächster Generation Hecktriebler. Oder Ihr findet Euch damit ab, dass ein Performance-1er ab jetzt halt tendenziell die Vorderräder antreibt. Es wird sich so schnell nicht mehr ändern. Bleibt nur zu hoffen, dass die Umsetzung vernünftig geglückt ist.

Na dann: Ist die Umsetzung vernünftig geglückt?

Zumindest hat BMW einiges dafür unternommen. Wenn Sie wissen möchten, wie diese Bemühungen generell aussehen, lege ich Ihnen unseren Test des neuen 118d ans Herz. Speziell für den M135i gilt: Der xDrive-Allradantrieb, der bis zu 50 Prozent der Antriebskraft nach hinten leiten kann, ist genauso Serie wie eine Aisin-Achtgang-Automatik mit Schaltwippen am Lenkrad. Außerdem rollt der 135er auf einem speziell abgestimmten M-Sportfahrwerk mit 10 mm Tieferlegung und 10 Prozent strafferen Federn. Optional ist ein Adaptiv-Fahrwerk mit Verstelldämpfern zu haben, für das die gleichen Werte gelten.

Die schwerer und direkter ausgelegte M-Lenkung sowie die M-Sportbremse sind auch für die normalen 1er-Varianten zu haben. Die mechanische Torsen-Sperre an der Vorderachse nicht. Das gilt auch für die zusätzlichen Karosserie-Versteifungen im Vorderwagen und im Tunnelbereich sowie die steifere Stabilisator-Lagerung. Serienmäßig rollt das neue Auto auf 18-Zöllern mit 225/40er-Bereifung. Gegen Aufpreis sind 19-Zoll-Räder mit 235er-Schlappen im Angebot.

Und dann wäre da noch der Motor ...

Hervorragend aufgepasst. Der wunderbare 3,0-Liter-Turbo-Reihensechser wurde aufgrund akuten Motorraum-Platzmangels zum Teufel gejagt. Dass man sich damit auch keinen Kopf mehr über seine CO2-Bilanz zerbrechen muss, dürfte den BMW-Ingenieuren ganz gelegen gekommen sein. Ins Zentrum des Interesses rückt stattdessen der neue, bereits aus dem X2 M35i bekannte 2,0-Liter-Turbo, den die Münchner so gerne als den stärksten Serienvierzylinder der Firmengeschichte preisen. 

Der Rumpfmotor ist der gleiche wie im 120i. Allerdings gibt es eine neue Kurbelwelle sowie neue Kolben und Pleuel. Außerdem hat man die Verdichtung von 10,2:1 auf 9,5:1 reduziert, weshalb man einen größeren Turbo und mehr Ladedruck fahren kann. Einspritzung, Ansaugung und Kühlung wurden ebenfalls optimiert. 306 PS aus zwei Litern Hubraum sorgen heutzutage nicht mehr unbedingt für weit aufgerissene Münder. Die 450 Nm Drehmoment sind jedoch äußerst stattlich. Fürs Protokoll (und die Kneipenrunde): Die 0-100 km/h schafft der 135er in 4,8 Sekunden, bei 250 Sachen ist wie immer Sense. Den Normverbrauch gibt BMW mit 6,8 Liter an. 

Und jetzt steig endlich ein! Bitte sag, dass er gut fährt ...

Er fährt in erster Linie ... anders. Sehr anders. Das liegt gar nicht so sehr am neuen Motor. Der klingt natürlich nicht ganz so entzückend wie der alte Sechsender. Präsent ist er zweifelsfrei, nun halt anders. Etwas ordinärer. Er rotzt und pöbelt mehr, haut sein "Auf dicke Hose" nun auch über die Lautsprecher in den Innenraum. Aber was Kraft, Ansprechverhalten und Schub angeht, braucht er sich vor dem großartigen B58-Motor kaum zu verstecken. Der Neue ist ein Tier. Er wirkt etwas grobschlächtiger als der Sechszylinder, aber trotz 34 PS und 50 Nm weniger nicht wirklich langsamer. Volle Granate bis zum Limit bei gut 6.500 Touren. Sehr wach, sehr wuchtig. Damit kann man definitiv leben. Die Aisin-Achtgang-Box macht insgesamt einen guten Eindruck, auch wenn Sie einem im Sportmodus unter Last die Gänge ganz schön heftig um die Ohren haut. 

"Wenn Sie auch nur im Entferntesten Erinnerungen an den alten M135i oder M140i haben, dann drücken Sie in ihrem Hirn den großen Reset-Knopf und seien Sie bereit für etwas komplett Neues."

