Ford hat die geniale Antwort auf eine Frage, die keiner gestellt hat
Sie haben diesen Testbericht angeklickt, also interessieren Sie sich entweder für sportliches Fahren oder Sie verabscheuen "kompakte Sport-Crossover" und hoffen, dass wir dem Puma ST so richtig eine auf den Deckel geben.
Ich bestreite es ja gar nicht: Wenn mir in der Werbung mal wieder weisgemacht wird, dass echter, souveräner Fahrspaß nur mit SUV XY möglich ist, dann möchte ich SUV XY am liebsten auf seine 22-Zoll-Niederquerschnittsreifen brechen.
Bei Ford allerdings könnte die ganze Sache ein wenig anders aussehen. Dem Hüter über den Fahrspaß für die Massen ist definitiv genügend Verrücktheit zuzutrauen, um sogar aus einem trendig-urbanen Klein-Crossover ein veritables Fahrdynamik-Biest zu formen.
Die Vergangenheit lehrt, dass dieses Unterfangen ein ziemlich tückisches sein kann. Der Nissan Juke Nismo war okay, aber auch nicht mehr. Der aufwendigere Audi SQ2 ist vor allem fürchterlich schnell und fürchterlich teuer, sonst aber nicht viel.
Klarer Vorteil Ford: Deren heißgemachter Klein-Crossover verfügt über die Grundzutaten des ganz und gar gloriosen Fiesta ST. Selbiger war in den letzten beiden Generationen so dermaßen kompromisslos auf Fahrspaß getrimmt, dass es einem fast den Atem raubte. Vor Verzückung, wohlgemerkt. Und genau das lässt für den Puma ST hoffen.
Auch der Blick aufs Datenblatt ist vielversprechend. Ford macht hier keinen Marketing-Quatsch, scheint das mit der Dynamik durchaus ernst zu meinen. Der extrem charismatische 1,5-Liter-Dreizylinder-EcoBoost bringt es auf 200 PS und hängt an einem manuellen (!) und einmal mehr hervorragenden Sechsgang-Getriebe.
Es gibt ein stark überarbeitetes Fahrwerk und wenn Sie das Performance Paket ordern (mit 1.170 Euro im Prinzip ein Schnäppchen) kriegen Sie Torque Vectoring und eine richtige Vorderachs-Differenzialsperre von Quaife.
Ford hat sogar mit Michelin die Köpfe zusammengesteckt, um spezielle Pilot Sport 4S-Gummis für den Puma ST zu backen. Dazu kommen diverse Fahrprofile unter denen sich tatsächlich auch ein Rennstrecken-Modus inklusive gelockertem Sport-ESP befindet.
Das mag auf den ersten Blick ein wenig lächerlich erscheinen, aber Ford macht offenbar auch bei der Performance-Version eines Stadt-SUVs keine halben Sachen und das verdient Respekt. Außerdem ist das Kompakt-Crossover-Segment vermutlich das einzige, für das es noch keinen Nordschleife-Rekord gibt. Also Gas geben, Ford! Wahrscheinlich ist auch der Puma ST schneller als noch vor 20 Jahren ein Lamborghini Diablo.
Naja, der Puma sieht nun mal aus, als wäre er aus Versehen bei "Das große Krabbeln" aus der Kinoleinwand gekrochen. Den Rest erledigt das neue "Furious Grün Metallic" (eine von sechs Farben, falls sie nicht so auf "sehr sehr Grün" stehen).
Allerdings verleihen die ST-spezifischen Anbauten durchaus etwas mehr Ernsthaftigkeit. Sie kriegen einen schicken Frontsplitter, einen relativ großen Dachflügel und einen Heckdiffusor. Dazu kommen 19-Zöller, ein größerer Grill für bessere Motorkühlung und viel Glanzschwarz, unter anderem an Spiegeln und Dach.
Ein Einstiegspreis von knapp über 30.000 Euro mag auf den ersten Blick ein wenig einschüchternd wirken, aber der Puma ST ist richtig gut ausgestattet. Fords Sync3-Infotainment mit Navi, Apple CarPlay und Android Auto, ein digitales Instrumentendisplay, Parkpiepser rundum, Recaro-Sportsitze, eine Frontscheibenheizung, ein aktiver Tempomat sowie eine Armada an Fahrhilfen sind Serie.
