Aktuell locken 8.000 Euro Rabatt für das Beschleunigungsmonster. Sollte man zuschlagen?
Ich erinnere mich noch gut daran, wie mir das schräge kleine Biest beim ersten gescheiten Tritt ins Gaspedal so dermaßen die Abrissbirne in den Magen holzte. Es folgte ein unkoordinierter und ziemlich lächerlicher Mix aus panischem Geschrei und ungläubigem Deppen-Lachen, der unvorteilhafterweise auch noch auf Kamera gebannt wurde, weil wir damals noch vor Marktstart einen recht exklusiven Film mit dem Auto drehten.
Gut zwei Jahre ist das jetzt her und in denen ist Elektro-technisch viel passiert. Vieles davon war nicht so supi für die Hersteller reiner E-Autos. Zu denen gehört logischerweise auch Smart, inzwischen ein deutsch-chinesisches Joint Venture (Mercedes, Geely) mit starkem China-Anstrich. 2023 verkaufte das neue Smart von seinem Erstling namens #1 in Deutschland 6.663 Exemplare. Etwa ein Drittel davon entfielen auf das leistungsmäßig grenzdebile Topmodell #1 Brabus mit seinen immer noch irre klingenden 428 PS.
Das ist ausbaufähig. Zudem ist der deutsche E-Auto-Absatz bis Oktober im Vergleich zum Vorjahr um 26 Prozent eingebrochen, das Ergebnis wird 2024 sicher schlechter ausfallen. Grund genug also für eine satte Rabatt-Aktion, da ist Smart derzeit ja weiß Gott nicht allein. 8.000 Euro Nachlass beim Topmodell Brabus klingen nun allerdings schon ziemlich interessant. Wo kriegt man schließlich fast 430 PS für unter 41.000 Euro? Ein Angebot, das sich lohnt? Wir haben den Smart #1 Brabus nochmal zum Test geladen.
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Vom alten, kurzen, innovativen Smart ist nichts mehr übrig. Jetzt baut man, wie alle anderen auch, kompakte Elektro-SUVs. Technische Basis ist die Sustainable Experience Architecture (SEA), und zwar in der kleinsten Version namens SEA-Entry. Die Plattform wurde von Geely entwickelt, steckt auch im Volvo EX30 und im Zeekr X. Das Auto wird in China gebaut.
Der #1 Brabus verfügt über zwei Permanentmagnet-Synchronmotoren (115 kW vorne, 200 kW hinten), Allradantrieb und 315 kW Leistung. Das sorgt für ziemlich abstruse Beschleunigungswerte. Aus dem Stand beamt sich der Brabus-Smart in 3,9 Sekunden von 0-100 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 180 km/h.
Energie liefert eine 62-kWh-Batterie (66 kWh brutto) mit NMC-Chemie (Nickel, Mangan und Cobalt an der Kathode). Für den Radstand von 2,75 Metern sind 62 kWh eher wenig, VW ID.3 & Co. etwa haben einen Radstand von 2,77 Meter und dort hat man einen 77-kWh-Akku hineingequetscht.
Entsprechend dünn ist auch die Reichweite des Smart: Mehr als 400 km laut WLTP sind nicht drin. Zum Vergleich: Ein ID.3 GTX Performance (freilich mit 240 kW deutlich schwächer) schafft hier 601 km. Aufgeladen wird die Batterie des #1 mit bis zu 150 kW. Die Ladezeit soll so weniger als 30 Minuten betragen.
Preislich ist der Potenzprotz natürlich plötzlich recht attraktiv geworden. Zum Vergleich: Der verwandte Volvo EX30 mit der gleichen Leistungsstufe ist nun mehr als 10.000 Euro teurer. Und selbst der noch etwas stärkere MG4 XPower kostet mit mindestens 46.990 Euro nun 6.000 Euro mehr.
