Elektrifizierter Pick-up-Klassiker oder lieber die "Sportversion"?
Gerne würde ich Ihnen jetzt erzählen, dass ein Auto namens Toyota Hilux überall hinkommt. Vermutlich hätte ich das ein paar Tage eher auch noch getan. Doch dann wurden in der türkischen Bergregion Kappadokien aus plus 26 Grad minus 5 und das Schneegestöber setzte ein. Die Folge: Mehrere Hilux blieben stecken (Ja, das kann passieren!), geplante Routen mussten geändert werden.
Was lernen wir daraus? Über ein Meter hohe Schneeverwehungen sind selbst für ein Pick-up-Urgestein wie den Toyota Hilux mit seinen vermarkteten "Go-anywhere-Qualitäten" zu viel. Irgendwann setzt die Physik dann halt doch Grenzen.
Ansonsten bringt der robuste Japaner seit über 55 Jahren sperrige Güter an die entlegensten Stellen der Welt (außer im Schneesturm), dient als kräftiges Arbeits- und Zugtier oder kommt mehr oder minder offiziell militärisch zum Einsatz. Inzwischen sollen es laut Toyota 27 Millionen verkaufte Hilux insgesamt sein. 2023 lag der Pick-up auf Platz Acht der meistverkauften Autos weltweit.
Beliebt ist der Hilux vor allem in Australien, Afrika und Südamerika, was Sinn ergibt, wenn wir auf die Struktur mancher Straßennetze dort schauen. In Deutschland spielen Pick-ups generell nur eine eher untergeordnete Rolle, auch wenn der Trend nach oben zeigt. Wahrscheinlich sind hiesige Förster, Jäger und Landschaftsbauer derzeit noch zufrieden mit ihrem Fuhrpark.
Auch wenn Deutschland nicht Zielmarkt Nummer Eins ist, kommen zwei neue Versionen der achten Generation des Japan-Pick-ups jetzt auch hierzulande in den Konfigurator. Einer ist der elektrifizierte 2,8 Liter Diesel mit 48-Volt-Mild-Hybrid-System, das den Gesamt-CO2-Ausstoß des Toyota-Fuhrparks ein wenig runterschrauben soll.
Ein 12-kW-leistender E-Motor sorgt hier in Verbindung mit einer 4,3-Ampere-Stunden-Batterie für ein wenig mehr Energierückgewinnung und smootheres Anfahren, bevor 2026 dann auch eine E-Version des Hilux mit der neunten Generation am Start sein soll. Zudem soll der überarbeitete GR Sport II die Lifestyler ansprechen.
Schnelle DatenToyota Hilux Hybrid 48VToyota Hilux GR Sport IIAntrieb2,8-Liter-Vierzylinder-Diesel, Allrad2,8-Liter-Vierzylinder-Diesel (+ 12 kW PMS-Elektromotor und 48-Volt-Batterie) , AllradGetriebe6-Gang-Automatikgetriebe (inkl Multi-Terrain-Select)6-Gang-Automatikgetriebe (inkl Multi-Terrain-Select)Leistung / Drehmoment150 kW (204 PS) / 500 Nm150 kW (204 PS) / 500 NmBeschleunigung10,7 Sekunden10,7 SekundenHöchstgeschwindigkeit175 km/h175 km/hCO2-Emission (WLTP)265 g/km280 g/km
Verbrauch (WLTP)
10 - 10,2 Liter10,7 Liter
Basispreis
54.335 Euro65.580 Euro
Exterieur | Interieur | Fahrbericht | Preise und Konkurrenz | Fazit
Fährt der 48-Volt-Mild-Hybrid unverändert über die Schotterpisten der Welt, sorgt Gazoo Racing beim Toyota Hilux GR Sport II für ein wenig mehr Mut zum kräftigeren Auftritt - inspiriert vom mehrfachen Rallye-Dakar-Gewinner.
Deshalb kommt das neue Topmodell der Hilux-Reihe mit einer vorne um 135 mm und hinten um 155 mm verbreiterten Spurweite. Die Bodenfreiheit konnte auf 323 mm erhöht werden, während der Böschungswinkel von 29 auf 30 Grad vergrößert wurde.
Mit rot lackierten Schraubenfedern und Dämpfer hinten, roten Bremssätteln, schwarzen Kotflügelverbreiterungen, Lufteinlässen und neu gestalteten schwarze 17-Zoll-Leichtmetallrädern soll das robuste Arbeitstier sportlicher wirken. Ein Aero-Sportbügel rundet das "Aerodynamikpaket" ab.
