Beeindruckend auf der Strecke, auf der Straße nicht ohne Kompromisse. Wie viel Sinn machen die neuen M-Performance-SUVs?
Das sind die beiden neuesten Ergänzungen zum kontroversen Segment der Performance-SUVs. Zudem ist es tatsächlich das erste Mal, dass BMW das ganz große M-Logo auf einen X3/X4 klebt. Bisher war beim M40i mit 360 PS Sense. Jetzt gibt es wesentlich mehr. Offenbar, weil Sie und ich das unbedingt wollen. 480 PS im Standard-Modell und 510 PS in der Competition-Version. Letztere fungiert bei M traditionell als fahrdynamisch ambitioniertere Ausbaustufe und feiert hier ihre SUV-Premiere. Quasi als noch schmerzhafterer Stachel im Fleisch der Sportwagen-Puristen.
Kurzum: Zwei weitere sehr hohe, sehr schwere Autos, die mit sehr viel Leistung und sehr viel Technologie ausgestattet werden, damit sie schneller durch eine Kurve fahren können als die Physik das jemals geplant hatte. Dennoch vermehrt sich diese widersprüchliche Spezies schneller als die Unbeliebtheit der Groko. Was das über unsere Zeit aussagt, sollen andere beurteilen. Unabhängig davon müssen sich auch die schärfsten Kritiker eingestehen, dass in diesem Segment mittlerweile furchteinflößend fähige Maschinen ihr Unwesen treiben. Mercedes-AMG GLC 63 S, Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio und bald auch wieder der Porsche Macan Turbo - die neuen SUV-Twins der M GmbH kriegen es vom Start weg mit knallharter Konkurrenz zu tun.
Trotzdem spricht man in München ganz unbescheiden von einer neuen Benchmark. Dafür hat man einen in weiten Teilen neuen Biturbo-Sechszylinder entwickelt, das X3/X4-Chassis massiv versteift und diverse Änderungen am Fahrwerk vorgenommen. Außerdem kriegen X3 M und X4 M den Antrieb aus dem erwiesenermaßen glorreichen M5. Das umfasst die verstärkte ZF-8-Gang-Automatik, den M-spezifischen xDrive-Allradantrieb (hier leider ohne die deaktivierbare Vorderachse) sowie eine elektronisch geregelte Hinterachssperre.
Optisch halten sich die neuesten M-SUVs weitgehend zurück. Es gibt üppigere Schürzen mit mehr Platz für einströmende Kühlluft, etwas mehr Spoilerwerk am Heck, vier Auspuffendrohre sowie 20 oder 21 Zoll große Räder mit extrem seriöser Michelin Pilot Sport 4S-Bereifung.
Im Interieur warten exzellente, fest zupackende Sportsitze, viel Carbon (optional) sowie ein neues M-Lenkrad mit zwei knallig roten Tastern, auf denen man seine präferierten Fahrdynamik-Einstellungen hinterlegen kann. Wie bei M-Fahrzeugen üblich, sind das ziemlich viele. Auch X3 M/X4 M verfügen über drei Modi für Motor, Fahrwerk und Lenkung. Außerdem kann man das Getriebe in gleich sechs Stufen zwischen "Sänfte" und "Peitsche" arretieren. Der Allrad lässt sich von "hecklastig" nach "sehr hecklastig" verschieben und das ESP lockert sich zweistufig.
Das wird er definitiv. Der alte S55-Biturbo aus M2, M3 und M4 (410 bis 500 PS) war sicher ein herausragendes Aggregat, aber für die aktuelle PS-Rallye einfach nicht mehr gerüstet. Sprich: Er war komplett ausgereizt. Der neue S58 basiert lose auf dem aktuellen 3,0-Liter-Sechszylinder (B58) aus M340i und Co., hat aber gut 90 Prozent Neuteile. Der Kurbeltrieb und das Hub-Bohrungs-Verhältnis sind komplett neu, außerdem verfügt er über eine leichtere Schmiedekurbelwelle und optimierte Kolben. Eingespritzt wird nun mit bis zu 350 bar. Die beiden Turbos laufen parallel und verdichten die Luft auf bis zu 2,3 bar. Ausschlaggebend für die verbesserte Literleistung sind aber vor allem die effizientere Luftführung und die Minimierung von Druckverlusten.
