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Test BMW X7 (2019): Sehr kontrovers, aber beängstigend gut

Protz-Niere und elefantöse Ausmaße? Sie sollten es diesem (leider) sehr guten XXL-SUV verzeihen ...

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Herrje, BMW hat ein fahrendes Phallus-Symbol gebaut ...

Nun, zumindest hat BMW den opulentesten BMW gebaut, den es je gab. Mit dem größten Kühlergrill seit Anbeginn der Zeit. Der neue X7 wird - natürlich - gerade bei uns in Deutschland extrem kontrovers diskutiert. 5,15 Meter lang, satte zwei Meter breit, ein Radstand von soliden eineinviertel Smart (3,10 Meter) und das unbescheidene Gewicht eines ausgewachsenen Nashorns (je nach Motor zwischen 2,35 und 2,55 Tonnen) lassen die neuerdings so grüne Volksseele kochen. Weniger Zeitgemäßness verkörpert derzeit wohl nur ein Faschingswitz von AKK. Dabei spielt der heimische Markt für BMW in diesem Fall eine eher untergeordnete Rolle. Knapp zehn Prozent aller X7 sollen in der BRD verkauft werden. Also ruhig Blut, liebe Hater. Dass euch ein X7 in Schwabing die letzten drei Parkplätze vor der Nase wegschnappt, wird eher selten vorkommen.

Was wirklich zählt (neben China, dem mittleren Osten und Australien), ist das Land, wo alles unter fünf Meter Länge als sozialistisches Werk des Teufels durchgeht. Gemeint sind natürlich die USA. Glauben Sie mir, ich war gerade drei Tage da und hier wirkt selbst der Saus und Braus des neuen Boss-BMW vergleichsweise zierlich. Bei den gut 5,70 eines Cadillac Escalade oder Chevy Suburban geht er fast als Kompakt-SUV durch. Die Konkurrenten sind ohnehin eher ein Mercedes GLS oder Range Rover Long Wheel Base. Mit Abzügen noch der etwas kürzere und günstigere Audi Q7

Um selbigen den Schneid abzukaufen, setzt man in München auf einen Mix aus 7er-Luxus und monumentalen Platzverhältnissen für bis zu sieben Menschen. Angereichert um die typischen BMW-Tugenden a.k.a. "Freude am Fahren", auch wenn letzteres hier auf den ersten Blick etwas absurd wirkt. 

Also fährt der X7 wie ein trächtiger Wal?

Ähm … nein. Ganz im Gegenteil eigentlich. Und das ist der Punkt, der mich beim neuen X7 letztlich am meisten beeindruckt hat. Trotz des Innenraums und der nie enden wollenden Optionen an Luxus-Firlefanz, die für dieses Fahrzeug erhältlich sind (dazu gleich mehr).

Dabei war das Ziel der Entwickler eigentlich, die eigene Luxuslimousine - also den 7er - und das Gefühl, das sie transportiert, möglichst verlustfrei in den ersten Stock zu hieven. Sänftengleicher Komfort, absolute Ruhe im Karton, keine unnötigen Vibrationen, epischer Geradeauslauf - all das Zeug eben. Dafür wurde im Unterbau des Autos massiv die Keule geschwungen. Es bleibt beim bekannten Layout mit Doppelquerlenker-Achse vorne und Mehrlenkerachse hinten. Im Gegensatz zum kleineren CLAR-Plattformbruder X5 steht der X7 aber serienmäßig auf einer Zweiachs-Luftfederung, seine Vorder- und Hinterachse sind hydraulisch gelagert und seine Dämpfer sind generöser, was die Bewegungen in Druck- und Zugstufe (sprich: beim Ein- und Ausfedern) angeht. In Wirklichkeit ist noch wesentlich mehr passiert, aber das würde hier leicht den Rahmen sprengen.

Alles, was Sie interessieren muss ist, dass der Dicke so gut wie alles von der Straße fischt, was die Entspanntheit Ihres Rückens/Hinterns/Handballens/Gemüts auch nur irgendwie in Gefahr bringen könnte. Er gleitet wirklich ganz hervorragend, blendet den Lärm und die nervigen Teile der Umwelt aus, sänftet im besten Sinne, stolpert lediglich ein, zwei Mal bei kurzen heftigen Stößen. Wobei das eher der erschreckenden Beschaffenheit amerikanischer Schlaglöcher als dem X7 anzukreiden ist. Das Auto puppt einen also ganz hervorragend ein, selbst auf den optionalen 22-Zoll-Walzen. Ob es mit den serienmäßigen 20-Zöllern noch besser geht, müssen wir später herausfinden. 

