Ohne ihn hätte es Kultautos wie TT/TTS oder Ro 80 vielleicht nie gegeben
Die Traditionsmarke NSU feiert 2023 ihr 150-jähriges Bestehen. Zu den Legenden aus Neckarsulm gehört ein kleines, anfangs nur 3,15 Meter kurzes Auto. Der Prinz wurde mitten im Wirtschaftswunder zum Kassenschlager. Und das musste er auch, den sein Hersteller steckte in Schwierigkeiten ...
1955 war NSU der größte Arbeitgeber in der Region Neckarsulm und die Nummer eins seiner Branche, der größte Zweiradhersteller der Welt. Gleichzeitig sank die Nachfrage nach Motorrädern: Mit wachsendem Wohlstand (und verregneten Sommern) wollten die Menschen ein "Dach über dem Kopf", ihnen gelüstete nach einem Auto. Und zwar keine Nuckelpinne oder ein Rollermobil, sondern etwas Anständiges. Nur bitte günstiger als der VW Käfer.
Doch bei NSU ging es nicht gleich von zwei auf vier Räder: Die Entwicklungsabteilung experimentierte zunächst mit einem dreirädrigen Motorroller, dem "Max-Kabine". Der Name leitet sich von einem beliebten NSU-Motorrad ab: der Max. Die Testfahrten mit den Max-Kabinen-Prototypen verliefen jedoch wenig vielversprechend, so dass die NSU-Geschäftsführung Ende 1955 stattdessen das Projekt Kleinwagen auf den Weg brachte.
Der Ausbau einer Zweiradfabrik zu einem Automobilwerk war ein organisatorischer und finanzieller Kraftakt. Doch mit einem Bankkredit von damals rund 30 Millionen Mark und einer Bürgschaft des Landes Baden-Württemberg konnte NSU das Werk wie geplant fertigstellen. Parallel dazu arbeitete ein Entwicklungsteam an dem neuen Autoprojekt. Bereits Mitte 1956 gingen die ersten drei Prototypen des neuen NSU-Automobils auf Testfahrten, ein Jahr später waren sie serienreif.
Im Sommer 1957 präsentierten die Neckarsulmer den "NSU Prinz", der in der Vorserie intern zunächst noch nach dem firmeneigenen Campingplatz in Italien "NSU Lido" heißt. Das Resultat war eine moderne zweitürige Limousine mit selbsttragender Ganzstahlkarosserie.
Im Werbeprospekt hieß es damals vollmundig: "Der Prinz hat alles, was man heute von einem Wagen seiner Klasse erwartet: Er ist gelungen in den Proportionen, bietet vier Erwachsenen ausreichend Platz, besitzt eine hervorragende Motorleistung, beste Fahreigenschaften und guten Fahrkomfort."
Nun gut, vor 66 Jahren war die Kundschaft noch bescheidener: Bei NSU setzte man auf das Heckmotorprinzip (mit einem 20 PS starken Zweizylinder) und bot zwei Varianten an: den Prinz I als einfache Basisversion, die nur in der Außenfarbe Hellgrün erhältlich war, und den Prinz II in sogenannter Exportausführung.
Er prunkte mit verchromten Kotflügeln vorn und hinten, Prinz-Schriftzügen an den Seiten, Kombiinstrument auf dem Armaturenbrett und Kurbelfenster. Für den Prinz II standen zudem verschiedene Lackfarben zur Auswahl: Callaweiß, Indigoblau, Hederagrün, Lavagrau oder Saharabeige, um nur einige zu nennen. In der Basisversion kostete der NSU Prinz zum Start 3.645 Mark, der Prinz II war zum Serienstart für 3.985 Mark ab Werk erhältlich.
Im März 1958 rollte der erste NSU Prinz vom Band. Auf dem Kleinwagen ruhten große Hoffnungen der damals rund 6.500 NSU-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter. Doch der Verkaufserfolg ließ zunächst auf sich warten: Von der Basisversion Prinz I werden in der Bauzeit (jeweils von 1958 bis 1960) nur 1.648 Exemplare verkauft; es zeigte sich, dass die Kundinnen und Kunden lieber den besser ausgestatteten Prinz II bestellten, der in den drei Jahren seiner Bauzeit immerhin 62.587 Mal verkauft werden konnte.
Mit dem NSU Sport-Prinz brachte das Unternehmen 1959 eine weitere Variante mit eigenständiger Karosserie auf den Markt, deren Design sich an der italienischen Formensprache der Zeit orientierte. Ab 1961 hieß es in der Werbung: "Fahre Prinz und du bist König". Nach dem NSU Prinz III, von dem zwischen 1960 und 1962 insgesamt 30.332 Exemplare gebaut wurden, kam ab 1961 der neu entwickelte Nachfolger Prinz 4 nochmals deutlich besser an: Er wurde mit 30 PS aus 0,6 Liter Hubraum bis 1973 produziert und brachte es auf 576.619 Exemplare. Vor allem in Italien war der Prinz 4 beliebt.
Nachdem sich der Prinz 4 erfolgreich im Kleinwagensegment etabliert hatte, wagte NSU 1964 den Schritt nach oben: Mit dem Prinz 1000 stiegen die Neckarsulmer in die untere Mittelklasse ein. Bis heute hat der kleine Prinz eine treue - und gar nicht so kleine - Fangemeinde, die ihn regelmäßig bei Ausfahrten, Clubtreffen und sogar in Rennserien einsetzt.