Mit 4,27 Metern Länge ist das Auto ein SUV zwischen Kleinwagen- und Kompaktsegment, die Höhe von 1,62 Meter sorgt für eine etwas ulkige Form, bietet aber natürlich schöne Vorteile beim Raumangebot. Generell ist vom traditionellen Smart-City-Car-Look nicht mehr viel übrig. Vorne wirkt das Auto etwas angeknautscht, hinten erinnert es an aktuelle Mercedes-Elektro-Angebote wie den EQA.
Die stromernde Kanonenkugel #1 Brabus zeigt ihre Kraft durch haufenweise rote Akzente, einen großen Lufteinlass im vorderen Stoßfänger und spezielle 19-Zöller mit 235er-Reifen samt (für eine Sportversion) recht rückenfreundlichem 45er-Querschnitt.
Im Innenraum ist noch am deutlichsten zu erkennen, dass hier auch ein bisschen Mercedes-Restverwandtschaft durch die Gegend schwirrt. Das ein oder andere Teil kommt einem da schon bekannt vor. Das Ganze aber ausgiebig mit der "Jung, Hip und Stylish"-Kanone beschossen.
Die Materialqualität wäre an einigen Stellen sicher ausbaufähig, aber so ist das heute nun mal. Bei der Brabus-Variante wird man durch mehr Leder- und Alcantara-Umfänge deutlich wärmer empfangen. Außerdem ist hier ein Beats-Audiosystem Serie.
Am durchaus schick gemachten Gestühl und der Sitzposition gibt es wenig auszusetzen. Außerdem gefällt die hohe Mittelkonsole mit ihren zwei Cupholdern, dem großen Stau-Fach und dem Smartphone-Charger.
Die große Stärke des Autos ist gewiss sein herausragendes Platzangebot in Reihe Zwei. Plus der bequeme Einstieg dorthin. Beide Teile der Rückbank (60:40-Split) sind zudem verschiebbar. Das Kofferraumvolumen reißt mit 313 bis 976 Liter nicht zwingend vom Hocker. Zudem ist der Boden recht hoch. Unter der vorderen Haube versteckt sich immerhin noch ein 14 Liter großer Frunk. Viel mehr als ein Ladekabel werden Sie dort jedoch nicht hineinbringen.
Das Alcantara-Lenkrad liegt sehr schön in der Hand, dahinter verbirgt sich ein relativ dünner 9,2-Zoll-Instrumenten-Schlitz. Dazu gibt's in den höheren Ausstattungen (also auch hier) ein 10,1-Zoll-Head-up-Display. Der Infotainment-Screen misst 12,8 Zoll, nutzt Qualcomms Snapdragon 8155-Chip und ist überladen mit Infos und irritierenden Grafiken.
Die Bedienung zeigt Licht und Schatten. An sich ist der große Bildschirm reaktionsschnell und dass bei einem derartigen Auto nun mal alles per Touch bedient wird, muss man aushalten. Dumm nur, wenn es dahingehend auch mal Aussetzer gibt. Möglicherweise war unser Testwagen ein recht frühes Exemplar, aber die Temperatureinstellung unten im Display hatte mal keine Lust und und auch sonst gab es hin und wieder kleinere Fehler. Vermutlich ist das via Over-the-Air-Updates flott zu lösen.
Was genau der Fuchs-Avatar soll, der ständig durchs Bild spaziert, rumliegt oder Wasserbälle balanciert (?!), aber nichts zur Bedienung beiträgt, bleibt ein Rätsel. Wenigstens meine Tochter fand ihn süß. Die Sprachbedienung kann sehr viel, aber nicht alles. Auch das dürfte mit der Zeit besser werden.
Sehr nervig: geht der Parkpiepser an, geht das Radio aus. Zudem ist die Einstellung der Spiegel über ein Untermenü im Bildschirm und die Lenkradtasten äußerst umständlich. Nicht besser: der extrem umtriebige Aufmerksamkeitsassistent, der einen wirklich ständig anblökt.
