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Knall und Krall

Kompaktsportler-Test: VW Golf R versus Mercedes A 45 AMG

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Haar, 22. Dezember 2014 - Der Wandel ist unaufhaltsam. Dies sind neue, verrückte und sehr schnelle Zeiten. Und während viele gar nicht wissen, wie schnell oder wohin sie sich überhaupt wandeln sollen, scheint der Weg bei des Deutschen liebstem Kind (ja liebe Leser, das ist bei allem SUV-Wahn noch immer das kompakte Schrägheck) recht klar zu sein. Am unteren PS-Ende wird immer mehr geknausert, assistiert und "connected", damit man die angeblich KFZ-müde Jugend überhaupt noch ins Autohaus bekommt. Und auf der anderen Seite fährt man Geschütze auf, deren schiere Gewalt und Technologie bis vor kurzem noch undenkbar waren. Als ich meinen Führerschein erhielt (das ist jetzt knapp 14 Jahre her), hieß Kompaktsport: Golf III GTI 16V, Alfa Romeo 145 QV oder Peugeot 306 S16. Mit anderen Worten: Bedenklich klappriges Blech, Antrieb vorne, ein erschreckend unberechenbares Heck und als einziges Assistenzsystem der Verkehrsfunk aus dem bunt blinkenden Grundig-Kassettenradio. Zudem war man mit 150 PS der König der Nachbarschaft. Als ich heute morgen vor unserem aktuellen Test-Duo der Gattung Kompaktsportler stehe, ist all das … nun ja … ein ganz kleines bisschen anders.

Leiden mit der Technik
Zu Besuch in der Redaktion sind die derzeit schärfsten Krawallbrüder Deutschlands, der VW Golf R und der Mercedes A 45 AMG (der nächste Ford Focus RS mit etwa 350 PS und der neue Audi RS3 mit 367 PS lassen ja noch ein wenig auf sich warten). Beiden gemein sind ein Zweiliter-Vierzylinder-Turbo, ein Doppelkupplungsgetriebe und ein eher frontlastig ausgelegter Allradantrieb mit Haldexkupplung. Über die Horden an Assistenzsystemen (nein, es gibt kein bunt blinkendes Kassettenradio mehr) hülle ich vorab dezent den Mantel des Schweigens, weil das ständige Gepiepse so nervt, das man nach spätestens zehn Minuten so lange wutentbrannt auf die Systemeinstellungen einhämmert, bis endlich alle Fahrhilfen vernichtet sind. Besser man ergötzt sich also am überbordenden Leistungsangebot des deutschen Premium-Kompaktsports. Und das geht derzeit nirgends besser als in der Wildsau aus Affalterbach … äh … ich meine im A 45 AMG.

Diesen Klang vergisst man nicht
Unser Testtrupp ist mittlerweile an der auserkorenen Lokation aufgeschlagen und während der Allgäuer Riedbergpass (ganz nebenbei Deutschlands höchster befahrbarer Gebirgspass) noch leicht verschlafen mit einem morgendlichem Sonne-Wolken-Gemisch kämpft, schreit das hinter einem etwas zu großen Mercedes-Stern eingesperrte Monster bereits wild nach Aufmerksamkeit. 360 PS und 450 Newtonmeter rohe Energie durch einen verdammt schlecht gelaunten Abgasstrang gequetscht und hinten so dreckig herausgerotzt, als säße ein von Schluckauf geplagter Teufel in den Endrohren - ich habe den Baby-AMG schon ein paar Mal gefahren, aber gegen diesen akustischen Anschlag hat meine Gänsehaut noch immer keine Chance. Gegen die Performance irgendwie auch nicht. Der aktuell stärkste Vierzylinder in einem Serienfahrzeug nimmt sich zwar eine ordentliche Gedenksekunde, dann aber gibt es kein Halten mehr. Der mittlere Drehzahlbereich ist pures Nackentraining und wo andere Downsizing-Maschinchen ausgelaugt das Handtuch werfen (so ab 5.500 Touren) kriegt der A die zweite Luft und hämmert lustvoll Richtung Begrenzer.

A 45 wie ein tasmanischer Teufel Ansonsten ist der AMG beleidigend hart gefedert, plättet jegliches Kurvengedöns mit schierem Speed und Grip nieder ... und Sie machen, was sein Getriebe will, nicht umgekehrt. Mittlerweile sind wir an einem gewaltigen Parkplatz irgendwo nördlich der 1.400 Meter angekommen. Hier gibt es das typische, holzvertäfelte Ausflugslokal, Minivans mit "Team Öko"-Aufklebern, deren Besitzer uns (nach einem gewagten, aber brillanten Überholmanöver) mürrische Blicke zuwerfen, eine herrliche Aussicht und sehr viele Kühe. Da die Rindviecher sich nullkommanull für unsere Kompakt-Kracher interessieren und das Gebimmel ihrer Kuhglocken unglaublich nervt, fahren wir schnell weiter Richtung Österreich. Die Strecke über Balderschwang nach Hittisau hat ein paar enge, aber sehr schnelle S-Kurven parat. Leider wird dort gerade gebaut, was im Umkehrschluss bedeutet, dass hier bald frischer, glatter Asphalt auf hungrige Kurvenkünstler wartet. Der A45 knallt und krallt sich an den Felsen entlang und wirkt dabei wesentlich wilder, aber gleichzeitig auch ungeduldiger als der Golf. Man muss mehr kämpfen, um seine Nase unter Kontrolle zu kriegen. Ein bisschen Untersteuern hier, ein wenig nachjustieren da und wird der Untergrund schlechter, hüpft S-AK 4551 auch gerne mal etwas derangiert durch die Gegend. Es hilft alles nichts, die A-Klasse ist ein tobender, wütender Tasmanischer Teufel. Halten Sie sich gut fest und Sie wissen, es wird lustig. Der Kompakt-AMG will Vollgas und taut erst richtig auf, wenn er Vollgas bekommt. Der Motor ist jetzt, bei über 5.000 Touren, eine stampfende, unnachgiebige Sensation. Das eckige Wildlederlenkrad dreht sich leicht, aber das Gefühl ist definitiv da. Und wenn man die Chuzpe hat, das Volant hart herumzureißen, während man in die Kurve hineinbremst, kommt auch der Affalterbacher Popo geflogen. Endlich ist der A in seinem Element. Man muss ihn wirklich dreschen, dann bedankt er sich mehr als artig.