Aktuell kommt er auf 480 PS (510 PS im Competition) bei 6.250 U/min und 600 Nm bei 2.600 bis 5.950 U/min. Bei X3 M und X4 M reicht das für eine 0-100-km/h-Zeit von 4,2 Sekunden, in den Competitions sind es 4,1 Sekunden. Maximal sind gegen Aufpreis bis zu 285 km/h drin. Die oben erwähnte Gegnerschaft von AMG und Alfa ist ein paar Zehntel schneller, worauf man aber getrost pfeifen kann, wenn das generelle Gefühl stimmt.
Das kann man mit Fug und Recht behaupten. Hier kommt ein BMW-Sechszylinder wie er im Buche steht. Sehr spontan im Ansprechverhalten, leichtfüßig, homogen in der Kraftabgabe und trotzdem mit viel Zug in Richtung roter Bereich. Dass die Drehzahlgrenze nun bereits bei 7.200 Touren "Feierabend" plärrt und nicht wie zuvor bei 7.600, fällt im Realbetrieb nicht wirklich ins Gewicht. Das Ding ist zu jeder Zeit schnell. Sehr schnell. Aber eher feine Klinge, sehnig, ein bisschen turbinenartig. Definitiv nicht der Vorschlaghammer, den der AMG-V8 rausholt. Der Tritt ins Kreuz wirkt weniger heftig, subtiler, aber spielerischer, präziser zu dosieren. Die Gasannahme in "Sport Plus" ist fast schon pervers direkt, das vielzitierte Turboloch quasi ausgemerzt.
BMW stellte zum Test ausschließlich die Competition-Varianten bereit. Das bedeutet 30 PS mehr und ein etwas größeres Drehmomentplateau (die 600 Nm liegen hier nicht bis 5.600, sondern bis 5.950 Touren an). Die Unterschiede im Alltag dürften gering sein. Ob das auch beim Klang der Fall ist? Schwer zu sagen? Der Competition kommt serienmäßig mit einer Performance-Abgasanlage, die keinen überwältigenden (diese Zeiten sind aufgrund endloser Regularien wohl endgültig passé), aber doch einen recht zornigen Sound in die Umgebung wirft. Ein bisschen rotzig, ein bisschen aufmüpfig, aber eher unter Last. Ansonsten sind X3 M und X4 M weitgehend um inneren Frieden im Gehörgang bemüht. Wobei die Autos von außen generell mehr Rabatz machen, als innen ankommt.
So, und jetzt sind wir an dem Punkt angelangt, der mir ein wenig Kopfzerbrechen bereitet. Dazu muss ich - und da müssen Sie jetzt leider durch - ein wenig ausholen. Eigentlich wollte ich die Frage nach dem Sinn eines SUVs, das fahrdynamisch in die Nähe eines M3 vorstoßen soll, tunlichst vermeiden. Aber sie drängt sich nun mal auf. Der Aufwand, der nötig ist, um ein 2.045 Kilo schweres Familienauto mit erhöhter Bodenfreiheit so abzustimmen, dass es maximal kontrolliert, sauschnell und mit ordentlich Feuer in den Lenden um die Kurve prügelt, ist beinahe grotesk. Und er kommt nicht ohne Kompromisse aus.
Was das bedeutet? Nun, die M GmbH hat im Unterleib von X3 M und X4 M gewütet wie ein Tornado. Neben diversen Versteifungsmaßnahmen (vier zusätzliche Streben im Vorderwagen, eine im Hinterwagen und ein mit der Karosse verschraubtes Schubfeld im Unterboden) kriegen die M-Modelle steifere Querlenker vorne, steifere Sturzlenker hinten und ein Performance-Upgrade für alle erdenklichen Lager und Buchsen. Steifere Stabilisatoren sollen Wankbewegungen im Aufbau minimieren und ein erhöhter Sturz von -1 Grad an der Vorderachse das Einlenken agilisieren. Das spezifische M-Adaptivfahrwerk kommt mit strafferen Feder- und Dämpfersettings und eine eigene Lenkung mit angepasster Hard- und Software gibt es auch noch obendrauf.