Die Eigenschaft, die das Erlebnis Smart #1 Brabus zum Großteil definiert, ist wenig überraschend der fast schon groteske Vorwärtsdrang, den das Auto jedes Mal wieder mit irre beiläufiger Leichtigkeit aus dem Ärmel schüttelt. Man kann es drehen und wenden wie man möchte und den Kraft-Wahnsinn auch für vollkommen überflüssig halten, aber einen Haufen Spaß bringt der Warp-Effekt allemal, so ehrlich muss man schon sein.
Ansonsten ist das Fahrverhalten weitgehend unspektakulär, zumindest, wenn man es nicht darauf anlegt, die Kraft des hinteren E-Motors für Schabernack zu nutzen. Gehen tut das allemal. Ziemlich einfach sogar. Schließlich hat er ein gutes Stück mehr Dampf als sein Pendant an der Vorderachse. Ein beherzter Tritt auf den Pinsel bei Verlassen einer Biegung bricht die Traktion der Hinterreifen also in Windeseile und der glubschig-hohe Hintern des #1 macht sich motiviert auf den Weg in den Ausbruch. Relativ Modus-unabhängig übrigens und das ESP ist da auch eher von der entspannteren Sorte.
Wer mit seinem elektrischen Kompakt-Crossover eher weniger auf Übersteuer-Orgien aus ist, erlebt ein Fahrverhalten, das weit weniger extrovertiert und performant daherkommt, als es die Leistung von 428 PS vermuten lässt. Das Auto ist in puncto Fahrwerk gegenüber seinen schwächeren Modell-Geschwistern auch nicht aufgemotzt worden. Bis auf zwei zusätzlich angetriebene Räder, versteht sich.
Auch als Brabus federt der #1 also relativ weich, gibt sich komfortabel, schluckt auch kleine Schläge und Bodenwellen sehr ordentlich weg. Die Lenkung ist kein Ausbund an Feedback, gibt sich relativ steril, macht ihre Sache an sich aber recht ordentlich. Seltsam tatsächlich: Sie können das, was die Lenkung so an Widerstand auf Sie wirft, in vier Modi einstellen. Von sehr leicht bis absurd schwer. Besser ist sie in den leichteren Modi. In Auto wechselt sie je nach Situation zwischen leicht und streng, was noch mehr irritiert.
Weitere Auffälligkeiten: Der eigens entwickelte Brabus-Sound schiebt sich mit einiger Eigenwilligkeit ins Ohr und nervt eher. Zum Glück kann man ihn abstellen. Was ebenfalls nervt: permanent wird man vom Auto angepiepst. Eine strengere Nanny hat die Welt noch nicht gesehen. Da reicht schon ein kurzer Blick auf den Infotainment-Screen und der Smart unterstellt Ihnen Müdigkeit und Pausenbedarf als hätten sie 72 Stunden nicht geschlafen. Natürlich können Sie auch das deaktivieren, aber beim nächsten Start ist der Oberaufseher wieder aktiv. Puh …
Was den Verbrauch betrifft, kommt man mit etwa 20 kWh im Schnitt hin. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die reale Reichweite bei um die 300 Kilometer liegt.
An sich kann man dem Smart #1 Brabus nicht all zu viel vorwerfen. Er bewegt sich sehr anständig, fährt komfortabel und hat als unkonventionellen Bonus diesen völlig irrsinnigen rechten Haken bei jedem Tritt aufs Gas.
Da der Akku für diesen Output vergleichsweise klein ausfällt, passiert das leider auch mit der Reichweite. Dazu könnte man sicher noch an der Übersichtlichkeit und Konsequenz in Sachen Bedienung arbeiten. Als Familienauto (zumindest für die Stadt) eignet sich das Fahrzeug aufgrund der herausragenden Platzverhältnisse im Fond und dem leichtgängigen, entspannten Umgang im Alltag.
Der ursprüngliche Grundpreis von 48.990 Euro erschien uns trotz der Motorleistung immer als etwas zu hoch. Zieht man die derzeit gebotenen 8.000 Euro ab, wird aber schon ein Schuh draus. Für mich in der typischen Wertung unseres Schwester-Portals Motor1 mit dem aktuellen Preis eine 7,5/10, ohne den Angebotspreis eine 7/10.