Was das Handling angeht, sind dagegen größere Umstellungen nötig. Wenn Sie auch nur im Entferntesten Erinnerungen an den alten M135i oder M140i haben, dann drücken Sie in ihrem Hirn den großen Reset-Knopf und seien Sie bereit für etwas komplett Neues. Was direkt auffällt: Wie ultra agil das Einlenkverhalten daherkommt und wie flach/schnörkellos der neue 135er (interner Code: F40) durch Kurven pflügt oder auf plötzliche Richtungsänderungen reagiert. Durch die Hilfe der Vorderachssperre und gezielte Bremseingriffe an den kurveninneren Rädern wird man förmlich in die Kurve hineingesaugt. Dazu kommt das neue ARB-System (aktornahe Radschlupf-Begrenzung) aus dem i3. Hier ist die Schlupfregelung nicht mehr im ESP- sondern im Motorsteuergerät untergebracht. BMW verspricht eine deutlich schnellere und feinfühligere Regelung, was zu mehr Traktion beim Beschleunigen, in Kurven und auf nasser Fahrbahn führen soll. In der Realität ist das Ergebnis ein wenig zwiespältig. Untersteuern am Kurvenausgang ist kein Thema, die Traktion ist abartig hoch. Beim Herausbeschleunigen, speziell wenn der Straßenzustand etwas zu wünschen übrig lässt, kriegt man es jedoch mit teils ziemlich heftigem Rupfen und Gezerre am Lenkrad zu tun.

Die Lenkung an sich ist recht schwergängig, wirkt aber trotz der immensen Direktheit entspannter, natürlicher und besser als viele andere BMW-Lenkungen zuletzt. Man merkt schon, dass man jetzt in die Kurve hineingezogen, statt wie vorher -geschoben wird, aber an sich ist die Balance sehr gut. Der 135 lässt sich extrem sauber und schnell bewegen wenn man das will, aber es gehört nicht viel Provokation dazu, um den M-Hintern per Gaslupfer ordentlich fliegen zu lassen. Verglichen mit VW Golf R oder Mercedes-AMG A 35 ist das neue BMW-Hot-Hatch ein deutlich wilderer, kantigerer Hund. Ich sage es fast ein bisschen mit der Hand vor dem Mund, aber dieses Auto fährt in Richtung Limit eher wie ein Hardcore-Fronttriebler. Mehr Civic Type R oder Focus ST als Audi S3. Das ist per se nichts Schlechtes. Im Gegenteil. Man muss sich nur so irre umgewöhnen. Gar nichts zu bekritteln gibt es dagegen in puncto Federungskomfort. Der neue 135er (hier mit Adaptiv-Fahrwerk) federt straff, aber niemals unangenehm hart. Man merkt richtig, wie viel Arbeit in eine möglichst steife Karosserie geflossen ist. Das Abrollverhalten wirkt sehr sauber, satt und extrem hochwertig.

Wie ist er innen?

Insgesamt wirkt auch der neue M135i im Interieur etwas hochwertiger als zuvor. Das Cockpit sieht aus wie im neuen 3er. Die Materialqualität hat zugelegt. Auf Wunsch bekommen Sie nun einen größeren Infotainmentbildschirm und ein digitales Instrumentendisplay. Jeweils mit 10,25 Zoll. Dazu kommt erstmals ein 9,2-Zoll-Head-up-Display. Der optionale M-Sportsitz mit integrierter Kopfstütze sieht natürlich sehr ambitioniert aus und bietet viel Seitenhalt, wirkt jedoch etwas knapp geschnitten. Bei Körpergrößen über 1,85 Meter wird es langsam eng im Schulter- und Kopfbereich.

Hinten gilt das gleiche wie bei den schwächeren 1er-Versionen: Der 135er fühlt sich im Bein- Kopf- und Schulterbereich luftiger an als früher, ein echtes Raumwunder sieht trotzdem anders aus. Der Kofferraum wächst um 20 auf 380 Liter (1.200 Liter bei umgeklappter Rückbank). Dazu bietet er nun praktische Features wie ein gut nutzbares Fach unter dem eigentlichen Ladeboden. Außerdem kann man die Lehne der Rückbank steiler stellen, was zusätzliche 40 Liter Stauraum schafft.

Soll ich ihn kaufen?

BMW hat das getan, was man von BMW erwarten konnte. Es wirkt fast so als wollte man einen besonders umtriebigen, extrem sportlich ausgelegten M135i bauen, um den Verlust des Hecktrieblers zu überpinseln. Mit den vorhandenen Mitteln ist das sicher sehr gut geglückt. Und womöglich darf man den Vorgänger nur wegen seines Heckantriebs und des großen Motors auch nicht zu sehr verklären. Ganz ehrlich: Die alten 135er und 140er sind teils ganz schöne Gummikühe, wanken mehr, kämpfen oft mit dem Grip. Ich bin mir fast sicher, dass man mit dem neuen M135i auf Rennstrecke oder kurviger Landstraße schneller unterwegs ist. Allerdings war der Alte ein charismatischer Hooligan, ein echtes Original, ein Unikat. Der Neue fährt hervorragend (trotz zu viel Gezerre in der Lenkung), unterhaltsam. Aber er unterscheidet sich kaum noch von all den anderen Angeboten in dieser Klasse. Er ist an und für sich ein sehr kompetentes und verflucht schnelles Auto geworden, aber das gewisse Etwas ist jetzt eben weg.

Fazit: 7/10

+ extrem bäriger, brachial schiebender Vierzylinder-Motor; super agiles, sehr unterhaltsames Handling; hervorragende Traktion; hervorragende Dämpfung; etwas mehr Platz im Innenraum

- spürbares Zerren in der Lenkung; Alleinstellungsmerkmal ist komplett weg; nicht mehr so wild; deutlicher Preisanstieg

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