Elektro-Crossover mit kleinem Kofferraumdeckel taugt kaum für Transportaufgaben
Der neue Citroen e-C4 X soll "eine einzigartige Alternative zu dem eher traditionellen Schrägheck- und SUV-Angebot auf dem Kompaktklasse-Markt" sein. Mit dieser Formulierung dreht Citroen den Spieß um, denn das Auto ist eher etwas für konservative Kundenkreise mit Hang zur Stufenhecklimousine.
Anders als man aufgrund der Optik vermuten könnte, ist der im Juni vorgestellte Citroen e-C4 X kein SUV mit großer Heckklappe, sondern hat nur einen kleinen Kofferraumdeckel. Das ist das Einzigartige an dem Wagen - und es ist ja weiß Gott nicht falsch, es auch mal anders als alle anderen zu machen. Wir haben das neue Modell auf den Straßen rund um Madrid getestet und herausgefunden, wie es um Alltagstauglichkeit und Fahreigenschaften steht.
Der e-C4 X ist ein 4,60 Meter langer Elektro-Crossover, der auf der altbekannten Plattform e-CMP basiert. Das Design finden wir ganz okay; vielleicht hätten die Designer die ein oder andere Delle und die eine oder andere Sicke weglassen können. Ehrlich gesagt: Das Design von Peugeot oder Jeep gefällt uns um Längen besser, und auch den einfacheren Look von VW würden wir präferieren.
Die Optik erinnert stark an den Citroen e-C4. Der vordere Teil ist denn auch identisch und der Radstand stimmt ebenfalls überein. Aber der hintere Überhang wurde auf stolze 1,05 Meter verlängert. Die um 25 Zentimeter größere Länge soll dem Platz im Fond und dem Kofferraum zugute gekommen sein.
Im Fond bleiben bei dem 1,76 Meter großen Autor rund acht Zentimeter vor den Knien - da kann man nicht meckern. Über dem Kopf ist der Platz etwas knapper; eine Chauffeurslimousine für 1,95 Meter lange Chefs auf dem rechten hinteren Platz ist das Auto jedenfalls nicht. Dankenswert ist jedoch, dass die Knie im Fond kaum nach oben stehen. Das dürfte von der bei e-CMP-Fahrzeugen nicht durchgängigen Batterieplatte her kommen; hier ein Bild vom ähnlich konstruierten Opel Mokka-e:
Man sieht, dass die hinteren Batteriemodule (in Gelb) unter den Rücksitzen liegen, die vorderen etwa auf Höhe der Vordersitze. So bleiben "Fußgaragen" für die Fondpassagiere. Insgesamt besteht die Batterie übrigens aus 18 Modulen mit jeweils 12 prismatischen (das heißt quaderförmigen) Zellen von CATL. Zur Chemie konnte Citroen keine Angaben machen.
Der Kofferraum bietet 510 bis 1.360 Liter und damit deutlich mehr als beim e-C4 (380-1.250 Liter). Das ist ein ordentlicher Wert. Aber sonst bestätigten sich unsere Befürchtungen. So hätten wir unseren alten Bürostuhl (etwa 60 mal 60 mal 100 Zentimeter) nicht in den Kofferraum laden können, denn die Öffnung ist nur 45 Zentimeter hoch. Alte Kleinmöbel zum Wertstoffhof fahren - das geht sogar mit einem viel kürzeren Kleinwagen besser, weil der eine große Heckklappe hat. Wer dagegen Matratzen oder dergleichen transportieren will, kann die Rücklehnen der Fondsitze umklappen und den Kofferraum so deutlich verlängern. Auch eine Ski-Luke gibt es.
Für den Antrieb verwendet der Konzern seltsamerweise die altbekannte Motor-Akku-Kombination des Stellantis-Konzerns aus einem 100 kW starken Frontmotor und einer 50-kWh-Batterie. Warum wird in dem brandneuen Auto nicht das neue, sparsamere System mit 115 kW und 54-kWh-Akku eingesetzt, wie es zum Beispiel den Jeep Avenger antreibt? Das liegt laut Citroen am Produktlebenszyklus des e-C4; beide Modelle sollen gleichzeitig auf den neuen Antrieb umgestellt werden - aber nicht schon jetzt, sondern erst Ende 2023.
