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Mercedes E-Klasse Cabrio (2017) im Test

So gut wie eine offene S-Klasse, aber ...

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Genf, 28. Juni 2017 - Sie stehen vor der Wahl, sich eine Mercedes E-Klasse anzuschaffen, wissen aber noch nicht so genau, welche? Dann tun Sie mir jetzt schon leid, denn verglichen mit dem daimlerschen Mittelklasse-Portfolio wirkt selbt eine Metro-Käseabteilung plötzlich beschämend eindimensional. Limousine, T-Modell, All-Terrain und Coupé gab es schon. Nun erscheint mit dem Cabrio das fünfte und (vermutlich) letzte E-Klasse-Derivat. Man munkelt bereits, ob es neben den gewöhnlichen Mercedes-Autohäusern bald auch reine E-Klasse-Händler geben wird. Aber Schluss mit dem Klamauk, denn jede der fünf E-Klassen hat ihre Berechtigung Die eine mehr, die andere weniger. Die Variante mit Stoffdach dürfte - auch wenn Sie das jetzt überraschen mag - zu ersterer Kategorie gehören.

Mehr Platz als im S-Klasse Cabrio
Warum sagt er das jetzt, fragen Sie sich? Nun, weil das neue Cabrio dem Coupé in Sachen Alltags- und Allwettertauglichkeit in so gut wie nichts nachsteht. Außerdem sieht es - das ist aber nur meine unwichtige Meinung - noch ein bisschen schöner und elitärer aus. Wie die geschlossene Variante ist es deutlich länger, breiter und radstandiger als der Vorgänger. Außerdem hat es hinten 100 Millimeter (!) mehr Beinfreihet. Das hat zur Folge, dass man auch im Stoffdach-Fond relativ ordentlich sitzen kann. Ordentlicher zumindest als im gut 20 Zentimeter längeren S-Klasse Cabrio. Der Kofferraum fasst mit 385 Liter (310 bei geöffnetem Verdeck) zudem lediglich 40 Liter weniger als der des E-Klasse Coupés. Sogar die Rücksitze lassen sich umklappen. So erhalten Sie eine ziemlich flache, aber relativ lange Öffnung. Wer wollte in einem Luxus-Cabrio nicht schon immer mal Leitern oder Biertische transportieren?

Offen in 20 Sekunden
Und das Ganze bei jedem Wetter. Denn vermutlich hat es in der Geschichte des dachlosen Fahrens noch nie ein Auto gegeben, dem die äußeren Umstände so gleich waren, wie dem neue E-Klasse Cabrio. Das Stoffverdeck (öffnet und schließt in 20 Sekunden und bis 50 km/h) hat mehrere Lagen und entspricht weitgehend dem Setup in der offenen S-Klasse. Deshalb ist es im E Cabrio auch so schön leise. Warm wird es im Winter auch sein. Beim Fahrtermin in Genf hatte es 35 Grad, daher ist das nur eine Vermutung. Aber egal wie heiß, frostig oder orkanös es gerade zugeht, die überfleißigen Mercedes-Ingenieure scheinen immer die passende Lösung parat zu haben.

Für wirklich alle Wetter
Die Sonne ist heute mal wieder ein besonders unbarmherziges Biest? Wie gut, dass die Ledersitze den glühenden gelben Ball selbstlos reflektieren. Sie finden, ein mittelschwerer Februar-Schneesturm ist kein Grund, das Cabrio stehen zu lassen? Warum auch, mit Allrad (erstmals in einem E Cabrio und vorerst für E 350 d und E 400), Airscarf-Nackenföhn und Sitzheizung auf allen vier Plätzen? Selbst die fiesesten Windböen verlieren dank Aircap, das aus elektrisch ausfahrenden Lamellen im Dachrahmen und klassischem Windschott hinter den Sitzen besteht, ihren Schrecken. Dazu kommen eine Klimaautomatik, die automatisch unterscheidet, ob Sie offen oder geschlossen fahren und ein neues, Cabrio-spezifisches Wischwasch-System, das Ihre Scheibe reinigt, ohne Sie dabei mit abzuspülen. Besser vor Offenheit geschützt waren Sie in einem offenen Fahrzeug vermutlich noch nie. Nur eincremen müssen Sie sich noch selbst. Aber man braucht ja noch Luft fürs Facelift.