Wie erwähnt hängt die Messlatte dank des Plattformspenders Fiesta ST fürchterlich hoch und es liegt in der Natur der Sache, dass man alles versaut, wenn man das Ding aufbläht, höher legt und viel zu große Räder drunter schraubt.
"Er fühlt sich nicht an wie ein SUV, eher wie ein Fiesta ST bei dem der Sitz ganz nach oben gedreht wurde."
Glücklicherweise ist das in diesem Fall nicht passiert. Man erkennt es ja bereits auf den Bildern - in den Radkästen des Puma ST ist nicht soo viel Luft. Die Bodenfreiheit liegt bei 152 mm, das sind 30 mm mehr als beim Fiesta ST. Zudem trägt er akzeptable 70 Kilo Mehrgewicht mit sich herum.
Das bedeutet im echten Leben, dass er sich das Wankige, das Bauchige eines SUVs komplett schenkt und eher fährt wie ein größerer, etwas weniger tollwütiger Fiesta ST. Klar, Sie sitzen etwas höher und wenn Sie schalten wollen, müssen Sie etwas weiter nach unten greifen, aber das allgemeine Gefühl ist wirklich sehr ähnlich.
Das liegt unter anderem an der ultraschnellen, ziemlich nervösen Lenkung, deren starke Rückstellkräfte wie immer Geschmackssache sind. Gegenüber dem normalem Puma ist sie 25 Prozent direkter.
Außerdem hat man das Fahrwerk ST-typisch äußerst lebendig abgestimmt. Der hintere Verbundlenker ist 50 Prozent fester als beim Standard Puma (40 Prozent fester als im Fiesta ST). Größere Stabilisatoren (28 mm Durchmesservorne, 24 mm hinten) verringern die Rollneigung in Kurven. Dazu kommen Fords spezielle, gegenläufig gewundene Federn. Sie üben vektorielle Kräfte auf die Hinterradaufhängung aus. Das Ziel: Kurvenkräfte direkt in die Federn ableiten und somit Seitenneigung minimieren.
Das alles klappt, wie gesagt, absolut hervorragend. Der Puma wird sich sogar wie ein Fiesta ST verhalten, wenn Sie mal nur auf kindlichen Schabernack aus sind. Jap, ganz genau, inklusive Übersteuern beim Gas lupfen und heroischen Kurvenfahrten auf drei Rädern.
Der Puma ST hat Biss und Traktion aus der Kurve heraus, aber er ist überaus beweglich und unterhaltsam (viel mehr, als ein Auto dieser Klasse je sein müsste), wenn Sie das wollen. Er fühlt sich nicht an wie ein SUV, eher wie ein Fiesta ST bei dem der Sitz ganz nach oben gedreht wurde. Das gilt auch für die übernervöse Bremse (325 mm vorne, 271 mm hinten), die gerade bei langsamer Fahrt für peinliche Kopfnicker-Momente bei den Rest-Insassen sorgen kann.
Der Einsfünfer-Dreizylinder überraschte ja bereits im Fiesta mit hervorragender Laune, ungeahntem Punch um die Mittellage und ordentlich Drehlust oben raus. Es ist eines dieser Aggregate, das dich sofort mitnimmt, wo einfach sehr viel passt.
Mildhybridisierung wie in den schwächeren Pumas gibt es hier zwar nicht, dafür schaltet der Vollaluminium-Motor bei Bedarf einen seiner drei Zylinder ab. Ein integrierter Auslasskrümmer verkürzt die Distanz, die die Auspuffgase vom Zylinder bis zum Turbolader zurücklegen, was das Ansprechverhalten verbessern soll. Vermutlich um das Mehrgewicht des Puma auszugleichen, gibt es hier nochmal 30 Nm mehr. 320 sind es nun insgesamt.
Auch im größeren Auto ist das zierliche Kraftwerk eine Wucht. Das Turboloch ist auch hier nicht ganz wegzudiskutieren, aber die so irre gut nutzbare, super stämmige Power ist ein ums andere Mal verblüffend.
