Zweite Generation ist eine Verbesserung in jeglicher Hinsicht
Die allgemeine Lage rund ums Elektroauto ist auch hierzulande stabiler geworden. Den Beweis liefert die neue, zweite Generation des Nissan Leaf, der im Januar 2018 endlich zu den deutschen Händlern rollt. Als der erste Leaf 2010 das Spielfeld betrat, hatte Nissan das Segment der günstigen, rein elektrischen Autos quasi für sich allein. Seitdem ist viel passiert. Diverse bezahlbare (und auch nicht ganz so bezahlbare) Angebote zum Einstecken kamen auf den Markt. Renault Zoe, BMW i3, VWs e-Golf, der Hyundai Ioniq und so weiter und so fort. Vorteil Nissan: Sie sind jetzt schon bereit für Runde Zwei. Allerdings sehen die Japaner den Wettbewerb offensichtlich etwas anders, als man das von der Autobranche gewohnt ist. Lesen Sie hier den Fahrbericht unseres USA-Korrespondenten Sebastian Blanco anlässlich der Fahrpräsentation des neuen Nissan Leaf im kalifornischen Napa.
Nissan gönnt auch anderen Erfolg
Die Nissan-Verantwortlichen haben - sowohl bei der aktuellen Fahrpräsentation als auch bei diversen Gelegenheiten während des sechsmonatigen Media-Rollouts des neuen Leaf - immer wieder betont, dass der Elektro-Kuchen groß genug für alle ist. Der Erfolg anderer, konkurrierender E-Autos sei daher kein Problem. Je mehr Elektroautos auf die Straße kommen, desto besser, sagt Nissan. Macht ja auch Sinn. Denn egal, ob es um den Aufbau einer Lade-Infrastruktur geht oder darum, generell mehr Menschen davon zu überzeugen, von Benzin auf Strom umzusteigen: Nissan weiß, dass die Elektromobilität an sich viel größer ist, als ein Modell oder ein Hersteller.
Besser in jeder Hinsicht
Tja, und mit diesem Wissen im Hinterstübchen hat Nissan nun eine großartige Alternative für alle gebaut, die emissionsfrei fahren und einen guten Mittelweg finden wollen im ewigen Kampf zwischen niedrigen Kosten und hoher Reichweite. Diese Diskussion würde ich später gerne noch ein wenig weiterführen. Lassen Sie uns aber erst mal mit dem Auto als solches anfangen. Und ja, es ist wirklich schwierig, irgendetwas Schlechtes über den neuen Nissan Leaf loszuwerden. Gegenüber dem Vorgänger ist er eine Verbesserung und zwar in jeder erdenklichen Hinsicht. Er sieht besser aus, hat mehr Reichweite, mehr Kraft und deutlich bessere Sicherheits- und Infotainmentsysteme.
Stark verbessertes Design
Das Design des ersten Leaf war, um es freundlich auszudrücken, ein Fall für den besonderen Geschmack. Es tat, was es tun musste: Den Leaf als E-Auto von der Masse absetzen und komische Froschaugen haben, um den Luftwiderstand zu minimieren. In der Zwischenzeit hat Nissan entweder neue Designer angestellt oder das vorhandene Team hat seine Fähigkeiten massiv aufgebohrt, denn der neue Leaf verströmt die typische Elektro-Esotherik, ohne daherzukommen wie ein Aussetziger. Auch die zweite Generation ist nicht der Prototyp der klassischen Schönheit, aber verglichen mit dem, was einst war, ist sie ein visuelles Freudenfest.
Günstig aber nicht billig
Innen bleibt es beim ,Günstig-aber-nicht-billig"-Gefühl. In den höheren Ausstattungslinien wird es sogar relativ schick. Die Bedienelemente und Knöpfe sind dort, wo man sie haben will (alle Antriebs- und Fahrmodi etwa hat man zentral um den Gangwahlhebel angeordnet) und der mittig verbaute Sieben-Zoll-Touchscreen füttert Sie logisch mit Informationen, selbst wenn Sie hin und wieder durch ein paar Menüs durch müssen, um ans Ziel zu gelangen. Vorne gibt es mehr als genug Platz, im Fond ist es aber noch immer etwas eng - gerade, wenn man bedenkt, welche Vorteile reine E-Autos ohne den klassischen, extrem platzraubenden Verbrenner-Antriebsstrang hier eigentlich haben sollten. Immerhin gewinnt der Kofferraum im neuen Leaf deutlich, wächst von 370 auf 435 Liter.
Enttäuscht beim Fahren nicht
Der neue Leaf ist etwas schwerer als das alte Modell, allerdings hat man auch das Fahrwerk etwas straffer abgestimmt. Fahr- und Kurvenverhalten enttäuschen nicht im Geringsten. Ehrlich gesagt fühlt sich der neue Leaf beim normalen Fahren spritziger an als je zuvor. Danken Sie dem ansatzlosen Drehmoment der nun deutlich stärkeren E-Maschine für diesen Umstand. Sogar auf der Autobahn, wo die Elastizität deutlich wichtiger ist als der übliche 0-100-km/h-Wert, fühlt sich die Beschleunigung niemals unbefriedigend an. Auch wenn erwähnt werden sollte, dass es bei einer Höchstgeschwindigkeit von 144 km/h bleibt. Sie finden es ohnehin besser, wenn das Auto die Fahrerei übernimmt? Nun, dann haben Sie in diesem Fall Glück.