Schon nach 20 Sekunden im Auto, auf einer ganz gewöhnlichen Straße, werden Sie merken, dass das hier mit einem normalen X3/X4 nicht mehr viel zu tun hat. Vieles davon ist gut, einiges aber auch nicht. Das Auto wirkt wirklich sehr kurz angebunden, extrem direkt, gierig auf Fahrerinput, sehr präzise, fokussiert und ziemlich trocken. Die neuen M-Twins gehen - offenbar ganz bewusst - ohne Fahrdynamik-Viagra wie Hinterradlenkung oder eine elektrische Wankstabilisierung an den Start. Dafür haben Sie im letzten Absatz sehr häufig die Worte "steif" und "straff" gelesen. Die Quittung kommt in Form eines Abrollverhaltens, das einen Hintern aus Stahl und verflucht guten Kleber für die dritten Zähne zur Grundvoraussetzung macht. Je nach Fahrmodus bewegen wir uns hier irgendwo zwischen "überraschend kernig" (Comfort) und "absolut erbarmungslos" (Sport Plus).
Dann wäre da noch die Lenkung. BMW hat in letzter Zeit ein Faible dafür entwickelt, seine Autos massiv über die Lenkung zu agilisieren. Das Lenkgefühl ist recht schwergängig, die Reaktionen überdirekt. Das soll wohl Sportlichkeit suggerieren, wirkt im Alltag aber sehr nervös, hibbelig und gibt ein gummiges, indifferentes Gefühl. Außerdem schnappt die Lenkung relativ schnell und stark zurück, was noch mehr dazu beiträgt, dass sich das Auto ein wenig zu unentspannt, immer ein bisschen überdreht anfühlt. All das gilt wohlgemerkt für die öffentliche Straße, wo ich den X3 M fahren konnte. Auf der Rennstrecke (dort wurde der technisch identische X4 M Competition bewegt) ergibt sich ein deutlich anderes Bild.
Das ist eine sehr gute Frage, die das große Dilemma hinter all den neuen Performance-SUVs ziemlich gut auf den Punkt bringt. Dazu gleich mehr.
"Im Rahmen seiner Möglichkeiten ist dieses Auto am Limit bewegt ein richtiges Brett und ich habe auch keinen Zweifel daran, dass es absurde Rundenzeiten in den Teer brennen kann."
In erster Linie macht der X4 M auf der Strecke jedoch einen verblüffend guten Eindruck. Das Einlenkverhalten ist gigantisch, das Traktionsniveau auch aus ganz engen Ecken heraus absolut monumental. Je schneller man dieses Auto bewegt, desto wohler scheint es sich zu fühlen. Auf einem topfebenen Rennstrecken-Asphalt relativiert sich natürlich die ambitionierte Fahrwerkshärte. Und plötzlich wirkt auch die Lenkung viel harmonischer. Das leicht taube, etwas künstlich aufgeladene Gefühl ist gänzlich verschwunden, stattdessen kriegt man erfreulich viel Feedback von der Vorderachse, spürt sehr genau, wann die Vorderreifen mit ihrem Grip-Latein am Ende sind. Lassen Sie die Lenkung am besten in "Comfort", dort fühlt sie sich am natürlichsten an. In "Sport Plus" ist sie auch hier viel zu schwer.