Ford hat hier einfach einen großartigen und sehr charakterstarken Antrieb entwickelt, der auch klanglich ordentlich auf die Pauke haut. Klar wird hier künstlich nachgeholfen, aber der Puma ST ist nicht nur im Cockpit kernig, er rotzt und rabaukt auch tadellos aus dem Auspuff.
Den ST mit einem gewöhnlichen Puma zu verwechseln wird schwierig, dafür haben die schnellen Leute bei Ford schon gesorgt. Die Außenspiegel werfen im Stand riesige ST-Logos auf den Asphalt und es gibt ST-Bagdes am (etwas großen) Lenkrad, den Fußmatten und den Sitzen.
Letzere sind - wie erwähnt - von Recaro und begehen den gleichen Fehler wie alle Stühle, die in den letzten Jahren in Fords Sportmodellen zum Einsatz kamen: Sie sind viel zu eng geschnitten. Zumindest, wenn man größer als 1,75 Meter ist und mehr als 70 Kilo wiegt. Mag sein, dass sie hervorragenden Seitenhalt bieten, aber Oberschenkel und Hüfte fühlen sich an wie in einem sehr wütenden Schraubstock. Bei einem Fiesta ST kann ich das vielleicht noch akzeptieren, bei einem "Familien"-Crossover eher nicht.
Der Platz im Fond ist größenbedingt - der Puma ST ist 4,22 Meter lang - eher bescheiden. Der Kofferraum allerdings bietet 456 Liter, was laut Ford Klassenbestwert darstellt. Dazu kommt die 80-Liter-MegaBox unter dem Kofferraumboden.
Die Materialqualität ist so wie man das von Ford gewohnt ist. Andere Hersteller geben sich definitiv mehr Mühe, aber alles in allem geht das schon in Ordnung. Das 12,3-Zoll-Instrumentendisplay macht einen sehr anständigen Eindruck, das Infotainment ist einfach zu bedienen. Schön auch, dass die Klimasteuerung mit richtigen Drehschaltern darunter funktioniert.
Ausreichend Stauraum für allerhand Krimskrams und gut erreichbare USB-Ports zeigen den Familienversteher im Puma ST.
Der Puma ST sieht ja schon von außen ein wenig comic-haft aus und irgendwie fährt er sich auch so. Extrem agil, laut, schrill, bunt, ein wenig überspitzt in seinem ganzen Wesen, vielleicht auch ein bisschen arg straff, aber durch und durch unterhaltsam.
Stellt sich nur die Frage: Wenn er so nah am Fiesta ST ist, aber eben schwerer und ein gutes Stück teurer, warum soll ich ihn dann kaufen? Klar hat er einen größeren Kofferraum, mehr Platz (was absolut nicht bedeutet, dass er viel Platz hätte) und man steigt leichter ein und aus. Aber reicht das? Wer will wirklich einen Stadt-Crossover, der überraschend rücksichtslos auf Performance ausgelegt ist? Mit allen Vor- und Nachteilen?
Die Antwort ist die gleiche wie immer: Mehr und mehr Menschen haben bewiesenermaßen Lust auf Sportwagen im SUV-Gewand und sie sind bereit, mehr dafür zu bezahlen. Warum würde es sonst ein Porsche Cayenne Coupé, einen BMW X4 M oder einen Audi Q8 mit 600 PS geben? Logisch betrachtet macht es wenig Sinn, aber wenn man gutes Geld damit verdienen kann, wäre man als Unternehmen ja wirklich dumm, wenn man darauf verzichtet.
Umso mehr muss man Ford dafür loben, dass sie den Puma ST besser und sportlich glaubwürdiger gemacht haben, als es nötig gewesen wäre. Dieser Crossover fährt talentierter als viele Kompaktsportler. Das hat man bisher nun wirklich nicht häufig ... naja, also eher gar nicht behaupten können.
Weitere kleine Performance-SUVs werden folgen. In Kürze etwa der Hyundai Kona N. Sie werden sich verdammt anstrengen müssen, den Puma ST zu übertreffen.