Der japanische Nobel-Angriff auf BMW 5er und Co. feiert seinen 30. Geburtstag
Man kennt sie. Und irgendwie auch wieder nicht. Die Rede ist nicht von den eigenen Nachbarn, sondern von Autos, die so unauffällig blieben, dass sie heute nur eingefleischte Fans noch kennen. Solche Modelle müssen nicht zwangsläufig Flops gewesen sein, aber sie liefen unter dem Radar des gewöhnlichen Autokäufers. In unregelmäßiger Folge holen wir hier unter dem Titel "Kennen Sie den noch?" solche Old- und Youngtimer aus dem Nebel des Vergessens.
Asiatische Automarken und der Angriff auf das Premium-Segment. Es ist eine komplizierte Geschichte. Ob Lexus, Infiniti oder aktuell Genesis: In Japan respektive Korea und auch den USA laufen solche Autos super. Aber in Europa und besonders in Deutschland ist das Haifischbecken der "Großen Drei" aus Audi, BMW und Mercedes meist mörderisch.
Da können die Modelle noch so schick und gut sein, wie auch Mazda in den 1990er-Jahren erfahren musste. Unter dem Label "Xedos" brachte man hochwertige Modelle auf den Markt. 1992 zunächst den Xedos 6 im Format des 626 und ein Jahr später den größeren Xedos 9. Dieser wird nun 30 Jahre alt.
"Tokimeki" ("Herzklopfen") lautete laut damaliger Pressemitteilung die Devise hinter den Xedos-Modellen. Und weiter: "Der Xedos 9 bietet in diesem Rahmen das Mehr an Xedos, was die Kunden für ihren persönlichen Bedarf benötigen. Er ist somit nicht 'der' große Xedos, sondern der größere Xedos." Alles klar, oder?
Sehen wir uns die Zutaten des Mazda Xedos 9 an, der in Japan als Eunos 800 und später in Amerika als Mazda Millenia vermarktet wurde. (Angeblich sollte er zunächst unter dem Dach der nie verwirklichten Luxusmarke Amati laufen.) Die 4,82 Meter lange Limousine war 1,77 Meter breit und 1,39 Meter hoch. Radstand: 2,75 Meter, cW-Wert nur 0,28. Zu 90 Prozent kam bei der Karosserie galvanisierter Stahl zum Einsatz.
Der Xedos 9 punktete mit zurückhaltender Eleganz, ein verchromter Grill sollte das mangelnde Prestige wettmachen. Und eine üppige Serienausstattung: Für 49.950 DM gab es 1993 nicht nur den 2,0-Liter-DOHC-V6 aus Leichtmetall mit 143 PS unter der Haube, sondern auch allerlei elektrische Verstellmöglichkeiten plus zwei Airbags, ABS, Klimaanlage, Alufelgen und Tempomat. Der 2,5er (ab 56.700 Mark) bekam zudem Edelholz innen und eine Antischlupfregelung. Ein entsprechender 5er-BMW war fast 10.000 Mark teurer.
Richtig nobel war der Xedos 9 als "Exclusiv"-Modell mit 2,5-Liter-V6: Leder, Sitzheizung, elektrisches Glasschiebedach, elektrisch verstellbarer Beifahrersitz und Automatikgetriebe. Aber auch fast 70.000 DM teuer.
Apropos Motoren: Es gab den Xedos 9 im Gegensatz zu seinem kleineren Bruder ausschließlich mit Sechszylinder. Zunächst waren der erwähnte 2,0-Liter sowie ein 2,5-Liter mit 167 PS (212 Nm bei 4.900 U/min) im Programm, 1995 ergänzte ein 2,3-Liter mit Miller-Cycle-Brennverfahren und 210 PS Leistung das Portfolio. Er kostete in Topausstattung satte 75.600 Mark. Bei den Getrieben gab es fünf manuelle Gänge oder eine Vierstufen-Automatik. Dazu Frontantrieb und Mehrlenker-Achsen.
Gute Zutaten, möchte man meinen. Dennoch war der ADAC in seinem Test des Xedos 9 mit 143 PS im Jahr 1995 nicht recht zufrieden. Man bekrittelte das nur befriedigende Platzangebot, eine hakelige Schaltung, Stuckerneigung des Fahrwerks oder auch die angeblich zu gefühllose Lenkung. Ach ja: Der 2,0-Liter-V6 wirkte bei niedrigen Drehzahlen schlapp für rund 1,5 Tonnen Auto. 176 Nm maximales Drehmoment gab es erst ab 4.900 U/min. 10,7 Sekunden auf 100 km/h und 202 km/h Spitze waren schon damals nur mittelmäßig. (8,6 s und 220 km/h lauteten die Zahlen beim 2,5-Liter.)
Im Oktober 2000 versuchte Mazda mit einem umfangreichen, auch optisch deutlich sichtbaren Facelift, die Verkaufszahlen zu erhöhen. Neben dem geänderten Design gab es viel Feinarbeit am Fahrwerk (Achsträger aus Leichtmetall plus vergrößerte Bremsscheiben) sowie ein Navigationssystem. Doch es half alles nicht, im Dezember 2002 endete die Produktion des nun 4,86 Meter langen Xedos 9. Angeblich wurden in knapp 10 Jahren für alle Märkte rund 230.000 Fahrzeuge gebaut. Als Nachfolger (zumindest in der Größe) kann der heutige Mazda 6 gelten.