Der Van-Kombi-SUV glänzt mit neuen Assistenzsystemen und mehr Ausstattung
Mit dem Jogger traf Dacia vor zwei Jahren genau den Nerv vieler Autofahrer. Die Tugenden eines Kombis gepaart mit dem Komfort eines Vans, dazu eine Prise SUV-Lifestyle - genau das wollten die Kunden offenbar. Schnell avancierte der Jogger, der mit den Baureihen Lodgy, Logan MCV und Dokker gleich drei Modelle beerbte, zum Erfolgstyp. Für das Modelljahr 2024 hat Dacia den Jogger nochmals sanft überarbeitet und wir sind ihn bereits gefahren.
Wenn einer alles können will, endet das nicht selten darin, dass er viele Dinge ein wenig, aber nichts richtig kann. Der Dacia Jogger wäre theoretisch ein Kandidat für diese Falle, denn er möchte nichts weniger als ein Kombi, ein Van und ein SUV in ein und demselben Fahrzeug sein. Quasi das Überraschungsei auf Rädern.
Nun hat sich der rumänische Hersteller unter französischer Führung in der Vergangenheit nicht durch Größenwahn hervorgetan, sondern im Gegenteil nie mehr versprochen, als man zu halten imstande war. So war die Erwartungshaltung auch bei diesem Test bei uns recht hoch. Und um es vorweg zu nehmen: Der Jogger hat nicht zu viel versprochen, zeigte aber auch einige Schwächen.
Unser Testwagen - ein Jogger Hybrid 140 Extreme - markiert das obere Ende der Nahrungskette in der Baureihe. Mit der Top-Motorisierung besitzt der Jogger einen hochmodernen Vollhybrid-Antrieb mit Automatik sowie in der zweithöchsten Version Extreme eine sehr reichhaltige Ausstattung.
Exterieur | Interieur | Antrieb | Fahrwerk | Preis / Konkurrenz | Fazit
Wie bei Dacia üblich zählt in erster Linie die Funktion und nicht die Form. Extravaganzen sucht man daher auch am Exterieur des Jogger vergeblich. Klar und sachlich ist die Linienführung, vor allem, seit im letzten Jahr das neue Markengesicht mit dem markanten Logo eingeführt wurde. Die neuen Scheinwerfer mit der Y-förmigen Lichtsignatur (die man sich frech bei Lamborghini abschaute) sowie der angedeutete Unterfahrschutz lassen den Dacia sehr bullig wirken.
Die Seitenlinie hingegen ist vom extrem langen Radstand geprägt. Fast 2,90 Meter bei 4,54 Meter Außenlänge lassen sich auch mit den besten Designtricks nicht wegkaschieren. Dacia ist es aber durch den Knick an der D-Säule in die ausgestellten Radhäuser gelungen, die Flanke doch dynamisch zu gestalten.
Das hohe Heck mit den nach außen abgewinkelten Heckleuchten hätte hingegen auch direkt von einem Volvo stammen können, was in Sachen Design sicher nicht das schlechteste Kompliment ist. Unser Modell Extreme schlägt mit angedeuteten Unterfahrschutzen (gibt es dafür überhaupt einen Plural?), einer höhergelegten Karosserie sowie den Kunststoffbeplankungen dazu gekonnt die Brücke zum SUV. Die geniale modulare Dachreling unterstreicht den Nutzwertcharakter, denn sie kann spielend einfach zur Seite geklappt werden, wodurch sie die klassischen Querträger ersetzt.
Im Innenraum ist und bleibt der Jogger ein klassischer Dacia. Hier herrscht die gewohnte pragmatische Nüchternheit mit viel Hartplastik. Trotzdem schleicht sich im Falle unserer Extreme-Ausstattung so etwas wie sanfter Luxus in die Kabine.
Die zweifarbigen Microcloud-Sitzpolster mit kupferfarbenen Kontrastnähten tragen ebenso dazu bei wie die farbigen Akzente an Lüftungsdüsen und Türverkleidungen oder der Stoffbezog des Armaturenbretts. Hier kann man sich durchaus wohlfühlen.
Die Vordersitze sehen nicht nur gut aus, sondern bieten auch eine sehr gute Sitzposition und eine bequeme Polsterung. Alle Bedienelemente liegen gut zur Hand. Zentrales Element ist der sieben Zoll große Touchscreen, der kabelloses Android Auto und Apple CarPlay beherrscht und für 400 Euro Aufpreis auch ein eigenes Navi mitbringt. Ein weiteres Highlight ist die digitale Instrumententafel mit knackscharfer Auflösung aus dem Dacia Duster, die in diesem Modelljahr neu im Jogger einzieht.
