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Ford F-150 Lightning im Test: Elektroversion des US-Bestsellers

Der Lightning ist nicht der erste Elektro-Pick-up, aber der erste für Profis Antrieb: Leistungsstark ist untertrieben Batterie und Reichweite Aufladen mit bis zu 150 kW Elf Steckdosen innen und außen Cockpit: Fast wie im fossil angetriebenen F-150   Der erste Elektro-Pick-up für professionelle Nutzer

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Seit 40 Jahren ist der Ford F-150 das Rückgrat der Ford Motor Company und das meistverkaufte Fahrzeug in Nordamerika. Dementsprechend hoch sind die Erwartungen an die Elektroversion F-150 Lightning.

Nach unserer ersten Begegnung mit dem Lightning haben wir nun fast zwei Tage lang verschiedene Versionen des Lightning gefahren. Auf der Straße und im Gelände, mit und ohne Anhänger, mit und ohne Gepäck auf der Ladefläche. Unser Fazit: Der F-150 Lightning ist der beste F-150 aller Zeiten. Es ist nur die Frage, ob Ford genug davon bauen kann.

Antrieb: Leistungsstark ist untertrieben

Der Lightning ist der leistungsstärkste F-150, der je von Ford produziert wurde. Alle Versionen haben Allradantrieb und zwei Elektromotoren. Die Versionen mit Extended-Range-Batterie verfügen über 433 kW Antriebsleistung und 1.051 Nm Drehmoment. Ein Tritt auf das Gaspedal wirft einen in den Sitz und erzeugt einen Adrenalinstoß. Wenn man bei niedrigem Tempo (bis etwa 60 km/h) das Gaspedal durchdrückt, quietschen die Reifen.

Auch auf dem Highway beschleunigt der Wagen flink von 60 auf 90 Meilen pro Stunde (etwa von etwa 100 auf 130 km/h). Der Lightning ist schneller, als ein drei Tonnen schwerer Pick-up sein muss, aber immer wenn man Vollgas gibt, zaubert es einem ein Lächeln ins Gesicht.

Aber Sportwagen beim Ampelsprint zu überholen, ist nicht der Hauptzweck des Lightning. Er kann bis zu einer Tonne aufladen (Versionen Pro und XLT mit der Standard-Range-Batterie) und mit dem optionalen Towing Package kann man 4,5 Tonnen schwere Anhänger an den Haken nehmen (Varianten XLT und Lariat mit Extended-Range-Akku).

Die Rekuperation ist schon im normalen Modus stark. Weiter erhöht sich die Bremswirkung beim Loslassen des Gaspedals, wenn man den One-Pedal-Modus aktiviert. Wie die allermeisten Elektroautos hat der Lightning ein Blending-Bremssystem, das heißt: Beim Betätigen des Bremspedals werden das elektromagnetische Bremsen durch Rekuperation und das mechanische Verzögern über die Bremsscheiben miteinander kombiniert.

Batterie und Reichweite

Herzstück des Lightning ist die Batterie. Ford verwendet ein 400-Volt-System mit Pouch-Zellen, die von einem Joint Venture mit SK Innovation hergestellt werden. Der Akku der Standard-Range-Version hat eine Nettokapazität von 98 kWh, die Batterie für die Extended-Range-Variante speichert 131 kWh.

Je nach Batterie und Ausstattungsvariante variiert die Reichweite zwischen 230 und 320 Meilen, also zwischen 370 und 515 Kilometern. Diese Zahlen beziehen sich auf die anspruchsvolle amerikanische EPA-Norm, die WLTP-Werte dürften höher sein.

Mit der Platinum-Version bin ich auf Highways und Nebenstraßen insgesamt 200 km gefahren und habe das Gaspedal beileibe nicht nur gestreichelt. Dabei schaffte der Wagen durchschnittlich 2,3 Meilen pro kWh. Umgerechnet ist das ein Stromverbrauch von 27 kWh/100 km. Multipliziert man den Effizienzwert (2,3 Meilen oder 3,7 km pro kWh) mit der Batteriekapazität von 131 kWh, kommt man auf 301 Meilen (484 km). Das ist genau eine Meile mehr als die EPA-Reichweitenangabe für den Platinum. Die offizielle Angabe ist also realistisch.

Die Reichweite mit voller Beladung und Anhänger dürfte deutlich niedriger sein. Dafür hat Ford einen intelligenten "Reichweiten-Schätzer" eingebaut, der auf die Onboard-Waage zurückgreift und Informationen über den Anhänger speichern kann. Aufgrund dieser Daten sowie der Topografie der einprogrammierten Fahrstrecke ermittelt der Lightning dann dynamisch die Rest-Reichweite. Die Genauigkeit soll bei etwa fünf Prozent liegen. Liegt das ins Navi eingegebene Ziel außer Reichweite, schlägt das System Ladestationen entlang der Route vor.

Für Offroadfahrten sind alle Versionen des Lightning serienmäßig mit einem sperrbaren Hinterachs-Differenzial ausgestattet, das sehr gut funktioniert. Sobald man das Sperrdifferenzial aktiviert, wird allerdings der One-Pedal-Modus abgeschaltet. Über eine Bergabfahrhilfe verfügt der Lightning nicht, so dass starkes Gefälle ein Problem darstellen könnte. Für diesen Zweck ist der Rivian R1T mit seiner extrem starken Rekuperation beim Gas-Wegnehmen besser.

