So schlägt sich das elektrische Kompakt-SUV auf der Langstrecke
Im ersten Teil unseres dreimonatigen Dauertests des Kia e-Niro gehen wir gleich in die Vollen. Wieso auch nicht, denn schließlich konnten wir das Kompakt-SUV der Marke, das bereits seit Anfang 2019 in Deutschland erhältlich ist, schon kurz nach der Premiere einem Kurztest unterziehen. Wie damals der erste Eindruck von Kollege Hildebrandt war, lesen Sie übrigens hier.
Und jetzt? Jetzt machen wir genau das, was bei den meisten InteressentInnen noch zu Unbehagen im Bezug auf den Elektromobilität-Gedanken führt. Wir wagen uns mit dem Kia auf die Langstrecke und unternehmen eine 700 Kilometer lange Urlaubsreise.
Und zwar nicht in eine Metropolregion mit mittlerweile einer doch ganz ansehnlichen öffentlichen Ladeinfrastruktur, sondern aus dem Rhein-Main-Gebiet direkt an die Mecklenburgische Kleinseenplatte, wo man teilweise sogar für einen Supermarkt mal gut und gerne eine zweistellige Kilometerzahl zurücklegen muss. Spannend.
Weil das Supermarkt-Problem an unserem Zielort bereits bekannt ist, tätigen wir alle nötigen Lebensmitteleinkäufe noch vor der Abfahrt. Dabei steuern wir als nun 3-monatige E-Auto-Besitzer ohne Möglichkeit zur Direktladung am Wohnort natürlich ein Geschäft an, das BesucherInnen eine Ladesäule auf dem Parkplatz stellt.
In unserem Fall spendierte ein Energielieferant sogar eine 50-kW-Säule mit CCS-Anschluss. Nobel. So lädt der e-Niro ganz entspannt seine Akkus auf 100 Prozent, während wir uns 1,5 Stunden mit Grundnahrungsmitteln, Gemüse, Snacks und anderen Köstlichkeiten für eine Urlaubswoche die Zeit vertreiben.
Am nächsten Morgen klingelt der Wecker recht früh. Um 5 Uhr soll es los gehen, da wir gegen Mittag am Zielort ankommen wollen und wir wissen, dass wir mit zwei geplanten Ladestopps auf der Strecke etwas mehr als eine Stunde an Zeit liegen lassen werden.
Dabei ist es leider noch etwas nervig - und daran merken Sie, dass dieser E-Kia nicht erst vor wenigen Monaten auf den Markt gekommen ist -, dass zu unseren Vorbereitungen auch gehören muss, die Ladepausen händisch zu planen. Neuere Elektrofahrzeuge können diese Pausen schon automatisch in die Gesamtroute einplanen.
Weil Kia aber die sogenannte Kia Charge-App für Smartphones hat, lassen sich die in Frage kommenden Säulen (wir wollen mindestens 100-kW-Schnelllader) aber einfach vor Abfahrt auf der Couch raussuchen und via Apple CarPlay oder Android Auto dann in die Routenplanung übernehmen.
Gesagt, getan. 270 Kilometer sind es bis zur ersten Nachladepause. Kein Problem, denn die Reichweitenanzeige verspricht uns bei 98 Prozent Akkustand eine Reichweite von 395 Kilometer. Sitzkühlung und Klimaautomatik bleiben dabei erst einmal aus. Denn an diesem frühen Samstagmorgen ist es zum Glück noch recht frisch.
Noch etwas vorsichtig bewältigen wir die erste Etappe mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 120 km/h. Man will ja nicht gleich auf den ersten Kilometern sein Glück herausfordern. So erreichen wir den ersten Stopp an einer 350-kW-Säule mit noch 150 Rest-Kilometern auf der Uhr.
Wir halten die RFID-Karte, die über ein Abrechnungssystem von Kia selbst läuft, an die dafür vorgesehene Stelle am Schnelllader, stecken das Auto an und nach einer kurzen Kommunikationsphase zwischen Fahrzeug und Säule fließt Strom. 73 kWh bestätigt uns die Anzeige. Dabei handelt es sich um die Maximalleistung, die allerdings nach gut 20 Prozent Nachladung schon runter geregelt wird.