Erfreulicherweise gibt es bei Dacia noch klassische Drehregler für die in unserem Modell serienmäßige Klimaautomatik und physische Tasten für weitere Funktionen. Ein Klassiker in der Renault/Nissan-Allianz, zu der auch Dacia gehört, ist die geniale Taste, mit der das einmal konfigurierte Lieblings-Assistenzsetup (dann ohne Tempo-Piepser und Spurhalter) abgerufen werden kann. So einfach kann das sein…
Gar nicht so einfach ist der Zustieg zur Rücksitzbank, zumindest wenn vorn ein etwas größerer Pilot Platz genommen hat. Hinten ist das Platzangebot angesichts des enormen Radstandes erstaunlich eingeschränkt. Zwei 1,87 Meter große Personen können nur mit Mühe hintereinander sitzen, wobei man hinten die Knie schon links und rechts an den vorderen Sitzlehnen vorbeischieben muss.
Dabei hilft die extrem hohe Sitzposition, die einen sehr angenehmen Kniewinkel ermöglicht, andererseits die Luft über dem Schädel sehr dünn werden lässt. Die Klapptische an den Vordersitzlehnen werden so zur Makulatur, sind bei Kindern allerdings sicher sehr nützlich und willkommen.
Wo der ganze Radstand und die Länge hin ist, zeigt ein Blick in den hallenartigen Kofferraum. Hier wohnt auf Wunsch auch eine dritte Sitzreihe, die den Jogger zu einem der selten gewordenen Siebensitzer macht. Bei uns herrscht hier nur gähnende Leere.
In Zahlen: 607 Liter sind es standardmäßig. Nach dem Umfallen der kompletten Rücksitzbank sind es über 1.800 Liter. Schon ohne Umklappen passen bis zu 14 Getränkekisten in den Jogger. Die Ladekante ist erfreulich niedrig. Hier passt übrigens auch prima das Dacia-Sleeppack mit ausklappbarem Campingbett rein, das wir ebenfalls schon getestet haben.
Mit dem 140 PS starken Vollhybrid-Antrieb verfügt unser Jogger über ein hochmodernes Triebwerk, dass einen 1,6 Liter großen 94-PS-Saugbenziner mit einem Elektromotor verbindet, der 47 PS beisteuert. Dieser Antriebstrang wird im gesamten Renault/Nissan-Konzern in den verschiedensten Fahrzeugen verbaut, unter anderem im Nissan Juke, Nissan Qashqai oder auch im Renault Capture oder im Mitsubishi ASX. Demnächst übrigens auch im Dacia Bigster. Mit 140 System-PS bei einem Leergewicht von nur 1.460 Kilogramm verspricht die Top-Motorisierung gute Fahrleistungen.
Solange man nicht zu viel Gas gibt, hält der Jogger dieses Versprechen auch. Der Antrieb arbeitet die meiste Zeit als serieller Hybrid, also mit dem Verbrenner als Stromerzeuger und dem Elektromotor als alleinigem Antrieb. Der Akku ermöglicht dann erstaunlich lange vollelektrische Wegstrecken, viel mehr, als es zum Beispiel das ähnliche Triebwerk im Honda Jazz schafft. Durch das hohe elektrische Drehmoment kommt man druckvoll von der Ampel weg und beschleunigt auch zwischendurch fast schon spritzig.
Neu seit dem Modelljahr 24 ist die EV-Save-Funktion, mit der genug Batteriekapazität vorgehalten werden kann, um entweder einige Kilometer rein elektrisch zu fahren oder zum Beispiel bei großen Steigungen genug Elektro-Unterstützung zu haben.
Nur übertreiben sollte man es nicht, denn wenn der Benziner ins Spiel kommt, wird es laut. Ungewohnt ist es zudem, dass der Motor im Stromerzeugermodus unabhängig von der Geschwindigkeit je nach Akkustand seine Drehzahl ändert. Wer viel Leistung abfordert, zwingt beide Triebwerke zum gemeinsamen Einsatz.
Dann geht es zwar straff voran, aber der Verbrenner lärmt bei hohen Drehzahlen. Zudem schleicht sich bei manchen Drehzahlen ein nerviges Dröhnen und Klirren in die Geräuschkulisse. Da man mittels Gaspedal keinen direkten Einfluss auf die Drehzahl hat, muss man mit diesem Störgeräusch leben, bis das Steuerteil eine andere Drehzahl vorgibt. Nicht so schön.
Die Vorteile des aufwendigen Hybridsystems spielt der Jogger dann an der Tankstelle aus. Durch das häufige Rekuperieren und die langen vollelektrischen Wegstrecken drückt man den Verbrauch in ungeahnte Tiefen. Auf unserer Testrunde durch den Taunus verbrauchten wir nur 5,3 l/100 km und kamen damit dem WLTP-Verbrauch von 4,7 Litern erstaunlich nahe. Dabei wäre mit behutsamerer Fahrweise noch deutlich weniger gegangen.