Ansonsten bleibt auch der GR Sport II bei Altbekanntem. Auf 5,32 Metern zeigt sich eine klassisch funktionale Pick-up-Form: Eine Doppelkabine mit 1,55 Meter langer Ladefläche. Die Mindestbodenfreiheit von 289 Millimetern sorgt sowohl für reichlich Spielraum im Gelände, als auch für einen recht imposanten Auftritt. Kennen wir alles - schauen wir also ins Innere!
Klassische Rundinstrumente, ein lang herausschauender Automatikwahlstock und ein recht kleines 8-Zoll-Infotainment-System mit stark pixeliger Umgebungskamera lassen keinen Zweifel: Wir sitzen hier in einem Auto, das mit einem fünf Jahre alten Facelift insgesamt etwa zehn Jahre auf dem Buckel hat. In der Zeit ist die Entwicklung derart rasant fortgeschritten, dass gefühlt ein unmittelbarer Retrocharme einsetzt.
Doch lassen Sie sich von der Optik nicht täuschen, der Toyota Hilux ist vollgestopft mit Sicherheits- und Assistenzsystemen. Verbessertes Pre-Collision-System, adaptive Geschwindigkeitsregelung mit Verkehrszeichenerkennung und ein adaptives Fernlicht erhöhen den Fahrkomfort. Ein JBL-Audio-Paket, Toyota Smart Connect, Apple CarPlay und Android Auto steigern die Annehmlichkeiten während der Fahrt.
AbmessungenToyota Hilux Hybrid 48VToyota Hilux GR SportLänge x Breite x Höhe5.325 x 1.900 x 1.865 mm5.325 x 2.020 x 1.880 mmRadstand3.085 mm3.085 mmLadefläche
Länge: 1.555-1.840 mm
Breite: 1.540 mm
Länge: 1.555-1.840 mm
Breite: 1.540 mm
Leergewicht2.295-2.325 kg2.155-2.325 kgZuladung 835 kg max.1.055 kg max.Max Anhängelast3.500 kg3.500 kgMax Stützlast140 kg140 kgBöschungswinkel29 Grad max.30 Grad max.Mindestbodenfreiheit289 - 310 mm323 mm
Die Materialien aus dominierendem Hartplastik sind geländefreundlich gut zu reinigen. Lediglich eine USB-C-Ladebuchse vorne ist jedoch ebenfalls nicht mehr zeitgemäß. Wer tief ins Gelände schreitet, will vielleicht zumindest die Hoffnung eines vollen Akkus des Smartphones im Gepäck haben, auch wenn da draußen eventuell vorwiegend das verfügbare Signal das Problem sein wird.
Ansonsten wirkt der Toyota Hilux robust aber durchaus gemütlich. Die Übersicht ist auf dieser Sitzhöhe üblicherweise stattlich und eine komfortable Sitzposition zu finden, ist mit diversen Einstellungsmöglichkeiten ebenfalls kein Hexenwerk.
Betagt ist demnach nicht gleich schlecht. Hinzu kommt eine übersichtliche Anordnung der wichtigsten Funktionen, inklusive des neuen Multi-Terrain-Select Fahrmodus-Auswahlschalter.
Hier können die Fahreigenschaften an verschiedene Begebenheiten angepasst werden. Zur Verfügung stehen Sand, Mud, Rock, Dirt, Deep Snow und Auto, wobei letzterer über Sensoren selbstständig wählt, was gerade angesagt ist und Deep Snow vermutlich eher Tiefschneehöhen weit unter einem Meter meint.
Im GR Sport II tauchen zudem einige sportliche Applikationen wie das rote Mittenband am Lenkrad oder eingenähte GR-Schriftzüge an den Kopfstützen auf, damit der Fahrende keine Zweifel daran hegt, im sportlichen Topmodell zu sitzen.
Von den Fahreigenschaften gibt es auf dem Papier zwischen 48-Volt und GR Sport II keine Nennenswerten Unterschiede. Beide vertrauen auf 204 PS und 500 Nm Drehmoment. 65 davon stammen bei ersterem jedoch vom Hybrid-System. Das sorgt mit seiner Start-Stop-Automatik und der elektrischen Unterstützung für ein etwas sanfteres Anrollen als beim reinrassigen Diesel des GR Sport II.