Der neue 115-kW-Antrieb und die größere Batterie folgen erst Ende 2023
Die genannten 50 kWh sind die Brutto-Kapazität, nutzbar sind davon nur 45 bis 46 kWh. Der WLTP-Stromverbrauch den 100-kW-Antriebs liegt bei rund 15 kWh/100 km. Mit dem neuen System könnte es eine Kilowattstunde weniger sein, wie sich ergibt, wenn man sich die Daten des Peugeot e-208 ansieht, in dem es beide Motor-Akku-Kombinationen gibt. Auf unserer Testfahrt brauchten wir zwischen 17 und 18 kWh, wobei wir wegen der spanischen Tempolimits nie schneller als 120 km/h fuhren. Die WLTP-Reichweite wird mit 353-360 km angegeben; wir hätten bei kühlen Außentemperaturen wohl knapp 300 km geschafft.
Aufgeladen wird stets dreiphasig mit bis zu 11 kW Wechselstrom (AC) oder mit bis zu 100 kW Gleichstrom (DC). Mit DC soll ein Ladehub von 0 auf 80% etwa 30 Minuten dauern. Unsere Schnelllade-Analyse des e-208 mit der gleichen Batterie zeigte eine recht gute Ladekurve.
Der Vortrieb der 100 kW starken Permanentmagnet-Maschine (PSM) reicht auch für den 4,60 Meter langen e-C4 X aus; allenfalls schwächelt der Wagen mal auf der Autobahn bei höherem Tempo. Der Sprintwert von 9,7 Sekunden ist nur 0,2 Sekunden schlechter als beim e-C4, allerdings 1,4 Sekunden schlechter als beim e-208 mit 100 kW. Mehr als 150 km/h aber sind mit dem Antrieb generell nicht drin.
Wie bei allen Stellantis-Elektroautos gibt es drei Fahrmodi (Eco, Normal und Sport), die vor allem die Empfindlichkeit des Gaspedals verändern: Die vollen 260 Nm stehen nur im Sportmodus zur Verfügung. Ansonsten gibt es noch einen B-Modus zum Aktivieren der starken Rekuperation, was wir auch auf der Landstraße gerne nutzten, um vor den häufigen Tempolimit-Schildern zu verlangsamen. Bis zum Stopp geht das allerdings nicht, denn der Elektro-Citroen hat einen Kriechgang.
Damit sind wir schon beim Kapitel Bedienung: Als bekennender Tempomat-Fahrer hätten wir gern das jeweilige Geschwindigkeitslimit automatisch übernommen, aber beim e-C4 X geht das nicht: Hat man den Tempomaten zum Beispiel auf 120 km/h eingerichtet, dann wird man bei einem folgenden Tempo-100-Schild erst gefragt, ob man die neue Geschwindigkeit übernehmen will - das ist lästig. Zudem wird diese Option erst dann angezeigt, wenn man das Schild passiert; das bedeutet, dass man bei einer kurz danach folgenden Radarkontrolle unweigerlich zu schnell ist.
Zum Anzeigekonzept gehören serienmäßig ein 5,5-Zoll-Imstrumentendisplay und ein 10-Zoll-Touchscreen in horizontaler Ausrichtung, und ab der Version Shine ein Head-up-Display auf Basis einer kleinen Plexiglasscheibe, das allerdings keine Navigationspfeile zeigt.
Apropos: Das Navi errechnet bei Eingabe eines weit entfernten Zieles keine Empfehlungen für die nötigen Ladestopps. Immerhin kann man laut Citroen eine solche Ladestrategie in der Citroen-App erstellen und dann ans Navi übertragen. Eine dynamische Anpassung der Ladestopps (zum Beispiel weil man irgendwo mehr Strom verbraucht hat als vorausberechnet) ist damit aber wohl nicht möglich.
