Dritte Generation mit viel Reichweite und Drehmoment, aber langen Ladezeiten
Wer passt wohl am besten in den Fahrersitz des neuen Kia e-Soul? In meiner Vorstellung ist es ein Hipster mit Bart und passendem Lifestyle. Ich fürchte, ich bin zu wenig cool und zu wenig Hipster für dieses Auto. Aber ich habe es getestet, und verrate schon mal vorab: Von den Fahreigenschaften war ich begeistert. Doch beginnen wir bei den Basics ...
Der Kia e-Soul ist die dritte Generation des Soul, und wie der Name schon sagt, gibt es ihn (in Europa) nur mehr mit Elektroantrieb. Warum nicht mehr mit Verbrenner? Wissen wir auch nicht so genau, aber es scheint etwas mit den Verkaufszahlen und mit den CO2-Emissionen zu tun zu haben. Jedenfalls gehört der e-Soul (wie der Hyundai Kona Elektro) ins B-SUV-Segment, also zu den Kleinwagen-SUVs. Der e-Niro ist 18 Zentimeter länger und gehört ins C-SUV-Segment, also zu den Kompakt-SUVs.
Eine ganze Menge. Vor allem bekommt der Wagen den gleichen Elektroantrieb wie der Kona Elektro und der Kia e-Niro. Das heißt, er schafft in der Topversion rund 450 Kilometer nach WLTP-Norm. Über die andere Variante braucht man eigentlich gar nicht zu reden, denn 90 Prozent der Kunden werden die große Reichweite wählen. Zweitens bekommt er eine völlig neue Optik, über die ich mich eingangs schon geäußert habe. Drittens gibt es Neues in Sachen Assistenzsysteme, dazu komme ich vielleicht etwas später, wenn wir über die Fahreigenschaften gesprochen haben.
Exzellent. Sorry, wenn ich das so undifferenziert sage, aber wenn man richtig Gas gibt, drückt es einen wirklich in den Sitz, es ist verblüffend. 395 Newtonmeter ist aber auch ein ordentliches Drehmoment. Das ist die Größenordnung eines Ford Focus ST oder VW Golf GTD, wenn auch das Elektroauto (1,8 Tonnen) deutlich schwerer ist als diese. Die Leistung sei nur der Ordnung halber erwähnt, sie ist für den Fahreindruck weniger entscheidend: Die 204 PS ermöglichen einen Normsprint in 7,9 Sekunden.
Das Fahrwerk ist okay, aber nicht toll. Es wirkt ein wenig schwammig, wenn man bei Tempo 100 ein bisschen am Lenker rüttelt, und bei Unebenheiten darf man keinen Oberklassekomfort erwarten - wie gesagt, wir befinden uns hier im Kleinwagensegment.
Die Stärke der Rekuperation (also die Bremswirkung zum Beispiel beim Gas-Wegnehmen) lässt sich über die Lenkradwippen sehr genau regeln, was ich der verschiedenen Geschmäcker wegen gut finde. Aber der Wagen kommt in allen Modi nur dann zum Stillstand, wenn ich das linke Lenkrad-Paddle ziehe. Das macht die Bedienung unnötig kompliziert und eliminiert den Charme der Einfachheit (das "One-Pedal-Feeling"), das ich beim BMW i3 so genossen habe.
Von der Materialanmutung völlig ausreichend. Das heißt nicht so edel wie sagen wir mal ein Audi A1, aber auch nicht minderwertig. Kia hat auf "playful features" (verspielte Elemente) und eine technologische Atmosphäre geachtet, wie der Hersteller sagt. Zu den Spielereien gehört das "impulsgesteuerte" (das heißt, im Rhythmus der Musik variierte) Ambientelicht zählen. Zur technologischen Atmosphäre gehört das Head-up-Display und der Monitor, der die herkömmlichen Instrumente ersetzt.
Die Techies werden sich auch über das sehr brillante 10,25-Zoll-Display in der Cockpitmitte freuen, auf dem man einzelne Elemente verschieben kann. Nützlich ist, dass das Navi nicht nur die nächsten Ladesäulen kennt, sondern auch die Ladezeiten nennt.
