Hier fahren Sie besser!
Neu- und Gebrauchtwagen auf automobile.at

Im neuen Toyota Land Cruiser 250 (2024) durchs Atlas-Gebirge

Rustikales Reisen in Marokko oder Kinderspiel durch "Gloffroad"-Eigenschaften?

Motor1.com Deutschland: Auto-Tests, Auto-News und Analysen
Marke wählen

Wer die Welt in ihren entlegensten Winkeln erkunden will, muss zumeist sehr gut zu Fuß sein und eine entsprechende Ausrüstung für etwaige Problemlösungen dabei haben. Wer auf das gänzlich exklusive Erlebnis verzichten kann, kommt auch mit dem Auto in recht abgelegene Gefilde. Voraussetzung hierfür: ein geländegängiges Gefährt. 

Eines der beliebtesten auf der ganzen Welt ist der Toyota Land Cruiser. Seit 73 Jahren bringt er Einheimische, Arbeitsutensilien und Weltenbummler an Orte, bei denen das sonstige Portfolio an Karosserieformen mit Schweiß auf der Stirn dankend ablehnt. Letztere zelebrieren den rustikalen Japaner gar in einem jährlich stattfindenden "Busch-Taxi-Treffen". Ich habe mir für diese Reise ein wenig Weltenbummler-Spirit eingepackt und den neuen Land Cruiser 250 durch den marokkanischen Teil des Atlas-Gebirge gelenkt.

Toyota Land Cruiser 250 (2024) im Atlas Gebirge

Akklimatisierung

Nach 15 Jahren bekommt der Vorgänger J15 also endlich eine Ablösung. Und Zeit wurde es wohl: nicht nur technisch, sondern auch optisch. Das typische Toyota-Design der 2000er-Jahre ist Geschichte. Der intern J25 genannte neue Land Cruiser, den wir bereits ausgiebig getestet haben, zeigt wieder Ecken und Kanten.

Bei der in etwa 300 Kilometer umfassenden Atlas-Durchquerung helfen sein 2,8-Liter-Turbodiesel mit 205 PS und ein saftiges Drehmoment von 500 Nm  - natürlich allradbetrieben mit modernsten Fahrhilfen. Und die Frage darf hier durchaus gestattet sein: Ist diese gehobene, gedämmte und helferbasierte Art des Reisens überhaupt noch im Sinne des ursprünglichen Aussteigersinnes?

Schnelle DatenToyota Land Cruiser 250 (2024)Motor2,8-Liter-TurbodieselGetriebeAchtstufen-AutomatikAntriebAllradLeistung151 kW (205 PS)Drehmoment500 NmBasispreis67.990 Euro

Doch bevor wir all die Helfer brauchen, behalten wir diese Frage im Hinterkopf und fahren vorerst über die mehr oder weniger asphaltierten Straßen Marokkos Richtung Offroad-Camp. Vorbei an Militäreinrichtungen, üppig ausgebauten Kleinstädten wie Ifrane und spärlich bewachsenen Sandstein-Landschaften mit der ein oder anderen spartanischen Hütte mitten im Nirgendwo.

Das Gefälle ist hier groß. Auf der einen Seite das fünf Sterne Luxus-Golf-Hotel, zehn Kilometer weiter der einsame Hirte mit seiner Schafsherde. Und an gefühlt jeder Kreuzung wartet eine Polizeikontrolle darauf, nett gegrüßt zu werden. 

Ein Lkw liegt im Straßengraben, plötzlich befindet man sich in einem Abschnitt, der gerade frisch asphaltiert wird oder begegnet Meter hoch beladenen Arbeitstieren: Sowohl motorisiert, als auch durch Eselsstärken betrieben.

Bei etwaiger Ablenkung meckert der Aufmerksamkeitsassistent etwas zu emsig. Nicht nur beim schweifenden Blick gen Landschaft, auch bei kurzen Einstellungen am Infotainment. Die Akklimatisierung scheint nötig für das, was noch auf uns wartet. Und die volle Aufmerksamkeit werden die bald folgenden "Straßen" sowieso bekommen.

AbmessungenToyota Land Cruiser 250 (2024)Länge4.925 mmBreite1.980 mmHöhe1.925 - 1.935 mmRadstand2.850 mmKofferraumvolumen1.063 - 2.000 Liter (5-Sitzer)
171 - 1.875 Liter (7-Sitzer)Leergewicht2.330 - 2.550 kgZuladung820 kg max.Anhängelast3.500 kg

Straßen? Wo wir hinfahren, brauchen wir keine ... Straßen!

Im Camp angekommen, können wir uns von den elektronischen Offroadhelfern im neuen Land Cruiser 250 überzeugen. Eine zu 50 Prozent höhere Torsionssteifigkeit, Motor, Achtgang-Automatik und eine erstmals eingesetzte elektrische Servolenkung setzen den Grundstein für die Offroad-Fähigkeiten des Japaners.