ProPilot macht Sinn
Denn der Leaf offeriert Ihnen den neuen ProPilot Assist. Er soll eine Fahrerleichterung sein und definitiv kein komplett autonomes System. Die meiste Zeit ist die Technik schlau genug, Sie mittig auf ihrer Autobahnspur und weit genug weg von Ihrem Vordermann zu halten. Wenn nötig stoppt sie das Auto auch komplett. Allerdings hatte ProPilot während meiner Testfahrt ziemliche Probleme mit dem Erkennen von Anhängern oder Motorrädern. Und jedem, der das System abseits einer Autobahn oder einer großen Bundesstraße verwenden will, sei gesagt: Die Anzahl an Warnpiepsern, die ProPilot absondert, um Ihnen klar zu machen, dass es für solche Situationen nicht konzipiert wurde, wird Sie schnell zum Aufgeben bringen. Übrigens: Wer die Hände nicht am Lenkrad behält, wird mit immer fürchterlicher trötenden Warntönen übersät. Sollte das nichts helfen, haut der Leaf den Stachel rein, um Sie aufzuwecken. Notfalls auch bis zum Stillstand. Apropos: Stehenbleiben und danach wieder anfahren kann der Leaf auch. Wenn Ihr täglicher Arbeitsweg also einen Haufen Stop&Go beinhaltet, macht ProPilot absolut Sinn. In der Vorverkaufs-Sonderedition Leaf 2.ZERO (34.950 Euro) ist das System Serie.
e-Pedal fühlt sich natürlich an
Immer dabei beim Leaf ist das neue e-Pedal, das es dem Fahrer ermöglicht, ausschließlich mit dem Gaspedal zu fahren: Gehen Sie vollständig vom Gas, bremst das Auto (regenerativ über die Elektromaschine und mechanisch über die Bremsscheiben) bis zum Stillstand. Das Auto wird automatisch festgehalten, bis Sie wieder Gas geben. Für Notbremsungen steht natürlich auch in diesem Modus das normale Bremspedal bereit. Womöglich kennen Sie das Prozedere bereits von anderen Elektroautos und im neuen Leaf ist es das gleiche: Hat man ein paar Kilometer abgespult, fühlt sich das e-Pedal völlig natürlich an.
Da kommt noch mehr
Und was ist mit der Hardware? Nun, der Elektromotor ist im Prinzip die gleiche Einheit wie im ersten Leaf. Dank eines neuen Inverters (wandelt den Gleichstrom der Batterie in Wechselstrom für den E-Motor) steigt die Leistung jedoch von 80 auf 110 kW. Das Drehmoment beträgt nun 320 Newtonmeter. Das Herz des Leaf wurde ebenfalls verbessert. Sprich: Die Batterie leistet nun 40 statt 30 Kilowattstunden. Dass die allgemeine Lage des E-Autos stabiler geworden ist, zeigt sich auch darin, dass wir fast am Ende dieses Fahrberichts angelangt sind und noch kein Wort über Reichweite verloren haben. Schämen braucht sich der Leaf für seine ganz bestimmt nicht. Offiziell bringt er es auf 378 Kilometer. Damit steht er in etwa auf einer Stufe mit Renault Zoe, Opel Ampera-e und der künftigen Tesla-Model-3-Einstiegsvariante, schlägt den e-Golf, den Hyundai Ioniq oder den BMW i3 aber deutlich. Und für Ende 2018 hat Nissan bereits weitere Leaf-Varianten mit noch mehr Leistung und Reichweite angekündigt.
Denn sie wissen, was sie tun
Allerdings macht bereits der neue Standard-Leaf - gerade im Hinblick auf seinen Einstiegspreis von 31.950 Euro - sehr viel richtig. Nissan hat bisher über 200.000 Leaf verkauft und damit das aktuell erfolgreichste Elektroauto der Welt im Portfolio. Man merkt einfach, dass sie wissen, was sie tun. Auch und gerade, wenn man den neuen Leaf fährt.
Wertung
Motor und AntriebMotorartElektromotor Leistung in PS150 Leistung in kW110 Drehmoment in Nm320 AntriebVorderradantrieb Gänge1 GetriebeAutomatik FahrwerkSpurweite vorn in mm1.540 Spurweite hinten in mm1.555 Räder, Reifen vorn205/55 R16 Räder, Reifen hinten205/55 R16 Maße und GewichteLänge in mm4.490 Breite in mm1.790 Höhe in mm1.540 Radstand in mm2.700 Leergewicht in kg1.535 Zuladung in kg260 Kofferraumvolumen in Liter435 Fahrleistungen / VerbrauchHöchstgeschwindigkeit in km/h144