Dank Elektrounterstützung zum Spritspar-Dynamiker?
In Deutschland hält der Opel Astra zumeist hartnäckig seinen zweiten Platz in der Kompaktklasse hinter dem VW Golf. Im Laufe des Jahres 2025 wirft Ford mit der Einstellung des Ford Focus das weiße Handtuch in den Ring des Jahrzehnte währenden Dreikampfes.
Zeit also, sich den womöglich kommenden Dauerabonnenten auf Platz zwei noch einmal genauer anzusehen. Denn seit Februar 2024 wird die XL-Motoren-Palette des Opel Astra (Benziner, Diesel, Plug-in-Hybrid, Elektro) von einem 48-Volt-Mildhybrid komplettiert.
Zum Einsatz kommt hier ein 1,2-Liter-Turbo-Benziner kombiniert mit einem 21 kW (28 PS) starken Elektromotor, der in das Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe integriert wurde. Während des Verzögerns oder bei hohem Tempo schaltet sich der Benziner ab und lässt den Elektromotor als Generator arbeiten, um die 48-Volt-Batterie mit Energie zu versorgen.
Insgesamt kommt der Opel Astra Sports Tourer Hybrid 48V (was für ein eingängiger Name ...) auf glatte 100 kW (136 PS). Die Kraft soll ausreichen, um bis zu einen Kilometer am Stück oder 50 Prozent in der Stadt elektrisch zu fahren. Zudem schaltet sich das emsige Aggregat beim Beschleunigen hinzu.
Ob markenintern, wie bei Corsa und Grandland, oder Stellantis-weit, wie bei Peugeot, DS, Citroën und Konsorten - das neue 48-Volt-System ist des Großkonzerns Geheimwaffe gegen die strengeren Abgasauflagen.
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Auf meinem Fototermin (im Hintergrund übrigens eines der letzten überlebenden Opel-Gebäude des ehemaligen Astra-Produktionsstandortes in Bochum) hatte ich die Gelegenheit, den direkten Vorgänger des Opel Astra L noch einmal begutachten zu können: hömma, watt soll ich sagen ... meine Güte, sind dat Welten!
Der Astra K wirkt gegen den L mit seiner biederen, knubbeligen Silhouette wie aus einer anderen Zeit. Dabei war der bis zur Einführung des Nachfolgers 2022 nur sieben Jahre auf dem Markt.
Und dann führte Opel den markanten Vizor ein - der Kompaktklassler erhielt Ecken und Kanten. Als wollte sich Opel den gesetzten GM-Staub von den Schultern streichen, stand da plötzlich ein ganz frisches, aggressiv und dynamisch drein guckendes Auto. Durchaus sinnvoll, sich das noch einmal ins Gedächtnis zurückzurufen, denn inzwischen ist der Astra in dieser Form ein gewohntes Bild auf Deutschlands Straßen.
Als Sports Tourer wirkt der nach meinem Empfinden noch einmal stimmiger in seiner Formensprache, da die Seitenlinie Zeit hat, sich zu strecken und am Heck dadurch Platz findet, langsam auszulaufen. Im Gegensatz zu seinem Kompakt-Bruder dessen Seitenlinie etwas gedrungener direkt am Ende der Kadett-C-Gedächtnis-Käseecke endet.
In seiner Gesamterscheinung wirken die Proportionen des Kombis auf 4,64 Meter Länge auch nach drei Jahren auf dem Markt absolut zeitgemäß. Die optionalen schwarzen Alufelgen unterstreichen dezent die sportlichen Ambitionen, die der Lastesel im Namen trägt.
Stimmig und aufgeräumt wirkt weitestgehend auch der Innenraum. Ein optisches Manko ist die recht lieblos in die Infotainment-Einheit eingebettete Fahrerseitenlüftung. Ansonsten dominieren schnell zugängliche Schalterleisten und die zwei ausladenden Displays das Bild. Eines für die wichtigsten Fahrinformationen, eines für weitere Bedienungs- und Einstellungselemente. Letzteres ist simpel strukturiert und nicht zu verschachtelt, aber auch kein Infotainment-Meisterwerk.
Es gibt etliche Ablagefächer, die zumeist sogar verschlossen werden können. So kann oberflächlich Ordnung vorgegaukelt werden, selbst wenn unter der Verschlossenheit das Chaos herrscht - praktisch. Die Sitze bieten ausreichend Komfort und Seitenhalt, auch über lange Strecken. Von der sehr tief einstellbaren Sitzposition profitieren Popometer und das Gefühl für Straßenverhältnisse und Handling. Mir gefällt das sehr - für einige könnte die tief angelegte Sitzposition auch in der höchsten Einstellung etwas ungewohnt wirken.
Im Fond finden auch erwachsene Personen ausreichend Platz, wenngleich die Kopffreiheit mit jedem weiteren Zentimeter Körpergröße sinkt. Für mich mit meinen 1,76 Meter war das durchaus ausreichend. Das Gepäckabteil ist mit 597 bis 1.634 Litern das kleinste im klassischen Dreikampf (VW Golf: 611 - 1.642 Liter, Ford Focus: 635 bis 1653 Liter).