"Gefühlt haben seine Dämpfer mehr Spreizung als das Party-Budget des DFB-Vorstands"

Dass einem ein SUV-gewordener Siebener-BMW ganz vortrefflich die Kissen aufschüttelt, ist jetzt allerdings nicht die ganz große Überraschung. Was mich eher ein wenig erschrocken hat: Wie beängstigend souverän sich dieser Zweikomma-Viel-Tonner bewegt. Oder es eben nicht tut. Gefühlt haben seine Dämpfer mehr Spreizung als das Party-Budget des DFB-Vorstands. Und sie arbeiten so schnell, so gewissenhaft. Der X7 kriegt es irgendwie hin, total komfortabel, aber trotzdem verbindlich und satt zu federn. Außerdem haben es die schlauen Fahrwerksmenschen in München geschafft, dass dieses Auto deutlich weniger Wank- und Aufbaubewegungen fabriziert, als es bei seinen mammutösen Ausmaßen eigentlich der Fall sein sollte. Klar, spätestens auf der Bremse (aber fast nur da) dehnt sich der Bauch-weg-Gürtel ein wenig. Aber sonst ... Der X7 fährt tatsächlich verblüffend präzise, hängt gut an der Lenkung, fühlt sich im Handling wesentlich kleiner an als er ist.

So ein Range, GLS oder Q7 geben sich ja bei der Fahrdynamik eher bierbäuchig-jovial. Der X7 ist hier das deutlich agilere Fahrzeug, geht im Sport-Modus nochmal 20 Millimeter runter und steuert dann noch ein wenig handfester. Und zur Schande der Konkurrenz sei noch erwähnt: Mein Testwagen hatte das optionale Fahrdynamik-Viagra - also die Hinterradlenkung und die elektromechanische Wankstabilisierung - noch nicht mal an Bord. Ich würde so weit gehen und sagen, dass dieses Monumental-Gefährt selbst auf einer kurvigen Bergstraße nicht ganz reizlos ist. Leider bot Arizona hauptsächlich schnurgerade Highways.

Was ist mit den Motoren? Es gibt keinen V8, der X7 muss fürchterlich lahm sein ...

Nun, das mit der fehlenden Achtzylindrigkeit stimmt nicht ganz. Erstens: In den USA gibt es einen 4,4-Liter-V8 mit 462 PS im X7 50i. Davon können Sie sich aber natürlich rein gar nichts kaufen, weswegen ich Zweitens: gute Nachrichten für Sie habe, denn im späteren Verlauf von 2019 wird BMW auch hierzulande eine V8-Variante anbieten. Wie genau diese aussieht, wird noch mitgeteilt, es dürfte sich aber um einen neuen Motor handeln.

Bis dahin müssen es die beiden Sechszylinder-Diesel 30d (zwei Turbos, 265 PS, 620 Nm) und M50d (vier Turbos, 400 PS, 760 Nm) sowie der Sechszylinder-Benziner 40i (ein Turbo, 340 PS, 450 Nm) richten. Den Löwenanteil in Deutschland wird der 30d ausmachen. Zum Test stand aber lediglich der 40i bereit, vermutlich, weil es in den gesamten USA weniger Diesel-Tankstellen gibt als im Großraum Gütersloh. Keine Sorge übrigens, der Dreiliter-Twinpower-Turbo macht seine Sache ausgesprochen gut, beschleunigt den Riesenkoffer in sehr annehmbaren 6,1 Sekunden von 0 auf 100 km/h, wirkt bekannt durchzugsstark und drehfreudig. Dazu kommt eine wie immer hervorragende Achtgang-Automatik. Mehr braucht wirklich niemand. Vor allem, weil davon auszugehen ist, dass man mit einem X7 nicht permanent fahren wird, als wäre der Leibhaftige hinter einem her. Dass Sie hier keine Verbrauchswunder erwarten sollten, ist aber auch klar. Bei gut 500 Kilometern Geradeaus und Geschwindigkeiten von 120 bis 150 km/h waren es dann circa 11,5 Liter im Schnitt.

Ist der Innenraum so feudal wie versprochen?

Ja und nein. Um diese überaus hilfreiche Aussage besser einordnen zu können, erst einmal ein (stark verkürzter) Rundgang durch den unbescheidenen Wahnsinn eines X7-Interieurs. Sie kriegen: Drei Sitzreihen mit sechs oder sieben Sitzplätzen. All diese Sitze können elektrisch zu allen nur erdenklichen Schandtaten gezwungen werden und sind beheizt, in den vorderen Reihen auf Wunsch auch belüftet und knetend. Das Umklappen oder Verschieben (nur Reihe 2, bis zu 14,5 cm) geht per Knopfdruck und zwar vom Fahrerplatz, der Fondtür oder dem Kofferraum aus. Der Kofferraumdeckel öffnet zweiteilig und natürlich ebenfalls elektrisch. Leder sowie die zwei 12,3-Zoll-Screens für Instrumente und Navi/Infotainment sind Serie. Genau wie das vermutlich größte Glasdach der Welt, dass sogar die von vorne kaum mehr zu erkennenden Passagiere in Reihe 3 mit Tageslicht versorgt.