Erkenntnisse zur Verbesserung kommen bei Toyota wie immer durch intensive Tests und Rücksprache mit den Kunden. Kaputt machen, verbessern, wieder kaputt machen ... und so weiter.

Das Mittendifferenzial wurde überarbeitet, das elektronisch sperrbare hintere Differenzial gezielt verstärkt. Ein neuer Kippschalter für die Auswahl der Modi H4 und L4 sowie neue Schalter für die Differenzialsperre wurden im Cockpit integriert. Eine Crawl Control hält automatisch eine wählbare niedrige Geschwindigkeit bei starken Verschränkungen oder steilen Passagen im Gelände.

Ein Stabilisator-Disconnect-Mechanism (SDM) entkoppelt den vorderen Stabilisator, über das Infotainment kann per Kamera Umgebung, Unterboden, Neigung und Achswinkel beobachtet werden. Die neue Form macht den knapp 4,93 Meter langen Hünen zusätzlich übersichtlich.

Einmal das volle Programm im Einsatz getestet, geht es mit einem Gefühl der Unaufhaltsamkeit weiter Richtung Süden. Auf den letzten leichten und nahezu schnurgeraden Schotterstraßen darf sich der Land Cruiser noch ein wenig Geschwindigkeit gönnen. Eine der leichtesten Übungen, die auch das Fahrwerk kaum aus der Ruhe bringt. Es folgt der Weg durch den Nadelwald Richtung steiniges Hochgebirge, das die Vielfältigkeit Marokkos noch einmal bestätigt.

Interkultureller Wegbegleiter

Vom Wegesrand grüßen immer wieder Bewohner, sowohl Menschen als auch Hunde, Schafe, Ziegen, Pferde und Esel. Einige unserer Reisegruppe wollen sogar Affen entdeckt haben. Und so langsam kommen wir in die Gebiete, für die dieses Auto gedacht ist. Grobe Steine bilden den "Fahrbahngrund", tiefe Spurrillen fordern hohe Bodenfreiheit, steile auf und Abwärtspassagen mit Geröll wollen bezwungen werden und immer wieder tiefe Querrisse, die hohe Verschränkung bedürfen. 

Und der Toyota Land Cruiser? Meistert all das souverän. Dank 84 zusätzlichen Schweißpunkten im Leiterrahmen ohne angestrengtes Knarzen. Die Dämmung lässt Geräuschkulissen zumeist draußen. Im groben Gelände wackelt und schaukelt es zwar, die elektronische Servolenkung bleibt jedoch leichtgängig, gibt kaum grobe Schläge weiter.

"Anstrengend wird ein ganzer Tag im Gelände", so wurde es mir gesagt und so gern ich das konzentrationsmäßig zumindest bestätigen möchte, so sehr muss ich das körperlich von mir weisen. Der neue Toyota Land Cruiser macht diese Art des Offroading zum "Gloffroading" (angelehnt an die Wortschöpfung Glamping, aus Glamour und Offroad). 

FahrleistungenToyota Land Cruiser 250 (2024)Höchstgeschwindigkeit175 km/hVerbrauch (WLTP)10,3 - 10,7 LiterCO2-Emission (WLTP)272 - 281 g/kmBöschungswinkel31 Grad (vorne),  17 Grad (hinten)Watttiefe700 mmRampenwinkel25 GradSteigfähigkeit / Kippwinkel42 GradMindestbodenfreiheit215 mm

Da bleibt sogar noch genug Kraft für ein paar Donuts am Strand und ein lockeres "Bonjour" für die Kinder der abgelegenen Schule auf dem Gipfel. 

Klar, ein Autohersteller wird uns nicht in unmögliches Terrain schicken, doch wie viele von ihren Kunden sind tatsächlich noch extremer unterwegs? Die wenigsten vermutlich. Für alle anderen macht der neue Toyota Land Cruiser die Strapazen des abgelegenen Autofahrens so angenehm wie möglich. Er bleibt vielfältig geländegängig, nimmt etwaige Strapazen jedoch ab, sowohl akustisch, als auch physisch. 

Und das kommt womöglich zumindest den Reisenden entgegen, die diese Wege auf sich nehmen, nicht der Wege wegen, sondern um die Welt zu sehen, um Kulturen kennenzulernen und nicht sofort Schweißtropfen auf der Stirn wegwischen zu müssen, nur weil sie diese eine Route gewählt haben. Das Reisen selbst verliert kaum seinen Reiz. Vielmehr wird Arbeit zu Spaß.

Der Land Cruiser gewinnt an Zugänglichkeit, behält aber seine DNA. Rustikale Optik, verständnisvoller Kern. Wer es ursprünglicher mag, bleibt bei seinem jahrelangen Heavy-Duty-Begleiter der Serie 70 oder weiteren spartanischen Arbeitstieren. Für alle anderen hat das Zeitalter des Gloffroader begonnen. 

© Motor1.com