Dafür lässt sich die Rückbank mit einem gut zugänglichen Griff an der Seitenverkleidung im Kofferraum umlegen. Kleiner Spoiler ... dort irgendwo habe ich auch den so beliebten Hai entdeckt, den Opel seit einiger Zeit in seinen Modellen verteilt.
Den Anhang Sports Tourer hat sich Opel jedenfalls zu Herzen genommen. Das Fahrwerk leitet gerade im GS mit seinen 17-Zoll-"Kadett"-Alus einiges an Informationen von der Straße direkt an Lenkrad und Gesäß weiter. Die Direktheit des Astra Sport Tourers bewirkt für die Kompaktklasse zwar ausreichend Spaß auf kurvigen Landstraßen, sorgt jedoch auf provisorisch geflickten Straßen und Autobahnen ebenfalls dafür, dass sich der Fahrende oben am Infotainment-Bildschirm festhalten muss, wenn weiterhin zielgerichtet Lieblingsmusik ausgewählt werden soll. Das ist zuweilen schon holprig und hart gefedert - muss man wollen, wie wir hier in Bochum sagen.
Wer also bei der Wahl der Ausstattung zwischen Edition und GS unentschlossen ist, es jedoch lieber etwas komfortabler mag, sollte zum Edition mit den 16-Zoll-Felgen greifen. Die besitzen etwas mehr Gummi für leicht erhöhten Komfort.
Ansonsten arbeitet das 48-Volt-System sauber im Einklang mit dem Dreizylinder-Turbo-Benziner. Seichtes Anfahren gelingt geräuschlos, bis sich leise der Verbrenner hinzuschaltet. Eine Rekuperationsanzeige berichtet beim Verzögern von erfolgreicher Ladung. Wer etwas forscher Beschleunigt, kommt durch die zusätzlich eingespeiste Elektrokraft angenehm flott vorwärts.
Angetan war ich tatsächlich vom weiteren Durchzug jenseits der 120 km/h. Mit Blick auf das Datenblatt hatte ich beim Astra 48V eher mit weiterem Anzug im gemächlichen Bereich gerechnet. Doch Turbobenziner und Elektromotor schieben weiter einigermaßen vergnügt an, sodass für diese Motorgröße recht zügig auch Geschwindigkeiten von 150 bis 170 erreicht werden können. Blinker links und fix überholen ist also durchaus drin. Schluss ist bei 210 km/h. Die passende Straßenlage dafür hat der Astra Sports Tourer allemal.
In meinem Test genehmigte sich der kompakte Opel Kombi laut Bordcomputer 5,7 Liter auf etwa 700 Kilometern. Während entspannt angegangener Langstrecke zwischen 120 und 130 km/h mit einigen Stadtanteilen gelang mir auch mal eine 5,4 auf der Uhr. Die angegebenen 5,1 Liter sind bei konsequenten 100 km/h im Schnitt und penibler Nutzung des Eco-Modus durchaus nicht unrealistisch, in Kombination aus Stadt, Land und Autobahn jedoch eher nicht. Dennoch: 5,4 Liter sind für einen Benziner in der Kombi-Kompaktklasse absolut okay.
Der Einstieg in den Opel Astra Sports Tourer als 48-Volt-Hybrid gelingt bei 34.310 Euro, in der GS-Ausstattung werden mindestens 37.930 Euro fällig. Zum Vergleich: der Benziner geht bei 30.710 Euro los, der Plug-in-Hybrid bei 43.580 Euro - vollelektrisch müssen 39.490 Euro aufgebracht werden.
Bei den einstigen Dauerrivalen gibt es derzeit noch den 2025 auslaufenden Ford Focus Turnier als Mild-Hybrid in einer Aktionspreisempfehlung ab 29.637 Euro. Der VW Golf Variant Mild-Hybrid startet auf Augenhöhe mit dem Astra Sports Tourer bei 34.480 Euro.
Der reine 130-PS-Benziner im Opel Astra Sports Tourer verbraucht laut WLTP 6,1 Liter. Lassen wir es mal realistische 6,5 Liter werden, dann kriegen wir mit dem Mildhybrid also eine Ersparnis von etwa einem Liter auf 100 Kilometer. Ob sich der Aufpreis von knapp 4.000 Euro für den 48 Volt lohnt, muss da jeder selber gegenrechnen. Immerhin ist der jetzt auch in der Einstiegsvariante erhältlich. Die einst klaffende Lücke von über 7.000 Euro vom Standard-Benziner zum 48V ist damit etwas humaner gestaltet.
Die Fahrwerte profitieren durch den Elektromotor an Bord ebenfalls. Etwas mehr Zug ist also durchaus vorhanden, ohne dass man mehr Kraftstoff verblasen würde. Zu dieser Herangehensweise passt dann auch das straff abgestimmte Fahrwerk, sodass insgesamt ein stimmiges Verhältnis zwischen Optik, Ausstattung und Fahrspaß für den Sports Tourer entsteht. Wer eine ausgeprägt komfortable oder gar weiche Federung bevorzugt, sollte den Astra aber wohl eher meiden.