Trotzdem erreichen wir die 80 Prozent schon nach etwa 30 Minuten. Genug Zeit für einen Toilettengang, einen Kaffee und ein belegtes Brötchen. Weiter geht's. Diesmal mit 320 Kilometern Reichweite und einer 190 Kilometer langen Etappe zum nächsten Stopp, wo sich das ganze Spiel noch einmal wiederholen wird und wir nach einem zweiten Halt von etwa 30 Minuten auf die 260 Kilometer lange Schlussetappe gehen.
Nach etwa 8,5 Stunden ist es dann soweit. Wir haben zwar 1,5 Stunden auf der Strecke liegen gelassen, erreichen aber mit mittlerweile angeschalteter Klimaanlage und Sitzkühlung ziemlich entspannt unser Ziel.
Das Display attestiert uns einen Akkustand von unter 10 Prozent und weniger als 30 Kilometer Reichweite. Obwohl wir wieder nur auf 80 Prozent geladen hatten. Dabei hatten wir einfach immer die Differenz zwischen der Entfernung zum Zielpunkt und der Reichweite im Blick. Kein Problem.
Ja, wir sind mutiger geworden und zeitweise auch mal 140 oder sogar 150 km/h gefahren. Außerdem mussten wir einen kleinen Umweg an eine normale Tankstelle einplanen, damit wir den für einen Außenbordmotor mitgebrachten Benzinkanister mit Sprit füllen können. Es ist komisch, mit einem E-Auto an einer Tanke vorzufahren. Vor allem, wenn es im Auto danach dann nach Benzin riecht.
Jetzt kann der Urlaub also beginnen. Für uns und das Auto, denn vor Ort sind wir nun eine Woche nicht darauf angewiesen. Deshalb ist es für uns auch kein Problem, dass wir an der Unterkunft nur über eine 230-Volt-Steckdose laden können.
Wir haben Zeit. Sind aber trotzdem immer wieder überrascht, wie lange es mit nur 2,7 kW dauert, einen 64 kWh-Akku zu füllen. Über 26 Stunden verrät uns die Anzeige hinterm Lenkrad. Egal. Die Rückfahrt ist erst nach sieben Tagen geplant und wir können seelenruhig auf 100 Prozent laden.
Leider vergeht Freizeit ja immer wie im Flug und einen Samstag später steht schon die Heimreise an. Wir sind entspannt. Vom Urlaub und dem Hintergrundwissen, dass wir auf den nun wieder anstehenden 700 Kilometern keinerlei Probleme mit unserem e-Niro zu erwarten haben.
Keine Reichweitenangst, kein großer Zeitverlust und sobald man in Richtung Großraum Berlin gekommen ist, erwartet einen ja auch wieder eine große Auswahl an Ladesäulen. Es ist also keine Überraschung, dass wir und unser Gepäck nach erneuten 8,5 Stunden Fahrt- und Ladezeit gut erholt im Rhein-Main-Gebiet eintreffen.
Sie wollen also einen Haken an E-Mobilität auf der Langstrecke in den vielleicht zwei Mal pro Jahr stattfindenden Urlaub finden? Dann probieren Sie es selbst einmal aus. Wir haben es getan und keinen gefunden. Einzig die Strompreise an den Schnelladern sind doch etwas happig. Je nach Tarif verlangen die unterschiedlichen Betreiber hier gerne mal bis zu 0,79 Euro pro Kilowattstunde.
Mit dem e-Niro verbrauchten wir etwas mehr als 18 kWh auf 100 Kilometer. Somit kommen wir auf einen 100-km-Energiepreis von circa 14 Euro. Mit einem sparsamen Diesel sind Sie in Sachen Verbrauch dann natürlich etwas günstiger unterwegs.
Sparen kann man dann aber im Alltag. Auf der Kurzstrecke. Wo zum einen Verbräuche von unter 16 kWh möglich sind und zum anderen (wenn möglich) zu Hause sowie zu günstigen Nachttarifen geladen werden kann. Wie und ob sich hier unser erster durchweg positiver Eindruck vom Kia e-Niro ändern wird, erfahren Sie im zweiten Teil unseres Dauertest. In Kürze ebenfalls hier auf Motor1.com.