Innen einnehmend schön
Zu all dem Cabrio-eigenen Verwöhn-Wahnsinn kommt natürlich auch hier der gewohnte E-Klasse-Technik-Overkill. Sprich: Wenn Sie genügend Häkchen in der Aufpreisliste machen (es sind sehr sehr viele Häkchen), fährt auch das Cabrio weitgehend von allein, hat die digitale Doppel-12,3-Zoll-Kinoleinwand für Instrumente und Infotainment an Bord, leuchtet die Straße mit 84 intelligenten LEDs aus oder heizt/belüftet/massiert Ihren sonnenverwöhnten Leib. All das in einem der schönsten Cockpits, die man derzeit bewohnen kann. Ein noch immer unerreichter Mix aus funky, feudal und digital. Mit eingängiger Bedienung (abgesehen von den etwas ungelenken Daumen-Touchpads im Lenkrad) und den ausgereiftesten autonomen Fahrhilfen am Markt. Sollten Sie passionierter Goldknopf-Sakkoträger sein, schneidert Ihnen Mercedes mit neuen Farben und Hölzern übrigens auch ein bemerkenswert maritimes Flair ins Interieur. Fragen Sie einfach nach Yachtblau mit Macchiatobeige. Und vergessen Sie ihre Segelschuhe nicht.

Ein Cruiser, kein Sportler
Wie schon das Coupé wirft auch das neue E-Klasse Cabrio mit den klassischen Mercedes-Tugenden nur so um sich: Luxus und Technik, stilbewusst und ziemlich mondän verpackt. Hier vielleicht noch ein Eck stilbewusster und mondäner. Und mit mehr Wind in den (vornehmlich wohl eher grauen bis weißen) Scheiteln. Das Fahren selbst spiegelt genau das wider. Wie im Coupé gibt es fast sieben Zentimeter mehr Spurbreite. Dazu kommen ein Sportfahrwerk mit 15 Millimeter Tieferlegung (serienmäßig), ein adaptives Sportfahrwerk mit 15 Millimeter Tieferlegung oder ein Mehrkammer-Luftfahrwerk (beides optional). Sonderlich viel Sportsgeist sollten Sie sich deswegen allerdings nicht versprechen. Das E-Klasse Cabrio ist ein formidabler Cruiser, ein Kurvenverschlinger ist es definitiv nicht.

Wie eine edle Yacht
Mit der Air-Body-Control-Luftfederung (die alle Testautos an Bord hatten) sänftet der offene E seidenweich dahin, wird auch in Sport oder Sport Plus nie patzig oder bockig. Lediglich bei kurzen Schlägen wie Schlaglöchern oder Bremshuggeln hat man das Gefühl, dass die Karosse minimal mehr weitermeldet als beim Coupé. Der Rest ist wie gewohnt sehr satt, sehr gediegen. Man kann dieses Cabrio schon auch etwas forscher in die Kurve jagen, es wird nicht wirklich arg aufschaukeln, sondern sachlich, mit etwas Untersteuern, aber schnell genug durchpushen. Es fühlt sich eben nicht wirklich an, als würde es das allzu gerne tun. Also lieber zurücklehnen, in den Comfort-Modus schalten, sich eine leichte Brise ums Haupt wehen lassen und das angenehme Gefühl genießen, dass man eine extrem edle Yacht steuert, von der aus man nicht ins Meer fallen und ertrinken kann.

Kein V8 im E Cabrio
Bleibt die Frage, warum sich irgendwer überhaupt noch ein S-Klasse Cabrio kauft. Und in vielerlei Hinsicht sind die Unterschiede zu diesem neuen E-Klasse Cabrio wirklich nicht mehr feststellbar. Wenn man jedoch diesen überlegenen Antriebskomfort möchte, wie man ihn ja immer mit offenen Luxuscruisern verbindet, dann hat die S-Klasse einen entscheidenden Vorteil - es gibt sie noch mit V8. Im E Cabrio kriegen Sie zum Start drei Vierzylinder und zwei V6-Motoren. Ein E 63 Cabrio wird es (wie auch beim Coupé) nicht geben. Ich fuhr den E 220 d mit 197-Diesel-PS sowie das vorläufige Topmodell E 400 4Matic mit 333-Benziner-PS. Der neue Diesel beschleunigt in 7,7 Sekunden von 0-100 km/h und ist mit seinen 400 Newtonmeter im Prinzip natürlich für alle normalen Gelegenheiten schnell genug. Aber zu den Leisesten seiner Zunft zählt er nicht. In einer Businesslimousine ist all das völlig verkraftbar, in einem Nobelcabrio wirkt es immer etwas Fehl am Platz.