Aufladen mit bis zu 150 kW

Die Ladegeschwindigkeit hängt stark davon ab, welcher Akku verbaut ist. Die Standard-Range-Batterie kann mit 11,3 kW Wechselstrom (Level 2, 48 Ampere) geladen werden. Die Versionen mit Extended-Range-Akku verfügen über zwei 40-Ampere-Bordlader mit einer kombinierten Leistung von 19,2 kW.

Was das Schnellladen mit Gleichstrom angeht, so bietet der Lightning (mit beiden Batterien) eine maximale Ladeleistung von 150 kW, was für Batterien dieser Größe wirklich kein Spitzenwert ist. Allerdings verspricht Ford eine gute Ladekurve.

Nach Herstellerangaben dauert das DC-Laden von 15 auf 80 Prozent 41 bzw. 44 Minuten. Dass die kleine Batterie länger braucht als die große, liegt daran, dass der große Akku mehr Leistung aufnehmen kann. Die Extended-Range-Batterie sollte also eine flachere Ladekurve bis 80 Prozent Ladestand (SOC) aufweisen.

Ich habe den Lightning an einem Electrify-America-Schnelllader von 61 auf 90 Prozent aufgeladen. Der Ladevorgang dauerte 30 Minuten, und die Ladeleistung betrug etwa 120 kW bis zu einem SOC von 80 Prozent - ein ordentliches Ergebnis.

Elf Steckdosen innen und außen

Genau wie der fossil angetriebene F-150 verfügt der Lightning über Pro Power Onboard und kann damit als Stromquelle verwendet werden. Die Versionen Pro und XLT liefern eine Leistung von bis zu 2,4 kW, die Modelle Lariat und Platinum stellen 9,6 kW zur Verfügung. Diese Leistung kann über die elf Steckdosen abgerufen werden, die innen und außen im Lightning verteilt sind.

Zehn davon sind US-übliche 120-Volt-Steckdosen. Vier solche Dosen befinden sich im Inneren des Mega Power Frunk. Der riesige, 400 Liter fassende vordere Kofferraum bietet zudem USB-A- und USB-C-Ladeanschlüsse.

Die elfte Steckdose befindet sich hinten an der Seitenwand der Ladefläche. Diese bietet 30 Ampere und 240 Volt, also 7,2 kW Leistung. Diese Steckdose kann über einen Adapter auch zum Aufladen eines anderen Elektroautos verwendet werden.

Pro Power Onboard ist auch auf Baustellen, Campingplätzen und überall da von Nutzen, wo man Strom benötigt. Die Funktion lässt sich sogar nutzen, um das Eigenheim bei einem Stromausfall mit Strom zu versorgen.

Cockpit: Fast wie im fossil angetriebenen F-150

Auch wenn der Lightning einen Elektroantrieb hat, ist er immer noch ein F-150. Er sieht aus wie einer und fühlt sich auch wie einer an. Das liegt wahrscheinlich daran, dass er so viele Komponenten mit der Verbrennerversion gemeinsam hat. So ist der Innenraum größtenteils identisch.

Wie der normale F-150 haben die Versionen Pro und XLT einen 12,0-Zoll-Touchscreen, hinzu kommt allerdings ein 12,3-Zoll-Instrumentendisplay. Lariat und Platinum erhalten dasselbe Instrumentendisplay, aber einen 15,5-Zoll-Touchscreen, der vom Mustang Mach-E übernommen wurde.

Auch das Äußere ist weitgehend identisch mit dem normalen F-150, und ich bezweifle, dass viele den Unterschied überhaupt bemerken werden. Fans werden jedoch die andere Front und die LED-Scheinwerfer bemerken, zudem den Ladeanschluss am vorderen linken Kotflügel und das spezielle Emblem des Lightning.

Der erste Elektro-Pick-up für professionelle Nutzer

Schon lange ist mir klar, dass Elektroautos in den USA keine große Akzeptanz finden werden, bis es einen elektrischen Pick-up gibt, der wie ein normaler Pick-up funktioniert. Der Rivian R1T war (mit ein paar Monaten Abstand) der erste Elektro-Pick-up auf dem US-Markt. Aber so gut der R1T auch ist, er ist kein Truck für professionelle Nutzer. Der Lightning schon.

Zugegeben, auch der Lightning eignet sich nicht für jede Anwendung. Für einen Landwirt, der einmal im Monat ein paar Pferde 1.000 Kilometer quer durch Montana transportieren muss, ist der Lightning wohl nicht die beste Wahl. Aber für die große Mehrheit der Amerikaner, die heute einen Full-Size-Pick-up fahren, ist er das richtige Auto.

Ford verkauft 750.000 bis 900.000 konventionelle F-150 pro Jahr, kann aber keine 100.000 Lightning jährlich produzieren. Erst im Jahr 2023 will Ford auf 150.000 Stück kommen. Der Hersteller stoppte sogar die Annahme von Reservierungen, weil der Lightning bis 2023 ausverkauft ist. Und das, bevor ein einziger Kunde in einem Lightning gesessen hat, geschweige denn ihn gefahren hätte.

Im Moment muss sich Ford also noch keine Gedanken über Kunden und Anwendungen machen, für die der Lightning nicht geeignet ist. Bis die Produktion mit der Nachfrage Schritt hält, dürften sich Reichweite und Ladegeschwindigkeit so weit verbessern, dass sich das Auto für jeden Zweck eignet.

Der Test wurde beim Übersetzen des amerikanischen Originals gekürzt und stellenweise etwas umformuliert.


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