Insgesamt werkelt der Mild-Hybrid damit ein wenig effektiver. 10,2 Litern auf 100 Kilometer sollen es gegenüber den 10,7 Litern beim Toyota Hilux GR Sport II. Was letzterer durch Leichtbauteile für die Aerodynamik und beim Fahrwerk an Gewicht einspart, holt sich das zusätzliche 48-Volt-System wieder rein. Ein Gewichtsunterschied ist ausstattungsbereinigt damit nicht vorhanden.
Spannender ist der Unterschied beim Fahrwerk. Im Toyota Hilux GR Sport II wurden Federung und Bremsen verbessert, Geräusche und Vibrationen zudem reduziert. Das Topmodell erhielt 70 mm breitere vordere Querlenker, Einrohrdämpfer mit Kolben statt der bisherigen Zweirohrdämpfer, einen leichteren Rohrstabilisator sowie weiter nach außen verlegte Feder- und Dämpfergruppen. Das führt an der hinteren Achse zu einem neuen quadratischen Querschnitt. Die Dämpfer wurden zusätzlich an die Außenseite des Fahrzeugrahmens verlagert.
Das Ergebnis zeigt sich im direkteren, härteren Fahrverhalten auf der Straße. Während der Mild-Hybrid weiterhin nutzfahrzeuglastig behäbig und weicher unterwegs ist, zeigt der GR Sport II ein eher Pkw-artiges Verhalten. Beim Rangieren verschränken sich beide Versionen im Allradbetrieb stark, sodass ein sanftes Zurückrollen kaum möglich ist. Also Vorsicht beim stetigen Anschieben mit dem Gaspedal.
Im Gelände scheint letzterer dadurch etwas besser und kontrollierter zu beherrschen zu sein, wobei beide Varianten hier ein absolut sicheres Fahrgefühl vermitteln. Für zusätzlich Kontrolle sorgen Differentialsperre, Crawl-Control und mehrere Low-Gear-Gangwahloptionen. So sind mit dem Toyota Hilux starke Steigungen, Verschränkungen und Schrägen recht sicher zu meistern.
Solange also keine absurd hohen Schneeverwehungen in Sicht sind, sollten sich jedwede Gegebenheiten aus Schotter, Matsch und Geröll recht gut bewältigen lassen. Auch eine Wasserdurchquerung ist bis zu einer Höhe von 700 mm ohne Probleme möglich.
Während sich der Toyota Hilux GR Sport II am oberen Ende für mindestens 65.580 Euro einsortiert, startet der 48-Volt-Mild-Hybrid bei 54.335 Euro. Also gut 8.000 Euro über dem Einstiegsmodell mit 2,8-Liter-Diesel als Hilux Duty für 46.386 Euro. In unserem Test 2021 waren für den Einstieg nur 37.970 Euro fällig.
Sein vermutlich ärgster Konkurrent, der Ford Ranger, wurde erst 2022 komplett überarbeitet, wirkt dadurch moderner und kostet im Einstieg als Doppelkabine nur 43.158 Euro. Ähnlich motorisiert mit einem 2,0-Liter-Diesel und 205 PS geht es ab 45.190 Euro los. Zudem bietet Ford bereits eine PHEV-Version ab 44.690 Euro an.
Wer sich hier für das Topmodell, den Ford Ranger Raptor entscheidet, muss mindestens 62.350 Euro für den 210-PS-starken Diesel anlegen oder 67.450 Euro für den 3,0-Liter-Benziner. Ein VW Amarok kostet mindestens 50.444 Euro, ist aber ebenfalls bereits 2023 überarbeitet worden.
Der Toyota Hilux ist noch immer ein gutes Arbeitstier - ob als "Sportdiesel" oder Mild-Hybrid ist vollkommen egal. Allerdings knabbern der Zahn der Zeit und der Preis heftig am weltweiten Nutzungsthron des Pick-up-Klassikers. Wer es nicht eilig hat, wartet besser auf die neunte Generation.
Als pures Lifestyle-Objekt für die Stadt würden wir abraten. Auch wenn der GR Sport II durchaus attraktiv erscheint und mit seinen verbesserten Fahrwerten vor allem im Gelände eine Spitzenfigur zeigt, gibt es für geräumige Zwecke abseits unbefestigter Straßen wesentlich bessere und günstigere Optionen und Fahrzeugkategorien. Wer vorwiegend einen robusten Begleiter braucht, ist nach wie vor gut mit ihm beraten - solang die Natur nicht völlig eskaliert!