Der R ist schwächer aber nicht wirklich langsamer
Der Riedbergpass erweist sich als angenehmes Terrain für aufgekratztes Kompaktwagen-Material und es wird Zeit, dem stärksten Golf aller Zeiten den wohlverdienten Auslauf zu gönnen. Der R zieht etwas konservativere 300 PS und 380 Newtonmeter aus seinem Zweiliter-Turbo-Aggregat. Dafür ist er 60 Kilo leichter als der Daimler. Sein Haldex-Allradsystem der fünften Generation verfrachtet - wenn es denn sein muss - auch die komplette Ladung Drehmoment heckwärts. Wie viel Unsinn man genau anstellen muss, damit das passiert, will ich ehrlich gesagt gar nicht wissen, aber auf dem Papier klingt es ziemlich gut. Wie erwartet ist der Golf eher der Sockenbügler. Effizient, organisiert, beängstigend schnell. Mit sehr gleichmäßiger Kraftentfaltung und der Chassis-Neutralität eines Tofublocks. Sogar sein Klang wirkt durchgeplant. Ein wenig Boxer, ein Schuss V6, etwas großer Diesel. Der R klingt ein bisschen wie ein Sportwagen in einem sehr alten Computerspiel.

Keine krummen Dinger im Golf
Wir bewegen uns nun von der anderen Seite auf den Gipfel zu und es wird wieder serpentiniger. Die Landschaft wird rauer, die Felsen werden schroffer und die Kurven zunehmend enger. Der Golf macht hier einen hervorragenden Job. Er ist spitzer, reaktionsschneller und lässt sein Heck schneller (und vor allem nicht so "Alles-oder-Nichts" wie die A-Klasse) mitspielen. Dazu bringt die bessere Gasannahme aus engen Ecken heraus die entscheidenden Meter. Beim R bleibt man einfach immer auf dem Pinsel, den Rest erledigt er von selbst. Auch wenn man fährt wie ein lebensmüder Hooligan, macht der Golf keine krummen Dinger. Es gibt sicher bessere Medizin gegen einen zu niedrigen Adrenalinspiegel, aber auf einem Bergpass wird es verdammt schwer, den Wolfsburger aus dem eigenen Rückspiegel zu fahren. Und selbst wenn es Ihnen gelingt, wird der Fahrer des Golf mit ziemlicher Sicherheit entspannter aussteigen. Selbst im sportlichsten seiner vier Modi federt der jüngste Spross der R GmbH nämlich noch ziemlich hervorragend und außerdem sitzt es sich in ihm sehr angenehm. Vor allem im Vergleich zur A-Klasse, deren Interieur und Gestühl ganz offensichtlich von eher drahtigen Menschen für eher drahtige Menschen entworfen wurde.

Am Ende auch eine Preisfrage Während ich noch an zu schlanke Personen in (zweifelsfrei fantastisch haltenden) Affalterbacher Sitzen denke, hat das Kurvenparadies schlagartig aufgehört und wir befinden uns zwischen einem abgepflügten Feld, einer Tankstelle und einem Elektronikmarkt. Der Golf gewinnt mit 10,2 zu 11,9 Liter und da wir gerade keinen Fernseher brauchen, drehen wir schnell um und fahren diesen ziemlich grandiosen, höchsten deutschen Alpenpass einfach nochmal. Und dann wahrscheinlich nochmal. Das bessere Auto? Meine Herren, eine wahrlich schwierige und am Ende wohl ziemlich persönliche Entscheidung. Obwohl der Benz im Messer-zwischen-den-Zähnen-Modus mehr Spaß macht, kriegt am Ende der Golf meine Stimme. Er ist nicht wirklich langsamer, dafür alltagstauglicher und fast 10.000 Euro günstiger. Im vollen Testwagen-Trimm sind es sogar haarsträubende 25.000 Euro AMG-Aufschlag. Dafür hätte man vor 14 Jahren fast eineinhalb Golf III GTI 16V, Alfa 145 QV oder Peugeot 306 S16 bekommen. Ich glaube, unser nächster Vergleichstest steht hiermit fest.

Gesamtwertung
Es braucht schon ein dickes Sportwagen-Kaliber, um VW Golf R und Mercedes A 45 AMG auf einer schönen Passstraße davonzufahren. Und das bei völlig intakter Alltagstauglichkeit. Vor ein paar Jahren war das noch undenkbar. Der AMG zieht die Highspeed-Show etwas wilder ab und bleibt wohl länger im Gedächtnis haften, dafür macht der VW den ausgewogeneren Eindruck. Welcher der beiden Kompaktsportler besser ist, ist auf diesem hohen Niveau schwer zu sagen. Ganz objektiv betrachtet, ist der Golf R ein ganzes Eck günstiger. Deswegen hat er am Ende leicht die Nase vorn.



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