Was das aufladen angeht, so hat der neue e-Soul nun einen Schnellladeanschluss nach CCS-Standard. Der ist in Europa deutlich verbreiteter als der ChaDeMo-Anschluss des alten Soul EV. An einer CCS-Säule kann man den e-Soul in weniger als einer Stunde auf 80 Prozent aufladen. Allerdings machen CCS-Schnellladesäulen (nach Daten von GoingElectric.de) nur fünf Prozent der Ladesäulen aus. Am verbreitetsten sind danach Typ-2-Ladesäulen, die meist 22 bis 46 kW Ladeleistung bieten. Daran lädt der e-Soul aber nur mit 7,2 kW und braucht dann 9 h 35 für eine komplette Ladung. Hier hat etwa der Renault Zoe mit 22 kW Ladeleistung deutlich die Nase vorne. Dreiphasiges Laden hätte Kia gerne angeboten, so heißt es beim Hersteller, es erschien den Machern aber zu teuer.
Das ist hervorragend. Dass es nicht an Kopffreiheit fehlt, sieht man schon von außen. Der Wagen ist schließlich auch 1,60 Meter hoch, so manch Kleinerem reicht er damit (wenn er neben dem Auto steht) bis zum Kinn. Im Fond bleibt auch mehr als genug Platz vor den Knien. Und der Kofferraum ist mit 315 bis 1.339 Liter in etwa auf dem alltagstauglichen Niveau eines VW Golf (380 bis 1.270 Liter). Nachteilig ist, dass die Ladekante recht hoch liegt und dass der Ladeboden beim Umklappen nur dann eben wird, wenn man den Einlegeboden in die obere Position bringt.
Die gefahrene Topversion e-Soul 204 mit 204 PS und 64 kWh-Akku ist ab 37.790 Euro zu haben. Die Ausstattung (Edition 7) ist für das Segment hervorragend. So sind LED-Licht, Antikollisionssystem, Abstandstempomat, aktiver Spurhalteassistent, Ein-Zonen-Klimaautomatik, Radio mit 7,0-Zoll-Display, Smartphone-Anbindung und 17-Zoll-Alufelgen Serie.
Wer wegen der Haltbarkeit der Batterie Bedenken hat - Handy-Akkus machen schließlich auch manchmal schon nach drei Jahren schlapp -, den tröstet vielleicht die siebenjährige Herstellergarantie. Wie im B-SUV-Segment üblich, gibt es nicht nur einfarbige Lackierungen sondern auch Bicolor-Versionen. Alternativen wären der größere Kia e-Niro (mit dem gleichen Antrieb ab 39.090 Euro) oder der Hyundai Kona Elektro (mit dem gleichen Antrieb ab 39.000 Euro). Elektroautos mit 450 Kilometer Reichweite zu einigermaßen vertretbaren Preisen sind ansonsten Mangelware. Der Renault Zoe Z.E. 40 (kleiner, nur 300 Kilometer Reichweite, dafür mit 22 kW aufladbar, weniger Power) für 34.100 Euro ist eine günstigere aber auch weniger attraktive Alternative. Für mich persönlich wäre wohl der Kona Elektro das Auto der Wahl -- vor allem wegen der Optik. Einen Überblick zu den derzeit verfügbaren Elektroautos finden Sie in unserer Übersicht mit kurzen Einführungen zu den einzelnen Fahrzeugen.
Bestellen kann man den e-Soul seit dem 8. April 2019. Aber die Lieferzeit liegt meist bei etwa 12 Monaten. Sehr ärgerlich für den Käufer. Kia sagt dazu, man habe die Batterien vor etwa drei Jahren bestellen müssen, und damals wäre man nicht von einer so hohen Nachfrage ausgegangen. Man arbeite mit seinen beiden Akkulieferanten (LG Chemical und SK Innovation) hart an einer Lösung des Problems - das im übrigen viele Autohersteller betrifft.
+ starkes Beschleunigungsgefühl, gutes Platzangebot, viel Technik
- etwas extreme Optik