Länge läuft - diese alte Regel funktioniert auch beim Dacia Jogger. Durch den extrem langen Radstand liegt der Jogger sehr stabil in weiten Kurven und überzeugt auch mit einem sehr guten Geradeauslauf bei höherem Tempo (Spitze 167 km/h). Nachteil dessen ist eine gewisse Sperrigkeit. Nicht nur der große Wendekreis von 11,40 Metern lässt den Jogger etwas unhandlich in engen Kurven wirken, auch die leichtgängige, aber doch sehr indirekte Lenkung lässt keine wirkliche Fahrfreude aufkommen.
Fahrspaß stand aber sicherlich auch nicht im ersten Kapitel des Lastenheftes dieses ausgewiesenen Pragmatikers. Sicher ist das Fahrverhalten auf jeden Fall, denn der Jogger verkneift sich auch bei hartem Einsatz jede Art von fiesen Tricks und untersteuert im Ernstfall einfach.
Erstaunliche Härte im positiven Sinne beweist der Jogger auch abseits der befestigten Straßen. Auch ohne Allradantrieb und beileibe kein echter SUV (zumal diese ja auch keine echten Geländewagen sind), lässt sich der Dacia auch von ausgefahrenen Waldwegen und richtig schlechtem Geläuf überhaupt nicht beeindrucken. Auch wenn er im Gegensatz zum Sandero Stepway nicht über ein spezielles Gelände-Fahrprogramm verfügt, wühlt er sich eifrig durch schlammige Passagen.
Durch den langen Radstand liegt der Jogger auf der Straße sehr ruhig und federt vor allem lange Wellen einfach weg. Kurze Anregungen kommen spürbar durch, versickern aber in den bequemen Polstern. Der Fahrkomfort ist insgesamt durchaus überzeugend.
Das Preiskapitel ist traditionell Dacia-Revier. Beim Blick auf die Jogger-Preisliste mussten wir dennoch erstmal schlucken. Unser Testwagen mit all seinen Extras kommt auf gar nicht so billig erscheinende 27.197 Euro. Wenn man allerdings die Fahrzeuggröße, die komplexe Antriebstechnik und die sehr gute Ausstattung mit einbezieht, wird der Jogger wieder zum Schnäppchen.
Ab dem Modelljahr 2024 hat der Jogger zudem auch jede Menge neue Assistenzsysteme an Bord, unter anderen eine Verkehrszeichenerkennung, einen Spurhalte-Assistent und Licht- sowie Regensensoren. Auch ein Unfalldatenspeicher ist an Bord, und das alles serienmäßig ab der Basisvariante.
Diese heißt "Essential", kostet extrem günstige 17.900 Euro und ist nur mit dem 100 PS starken ECO-G Triebwerk erhältlich, das auch Autogas verbrennen kann. Der 110 PS starke Benziner erfordert die nächsthöhere Version "Expression" und kostet dann 19.900 Euro, hat aber auch eine wesentlich bessere Ausstattung. Top of the Pops wäre der "Extreme+" als siebensitziger "Hybrid 140", der ohne Extras für 27.250 Euro in der Preisliste steht.
Durch das eigenwillige Karosseriekonzept fällt der Blick auf eventuelle Konkurrenten schwer. Ein weiterer Hochdachkombi wäre der Ford Tourneo Courier. Der auf VW-Caddy-Basis stehende Kölner ist etwas kürzer und kostet in der Basis mit 25.450 Euro schon deutlich mehr als der Jogger. Der vergleichbare VW Caddy beginnt gar erst bei über 32.000 Euro.
In der eigenen Allianz konkurriert der Jogger mit dem Renault Kangoo, der ab 26.900 Euro zu haben ist. Am dichtesten kommt dem Jogger der Citroën Berlingo XL mit einem Basispreis von 23.340 Euro. Bei den Vans gibt es eigentlich nur noch den gut abgehangenen VW Touran ab 40.445 Euro, uff… Hier zieht Dacia wieder erfolgreich die Preis/Leistungskarte, wobei man auch immer weniger Abstriche bei der Qualität und der Ausstattung machen muss.
Mit neuen Assistenzsystemen, mehr Ausstattung und immer noch unverschämt günstigem Preis überzeugt der Dacia Jogger mehr denn je. Die bekannten kleinen Abstriche hinsichtlich des Ambientes dürften der weiteren Erfolgsstory kaum im Wege stehen, zumal es in dieser Preisklasse keine wirkliche Konkurrenz gibt.
Hier hat Dacia die sprichwörtlich eierlegende Wollmilchsau geschaffen, denn der Jogger verzettelt sich nicht etwa in der Kombination von Van, SUV und Kombi, sondern kombiniert die Vorteile aller drei Gattungen. Über kleinere Schwächen kann man da gern hinwegsehen.