Im Rahmen seiner Möglichkeiten ist dieses Auto am Limit bewegt ein richtiges Brett und ich habe auch keinen Zweifel daran, dass es absurde Rundenzeiten in den Teer brennen kann. Vom Fahrgefühl her reicht es aber dann doch nicht so recht an eine Top-Sportlimousine oder gar einen richtigen Sportwagen heran. Dafür geht der hohe M vorne zu früh ins Untersteuern, wirkt er etwas zu stacksig, bewegt sich der ganze Aufbau einfach zu viel. Beim schnellen Lastwechsel oder gerade beim Anbremsen. Das hat aber durchaus Vorteile, zumindest, wenn man es gerne beweglich mag. Der X4 M ist nämlich alles andere als eine Spaßbremse. Er fühlt sich wunderbar hecklastig an, zuckt auch gerne mal beim Anbremsen. Die Balance ist richtig launig. Etwas zügelloser in die Kurve geworfen rutscht er nur zu gerne über alle Viere oder wirft auch mal das Heck nach außen. Sehr spaßig.
Neben dem auch unter ständiger Volllast sensationell agierenden Motor verdienen noch zwei weitere Bauteile ein Extra-Lob: Die mächtigen Anker mit 390-mm-Scheiben vorne (370 mm hinten) und den monströsen Sätteln vom Ober-Flaggschiff M760i zeigten sich selbst nach einem ganzen Tag harter und schwergewichtiger Rennstrecken-Nutzung standhaft. Tja, und die ZF-Achtgang-Box im optimierten M-Trimm ist auch hier eine absolute Macht. Zuletzt konnte ich die abgespeckte Variante des Getriebes in der neuen Toyota Supra und im Z4 M40i fahren. Am Limit war das nicht immer pannenfrei. Im X3 M/X4 M dagegen ballert der Automat die Gänge mit der Präzision und Zuverlässigkeit eines Scharfschützen rauf und runter. Wirklich gut.
Jetzt kommen wir wieder zum Ausgangsproblem. Aus rein rationaler Sicht machen X3 M und X4 M kaum Sinn. Klar, das spezifische M-Interieur mit mehr Leder, Carbon, all den Performance-Tastern und den wirklich hervorragenden Sitzen wirkt viel spezieller und hochwertiger als beim Standardmodell. Außerdem hat man natürlich auch hier viel Platz, einen sehr brauchbaren Kofferraum und die wohl beste Infotainment-Bedienung im Segment. Aber im alltäglichen Gebrauch, wo man das vorhandene Potenzial so gut wie nie ausnutzen kann, sind die beiden Performance-Maschinen schon mit einer Härte und Fahrigkeit gesegnet, die man mögen muss. Außerdem sollte mit um die 12 Liter Verbrauch gerechnet werden. Ob da ein komfortablerer, sparsamerer M40d nicht die klügere Wahl ist?
Auf der Strecke oder einem Bergpass, fahren die M-SUVs ihre schwächeren Modell-Geschwister selbstverständlich in Grund und Boden, aber für diese Zwecke ist man mit einem M3 halt immer noch deutlich besser gewappnet. Letztlich wird es egal sein, weil aktuell einfach genug Menschen auf hoch sitzende Autos abfahren, mit denen sie in vier Sekunden auf 100 beschleunigen können. Und wenn es das einzige ist, was sie damit tun.
Damit täten sie diesen beiden beängstigend dynamischen Fahrzeugen leider fürchterlich Unrecht. Auch wenn der neue Biturbo-Sechszylinder besonders hervorsticht, ist es schon Wahnsinn, wie viel Kurventalent in diesen Beinen steckt. Das Zusammenspiel und die hohe Standhaftigkeit aller Komponenten sowie die hohe Qualitätsanmutung sprechen ebenfalls für die beiden Neulinge aus Garching. Ob sie wirklich besser sind als die fantastischen Konkurrenten von AMG, Porsche und Alfa Romeo, sollte man im direkten Vergleich klären. Man muss diese Fahrzeuggattung nicht unbedingt richtig oder sinnvoll finden, aber für Fans viel zu schneller SUVs sind es gerade wahrlich goldene Zeiten.
+ großartiger neuer Sechszylinder; Top-Getriebe; SUV-Dynamik auf Spitzen-Niveau; schönes Interieur mit sehr guten Sitzen; hervorragendes Infotainment
- bretthartes Fahrwerk; unharmonische Lenkung