Bald mit neuen Reihensechszylindern
Der 400er ist natürlich deutlich schneller und geschliffener, wirft sich in 5,5 Sekunden auf 100 km/h und wirkt schon eher wie die natürliche Wahl in diesem Segment. Aber irgendwie mangelt es ihm ein wenig an Charisma und Klang. Wer einmal den glorreichen und irre eleganten 4,7-Liter-Biturbo-V8 im S 500 Cabrio gefahren ist, weiß, was dem E-Klasse Cabrio abgeht. Vermutlich ist man deshalb vorerst mit dem urviechigen und angenehm sonoren 350 d am besten dran. Zumindest bis die neuen Reihensechszylinder ins Programm aufgenommen werden. Darunter dann auch ein neuer AMG E 53 mit um die 440 PS. Das ändert nichts daran, dass Mercedes 25 Jahre nach dem ersten E-Klasse Cabrio (das W124 E300 24V Cabrio von 1992) ein unglaublich technologisches, irre luxuriöses und sehr perfektes Offenfahr-Erlebnis auf die Räder gestellt hat. Wirkliche Konkurrenz gibt es nicht. Der BMW 4er ist eine Klasse drunter, BMW 6er, Maserati GranCabrio und Bentley Continental GTC sind deutlich teurer und sportlicher. Los geht es bei 54.228 Euro für das 184 PS starke E 200 Cabrio, der E 220 d kostet mindestens 56.049 Euro und das E 400 4Matic Cabrio startet bei 70.281 Euro.

Gesamtwertung
Das neue E-Klasse Cabrio ist mal wieder Mercedes pur. Nicht hochdynamisch, aber extrem luxuriös, stilvoll und beispiellos vollgestopft mit Hightech. Im Prinzip macht es nichts wirklich schlechter als das größere, deutlich teurere S-Klasse Cabrio. Es hat sogar mehr Platz im Fond. Einziger Wermutstropfen: Die offene Edelsänfte muss ohne V8 auskommen, der ihr anhand des soliden, aber etwas uncharismatischen Motorenprogramms sehr gut zu Gesicht stehen würde.

+ extrem viel Luxus und Komfort; überlegene Technik; ausgezeichnete Qualität; sehr luxuriöser Innenraum; für alle Wetter geeignet

- nicht sonderlich dynamisch; keine sehr charismatischen Motoren; lange Aufpreisliste

Modell Mercedes E 220 d Cabriolet
Motor
Bauart Reihenmotor, Turbo
Zylinder / Ventile 4 / 4
Antrieb Hinterradantrieb
Getriebe Automatik
Gänge 9
Hubraum 1.950 cm³
Leistung 143 kW bei 3.800 U/min
max. Drehmoment 400 Nm bei 1.600 U/min
Fahrwerk
Lenkung elektromechanische Servolenkung
Radaufhängung vorn Vierlenkerachse
Radaufhängung hinten Fünflenkerachse
Spurweite vorn 1.605 mm
Spurweite hinten 1.609 mm
Maße
Länge 4.826 mm
Breite 1.860 mm
Höhe 1.428 mm
Radstand 2.873 mm
Leergewicht 1.830 kg
max. Zuladung 505 kg
Kofferraumvolumen 385 l
Tank 50 l
Messwerte
Höchstgeschwindigkeit 237 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h) 7,7 s
Verbrauch gesamt 4,3 l/100 km
Testverbrauch gesamt 6,3 l/100 km
CO2-Emission 113 g/km
Schadstoffklasse Euro 6

Stand: Juni 2017


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