Gut gefällt uns, dass die Tempomat-Bedienung nicht mehr über einen Lenkstockhebel links unten vor sich geht, über den wir uns jahrzehntelang geärgert haben, weil er oft hinter dem Lenkradkranz verschwand.
Die Betriebssystem-Logik des Touchscreens ist jedoch arg erklärungsbedürftig. Obwohl wir zu zweit unterwegs waren, hatten wir Schwierigkeiten, einen anderen Radiosender einzustellen - erst bei einem Stopp und konzentrierter Befassung mit dem System fanden wir heraus, dass man durch "Wischen" zum entsprechenden Menüeintrag kommt.
Die Materialien (wir fuhren eine französische Version, vermutlich auf dem Niveau der Ausstattung Shine) sind für die Klasse ordentlich - es gibt zwar Hartplastik, aber es fällt nirgends unangenehm auf, und das Armaturenbrett hat oben eine hinterschäumte Oberfläche.
Gut gefallen haben auch uns die bequemen Sitze; Citroen erwähnt gerne, dass 15 mm mehr Schaumstoff eingearbeitet wurde. Starken Seitenhalt in Kurven darf man aber nicht erwarten - das fällt besonders auf der Beifahrerseite auf, wo man sich nicht am Lenkrad festhält. Apropos Komfort: Das Fahrwerk fanden wir okay, aber von einem Flying-Carpet-Effekt zu sprechen wie Citroen fänden wir denn doch übertrieben. Die Lenkung ist angenehm leichtgängig.
Bestellstart für den Citroen e-C4 X war schon im November 2022, auf den Markt kommt der Wagen im März 2023. Die Preise beginnen bei 37.450 Euro; damit ist er exakt gleich teuer wie der e-C4. Davon geht noch die neue Förderung von 4.500 Euro vom Staat und 2.250 Euro Herstelleranteil plus Mehrwertsteuer ab, insgesamt also 7.178 Euro. Nach Förderung landet man also bei rund 30.000 Euro.
Durch die bei Kompaktwagen seltene Stufenheck-Konstruktion gibt es keine offensichtlichen Wettbewerber des e-C4 X. Die bisher vorgestellten Stufenheck-Stromer treten allesamt in der Mittelklasse an und sind teurer: Den Ioniq 6 gibt es ab etwa 44.000 Euro, das Model 3 trotz Preissenkung ab rund 49.000 Euro, und auch der VW ID.7 dürfte mehr kosten.
Mangels Alternativen würden wir kleine SUVs aus dem gleichen Konzern zu den Rivalen rechnen, aber auch ein günstiger Kompaktwagen wie der MG4 Electric ist einen Seitenblick wert - während der VW ID.3 durch das baldige Facelift preislich nun erst bei etwa 44.000 Euro beginnt. Den Kia Niro EV gibt es sogar erst ab knapp 48.000 Euro.
Wie man sieht, bietet der e-C4 X mehr Reichweite als der Mokka-e. Der neue Opel Mokka Electric mit 115 kW und 51-kWh-Akku (netto) ist noch nicht im Handel, er soll genauso viel Reichweite bieten wie der Jeep Avenger. Das Beispiel Avenger zeigt, dass das neue Stellantis-Antriebssystem mit der größeren Batterie noch etwas mehr Reichweite bietet. Der günstige MG kommt mit 450 km aber noch weiter; das China-Modell hat allerdings eine längere DC-Ladezeit.
Zu den Stärken des Citroen e-C4 X gehört das große Kofferraumvolumen: 510 bis 1.360 Liter sind wirklich eine Menge. Allerdings ist das Volumen nicht gut nutzbar, weil die Kofferraumöffnung so eng ist. Dann kann uns ehrlich gesagt auch das große Volumen gestohlen bleiben. Für uns wäre genau das der Grund, das Auto nicht zu kaufen. Ansonsten punktet der Wagen mit der ordentlichen Reichweite, guten Ladeeigenschaften, den komfortablen Sitzen und einem vergleichsweise günstigen Preis.