Nicht serienmäßig, aber ziemlich gaga: beheiz- und kühlbare Thermo-Cupholder, eine Ionisierung und Beduftung des Innenraums mit 8(!) verschiedenen Duft-Varianten oder das Sky-Lounge-Glasdach mit 15.000 LED-Lichtpunkten. Romantischer ist nur ein Candle-Light-Dinner zu Klängen von André Rieux. 

Natürlich bietet der X7 auch alles, was Sie auf längeren Fahrten vor Ihren nervigen Bälgern schützt. Ein Rear-Entertainment-System mit zwei 10,2-Zoll-Bildschirmen, Blue-ray-Laufwerk und mehr USB-/HDMI-/Kopfhörer-Anschlüsse als ein Media Markt.

Die Verarbeitungsqualität ist in diesem Auto über jeden Zweifel erhaben. Dinge wie die zweifarbige Lederausstattung, der komplette Alcantara-Dachhimmel (samt Säulen) oder schick gekederte Fußmatten kann man in einem Auto dieser Klasse aber wohl auch erwarten. Wie im kürzlich von uns getesteten M850i bin ich der Meinung, dass das ein oder andere Plastik-Teil im Cockpit bei einem vergleichbaren Mercedes eher nicht vorkommen würde. Insgesamt wirkt der X7 innen aber stimmiger und einladender als beispielsweise der 8er. 

Einmal mehr bin ich auch in diesem Fall kein großer Fan der neuen digitalen BMW-Instrumentierung, weil Tacho und Drehzahlmesser eher lausig ablesbar sind und es mit der Konfigurierbarkeit (zum Beispiel das Großmachen der Navikarte) auch nicht weit her ist. Absolut nichts zu beanstanden gibt es dagegen bei der Bedienung des Infotainments. Da macht BMW meiner Meinung nach derzeit keiner was vor. Berühren, komische Handbewegungen fuchteln, sprechen oder einfach das noch immer wunderbare iDrive-Rädchen bemühen - ich habe die Wahl und alles funktioniert prächtig. 

Und was ist mit dem Platzangebot? Darum geht es doch schließlich ...

Klar, darum geht es im X7 ganz massiv. Und da komme ich wieder auf mein "Ja und nein" von vorher zurück. Ein BMW-Offizieller sagte mir, der Audi Q7 würde hier ziemlich alt aussehen. Damit hat er aber nur teilweise recht. In Reihe 2 ist Ingolstadts Schlachtross nämlich mindestens ebenbürtig. Hier muss ich im X7 die Sitzbank (oder die optionalen Einzelsitze) ganz schön weit zurück fahren, um wirklich herrschaftlich zu lümmeln. Wo der XXL-BMW hingegen uneingeschränkt punktet, ist ganz hinten. In der dritten Reihe können selbst großgewachsene Menschen so sitzen, dass sie auch auf längeren Strecken ihre Würde/das Gefühl in ihren Beinen behalten. Und auch die Kopffreiheit geht hier voll in Ordnung.

Der Kofferraum schluckt mindestens 326 Liter. Hat man alles, was geht, umgeklappt, passen 2.120 Liter in den X7. Ein bisschen mehr als im Q7 (2.065 Liter), deutlich weniger als im scheidenden Mercedes GLS (2.300 Liter)

Soll ich den X7 kaufen? 

Wenn Sie über sehr viel Geld und sehr viele Kinder verfügen oder gerne im Luxus schwelgen, während Sie sehr große Dinge transportieren, dann dürften Sie dieses Auto mögen. Wenn Sie dann noch auf riesige SUVs stehen, die in Kurven nicht fahren wie ein Zeppelin in einem Orkan, dann liegen Sie hier schon verdammt richtig. 

Der X7 federt absolut grandios, ist hoch komfortabel und seiner Plus-5-Meter-Konkurrenz fahrdynamisch dennoch deutlich überlegen. 

Und warum kein knapp 13.000 Euro günstigerer X5? Sehr gute Frage, vor allem hierzulande, wo nicht jede Dorfstraße breit ist wie eine dreispurige Autobahn. Nun, der X7 fährt noch entspannter und seidiger (ohne bei der Agilität all zu viel einzubüßen), hat deutlich mehr Platz und ist bereits serienmäßig wesentlich besser ausgestattet. 

Wenn die epischen Ausmaße des Autos Sie nicht abschrecken, werden Sie in diesem Bereich derzeit wohl nichts Besseres finden. Aber der neue Mercedes GLS kommt noch in diesem Jahr. Das wird ein spannendes Elefantenrennen. Marktstart des X7 ist im Mai.

Fazit: 8/10

+ sensationeller Fahrkomfort; fahrdynamisch das beste XXL-SUV; riesiger, luxuriöser Innenraum; viel Platz in Reihe 3; sehr gute Ausstattung und Bedienung

- dieser Grill; sehr schwer und entsprechend durstig; Platzangebot in Reihe 2 gut, aber nicht überragend

 

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